Containerschiff bei der Beladung im Hafen von Qingdao, China
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Rekordpreise

Wettlauf um Transporte aus China

Wer für den Transport seiner Ware von China nach Europa derzeit einen Platz auf einem Containerschiff bekommen möchte, muss gut verhandeln oder den höchsten Preis zahlen. Aber selbst dann sei der Frachtraum nicht garantiert, heißt es von Unternehmerseite. Auch Logistikexperten sehen einen Wettlauf um Transportkapazitäten nicht nur trotz, sondern auch wegen der CoV-Krise.

Wirtschaftlich hat sich China relativ schnell von der Pandemie erholt. Die Produktion läuft seit Sommer vergangenen Jahres wieder auf Hochtouren. Die Nachfrage in Europa ist mehr geworden – nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Onlinebestellungen von Produkten, die in Asien produziert werden.

90 Prozent der Überseetransporte werden per Schiff abgewickelt. Die Reedereien hatten aufgrund des wirtschaftlichen Stillstands in der ersten Lockdown-Phase vergangenen März und April die Kapazitäten zwischen China und den europäischen Nordseehäfen um etwa ein Fünftel reduziert, sagte Andreas Breinbauer, Rektor der FH des BFI Wien und Leiter der Studiengänge „Logistik und Transportmanagement“ gegenüber ORF.at. Damit sollten teure Leerfahrten vermieden werden.

Containerschiffe vor der Küste von Honkong
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Weltweit sind derzeit 6.200 Containerschiffe einsatzbereit. Nach wie vor gibt es Engpässe bei Containern

„Künstliche Verknappung“

Diese Kapazitäten wurden bisher nicht wirklich aufgestockt. Oliver Wagner, Geschäftsführer vom Zentralverband Spedition und Logistik, spricht gegenüber ORF.at sogar von einer „künstlichen Verknappung“. Er sieht derzeit keine Bewegung bei den Reedereien: „Es gäbe genug Kapazitäten. Es ist nur die Frage, ob man will. Das (die Verknappung, Anm.) ist auch eine Strategie, um die Märkte zu stimulieren.“ Für die Reedereien zahlte sich die Verknappung schon im vergangenen Jahr aus. Wagner: „Sie fuhren Rekordgewinne ein, zugleich ging das Gesamtvolumen aber zurück.“

Konsequenz ist eine anhaltende Knappheit von Containern insbesondere in China, während sich das Leergut in Europas Häfen stapelt. Hohe Nachfrage und wenig Kapazitäten führen zu einem Rekordniveau bei den Preisen. Der Transport für einen 40-Fuß-Container (12,2 Meter, Forty-foot-Equivalent Unit, FEU) von China nach Europa habe sich von rund 1.400 US-Dollar (1.152 Euro) Anfang März 2020 auf heute bis zu 8.000 US-Dollar fast versechsfacht, führte Breinbauer an.

Er zog zudem einen Vergleich zum Juni 2009, dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise: Damals kostete ein 40-Fuß-Container zwischen 100 und 150 US-Dollar. Auf dem Spotmarkt, also bei kurzfristigen Aufträgen, können die Preise heute pro Container auch in den fünfstelligen Bereich gehen. Das sei bisher unerreicht gewesen, so Breinbauer.

China—Europa besonders teuer

Besonders teuer sind die Fahrten aus China Richtung Westen. Der Weg von Hamburg nach Schanghai kostet laut dem Logistikexperten 1.500 US-Dollar, der Rundlauf auf dem Spotmarkt liege aber bei 10.000 US-Dollar pro Container. Da kann es schon vorkommen, dass Reedereien ihre Schiffe auch mit leeren Containern so schnell wie möglich wieder nach China schicken, ohne verzögernde neue Ladung mitzunehmen.

Kräne im Hafen von Los Angeles
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Die Fahrt von Hamburg nach Schanghai ist um ein Vielfaches billiger als der Weg retour

So ließ etwa die deutsche Reederei Hapag-Lloyd eine für China geplante Sojalieferung aus den USA zurück, um keine Zeit beim Beladen und Löschen der neuen Ware zu verlieren, berichtete das „Handelsblatt“. Die Sojafarmer in den USA blieben auf einem Teil der Ernte sitzen.

