Kabinettschef von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), Clemens-Wolfgang Niedrist, im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Carina Kainz
„Ibiza“-U-Ausschuss

ÖVP-Kabinettschef zu „Wünschen“ befragt

Die Weihnachtspause ist vorbei, die Befragungen im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss gehen weiter. Den Auftakt machte am Dienstag Clemens Wolfgang Niedrist, Kabinettschef im Finanzministerium. Zu Beginn der „Ibiza-Affäre“ war der Jurist jedoch im Justizressort beschäftigt – als Ex-ÖVP-Justizminister Josef Moser über weitere Schritte entscheiden musste. Darüber entlud sich eine teils hitzige Debatte.

Niedrist hat bereits einige Stationen hinter sich. Er war nicht nur Kabinettschef von Moser, sondern auch von dessen Vorgänger, Wolfgang Brandstetter. Beide Minister wurden über die ÖVP in die Regierung gehievt, sind aber nicht Parteimitglieder – im Gegensatz zu Niedrist, der auch schon bei der Jungen ÖVP aktiv war. In der Amtszeit der Regierung unter Brigitte Bierlein war der Jurist auch tätig: Nämlich beim damaligen Kanzleramtsminister Alexander Schallenberg, der nun in der ÖVP-Grünen-Regierung Außenminister (ÖVP-Ticket) ist. Heute ist Niedrist Kabinettschef von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).

Als das „Ibiza-Video“ im Mai 2019 veröffentlichte wurde, war Niedrist im Kabinett von Moser. Er selbst habe am Nachmittag von „brisantem Material“ erfahren. Der damalige Justizminister habe ihn gebeten, in der nächsten halben Stunde den Fernsehapparat einzuschalten. Dann sah Niedrist die Sondersendung des ORF über das „Ibiza-Video“. Er gab an, dass auch der damalige Sektionschef Christian Pilnacek von Moser angewiesen wurde, gegebenenfalls etwaige Schritte einzuleiten. Über Details könne er nur so viel sagen: Es sei darum gegangen, das Video zu suchen und herauszufinden, ob der Inhalt strafrechtlich relevant ist.

Doris Bures (SPÖ) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Carina Kainz
Den Vorsitz führte zu Beginn die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ)

Das „Ibiza-Video“ wurde vor Weihnachten – nach einem Spruch des Verfassungsgerichtshofs – an den U-Ausschuss übermittelt. Für die Vorführung des Materials in voller Länge wird ein abhörsicherer Raum unter der Rampe im alten Parlamentsgebäude vorbereitet, das derzeit saniert wird, bestätigte die Parlamentsdirektion einen „Kurier“-Bericht. Weil das Video der Sicherheitsstufe vier („streng geheim“) unterliegt, darf es nur in einem abhörsicheren Raum abgespielt werden. SPÖ und NEOS hatten die Klassifizierung kritisiert. Man wolle urgieren, das Videomaterial „runterzuklassifizieren“.

Debatte über Fragen zu Wünschen des Ressortchefs

Ob es nach der Veröffentlichung des Videos Weisungen oder Wünsche aus dem Ministerium in Richtung Staatsanwaltschaften gegeben habe, wisse Niedrist heute nicht mehr. Die Auskunftsperson bezeichnete die Frage des SPÖ-Abgeordneten Kai Jan Krainer als „Spekulationsfrage“. Krainer entgegnete, dass er nach Wahrnehmungen frage, um Spekulationen ausschließen zu können. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl gab seine Einschätzung in Richtung Krainer ab: „Herr Abgeordneter, ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Sie wollen wissen, ob es einen Wunsch von Moser gab, welche Staatsanwaltschaft ermitteln soll. Die Auskunftsperson hat darauf schon geantwortet.“

Kai Jan Krainer (SPÖ) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Carina Kainz
„Spekulationsfrage“ – so bezeichnete die Auskunftsperson die Frage von SPÖ-Mandatar Krainer

Krainer fragte in einer weiteren Runde, ob Niedrist Wahrnehmungen habe, dass von diversen Personen gewünscht wurde, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der „Ibiza-Affäre“ „keine aktive Rolle spielen soll“? Nachdem die Auskunftsperson die Frage verneinte, wollte Krainer, dass Verfahrensrichter Pöschl Niedrist an die Wahrheitspflicht erinnern soll. Dieser sah keinen Anlass dazu. Krainer forderte, dass eine Sachverhaltsdarstellung wegen Falschaussagen vorbereitet wird.

Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP), der von Bures übernahm, kündigte eine vertrauliche Sitzung ohne Medien an. Ohne Unterlagen könne man diese Befragung nicht so fortführen, sagte er. Auch der Verfahrensanwalt erklärte, dass die Auskunftsperson alle Unterlagen kennen muss. Verfahrensrichter Pöschl schloss sich dem an, er werde dem Vorsitzenden ohne Akt keine Sachverhaltsdarstellung empfehlen, sagte er. „Dann muss das im Raum stehen bleiben und wird nicht aufgeklärt.“

ÖVP-Mitglied als Kabinettschef von Moser und Brandstetter

Wann er über die anonyme Anzeige erfahren hat, die zur Causa Casinos (Stichwort Peter Sidlo und Novomatic) führte, könne er, Niedrist, heute nicht mehr sagen, wohl aus den Medien, wie die Auskunftsperson im Ausschuss betonte. Niedrist schied am 3. Juni 2019 aus dem Justizministerium aus. Wenige Tage davor wurde der Bundesregierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) – die FPÖ-Mitglieder hatten ihre Ämter bereits zurückgelegt – das Misstrauen ausgesprochen. Dass das ÖVP-Mitglied Kabinettschef unter zwei Ministern war, die nicht ÖVP-Mitglieder sind, verwunderte Grünen-Politikerin Nina Tomaselli. Moser habe ihn gefragt, ob er weiter im Kabinett bleiben wolle, sagte Niedrist.

Christian Ries (FPÖ) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Carina Kainz
FPÖ-Mandatar Christian Ries wollte auch mehr über Chats zwischen Schmid und Niedrist erfahren

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper kam auf Niedrists E-Mail an den damaligen Kabinettschef im Finanzministerium, Thomas Schmid, zu sprechen. Es ging um KTM-Unternehmer Stefan Pierer, der auch an die ÖVP spendete. Niedrist schrieb sinngemäß, dass er „ein Auge“ auf die Sache haben werde. Das sei drei Jahre her, sagte die Auskunftsperson. Es sei damals um den Verdacht gegangen, dass Pierers Steuerakt an die Öffentlichkeit geleakt worden sei. Deswegen sei das Justizministerium mit der Sache befasst gewesen und deswegen seien Informationen für die Minister aufbereitet worden. „Das heißt, dass der Sektionschef sich etwas anschaut“, sagte Niedrist.

Erhöhter Schutz des Parlaments

Vor der Befragung waren den Medienvertreterinnen und -vertreter mehrere schwerbewaffnete Polizistin in der Nähe vor dem Eingang des U-Ausschusses aufgefallen. Die Parlamentsdirektion teilte ORF.at mit, dass die verschärften Sicherheitsmaßnahmen, die seit dem Anschlag in Wien Anfang November gelten, wegen der jüngsten Ereignisse in den USA (Stichwort Kapitol) und den Anti-CoV-Demonstrationen weiter in Kraft bleiben. Vor wenigen Tagen warnte der Verfassungsschutz vor „Radikalen und Extremisten“ in den Demozügen, die via Chats etwa dazu aufrufen, in das Parlament einzudringen und es anzuzünden.

Polizist vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschusslokal
ORF.at/Carina Kainz
Die Polizei kümmert sich um den Außenschutz des Parlaments (Hofburg)

Die Sicherheitslage wird fortlaufend mit dem Innenministerium bewertet, hieß es aus der Parlamentsdirektion. Grundsätzlich ist eine eigene Sicherheitsabteilung für den Schutz des Parlaments zuständig. Für den Außenschutz ist allerdings die Polizei Wien zuständig, für die Zutrittskontrollen und die Sicherheit im Haus eigene Sicherheitsleute. Hierzu greift das Parlament auch auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen privater Sicherheitsfirmen zurück.