„Reedereien halten hohes Preisniveau durch“

Wenig Bewegung wird es nun auch aufgrund des Chinesischen Neujahrsfests am 12. Februar geben. Die Feierlichkeiten dauern etwa zwei Wochen. Die Experten erwarten aber auch für die Zeit ab März keine wirkliche Entspannung und weiterhin konstant hohe, wenn nicht sogar noch steigende Preise. Breinbauer: „Es gibt Anzeichen, dass die Reedereien das hohe Preisniveau diesmal durchhalten.“ Mit Ursache dafür sei auch der hohe Konzentrationsprozess bei den Reedereien, der sich durch Aufkäufe und Pleiten in den vergangenen fünf Jahren beschleunigt habe.

Konsumenten und Konsumentinnen in Europa müssen sich bei manchen Produkten wie bei der Unterhaltungselektronik, in der Garten- und Baumarktbranche und bei Fahrrädern auf längere Wartezeiten einstellen. Um diese so gering wie möglich zu halten, sind die Spediteure und Verlader bereit, diese Summen zu zahlen. Das spiele bei hochpreisigeren Konsumgütern keine so starke Rolle, anders sei das aber bei Rohstoffen und Chemikalien, erklärte Breinbauer. Ein international tätiges Chemiehandelsunternehmen kämpft etwa derzeit damit, Ware aus China nach Europa zu bringen.

„Vierfacher Preis keine Platzgarantie“

Um den Jahreswechsel habe sich der Seefrachtpreis innerhalb von 14 Tagen auf rund 6.200 US-Dollar pro Container fast verdreifacht, sagt ein Manager der Österreich-Niederlassung des Unternehmens gegenüber ORF.at aus eigener Erfahrung: „Selbst wenn die Preise so steigen oder man das Vierfache zahlt, gibt es keine Garantie, dass Platz auf dem Schiff ist.“

Er rechnet damit, dass diese Engpässe, die demnach derzeit zu Verzögerungen zwischen vier und sechs Wochen führen, bis weit in das zweite Quartal anhalten werden. Verzögerungen gibt es auch aufgrund einer langsameren Löschung der Ladung in den jeweiligen Häfen durch die CoV-Auflagen.

Containerschiff im Hafen von Qingdao, China
Reuters/China Daily
CoV-Auflagen verlangsamen die Löschung der Container in den Häfen

Für dringende Bestellungen wich dieses Unternehmen nun auf die Schiene aus. Aber auch auf der Bahnverbindung über die Neue Seidenstraße von China nach Europa sind die Kapazitäten eng geworden. „Wir haben gerade noch einen Platz bekommen“, so der Manager des Chemiehandelsunternehmens. Für Gefahrengut komme die Bahn ohnehin nicht in Betracht. Für einen 40-Fuß-Container per Bahntransport werden derzeit laut Breinbauer zwischen 4.000 und 5.000 US-Dollar verrechnet. Für Flugfracht kommen viele Produkte nicht infrage. Doch auch hier sind die Preise angesichts der Verknappung der Transportmöglichkeiten um das Acht- bis Zehnfache zum Normalpreis gestiegen, sagte Breinbauer.

„Kurzfristige Renaissance“ von Reregionalisierung

Wagner beobachtet vor allem bei großen Produktionsunternehmen einen Trend, sich für mehr Warenhaltung und Produktion in Europa bereitzuhalten. Es sei aber noch zu früh, um sagen zu können, wie nachhaltig das ist. Voraussetzung dafür seien auch die entsprechenden Logistikflächen, die etwa in Österreich schon jetzt nicht vorhanden seien.

Auch Breinbauer rechnet mit einer „kurzfristigen Renaissance“ bei Unternehmen in Europa, auf erhöhte Bestände zu setzen. Eine mittel- und langfristige Reregionalisierung erwartet er aber nur in Bereichen, die von der Bevölkerung als existenziell wahrgenommen werden wie etwa Medizintechnik- und Pharmaprodukte. Die Verlagerung der Produktionsstätten in den vergangenen Jahrzehnten zunächst nach Osteuropa, dann nach Asien sei aber nicht nur an den Kosten, sondern in erster Linie am Absatz orientiert gewesen. Und der chinesische Absatzmarkt werde in Zukunft nicht kleiner werden.