Matteo Renzi
APA/AFP/Alberto Pizzoli
Renzi-Partei steigt aus

Koalition in Italien geplatzt

Die Koalitionsregierung in Italien ist geplatzt: Zwei Ministerinnen aus den Reihen der in Rom regierenden Splitterpartei Italia Viva um Ex-Premier Matteo Renzi sind am Mittwoch zurückgetreten. Die Koalition von Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD) unter dem parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte hat somit keine ausreichende Mehrheit mehr im Parlament.

Landwirtschaftsministerin Teresa Bellanova und Familienministerin Elena Bonetti verlassen das Kabinett um Regierungschef Giuseppe Conte, kündigte Renzi bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in der Abgeordnetenkammer an.

Auch Staatssekretär Ivan Scalfarotto, der ebenfalls Mitglied von Italia Viva ist, reichte seinen Rücktritt ein. Renzi erklärte den Rücktritt der Ministerinnen mit Divergenzen mit dem Premier über das milliardenschwere Hilfsprogramm „Recovery Plan“, das die Regierung in der Nacht auf Mittwoch verabschiedet hat.

Der italienische Premierminister Giuseppe Conte umgeben von Journalisten.
Reuters/Remo Casilli
Conte wird von Renzi beschuldigt, während der Pandemie in Alleinregie das Land geführt zu haben, ohne sich mit den Koalitionspartnern abzusprechen

Streit über CoV-Hilfen ausschlaggebend

Renzi hatte im Streit mit der 5-Sterne-Bewegung und den Sozialdemokraten über die Vergabe der von der EU zugesagten Coronavirus-Hilfen bereits zuvor gedroht, die beiden Ministerinnen aus der Regierung abzuziehen. Zwar erhielten Contes Pläne am Dienstag die Zustimmung der Regierung. Doch Renzi liegt mit Conte auch bei anderen Themen über Kreuz.

So forderte er, dass Italien einen Kredit aus dem Rettungsfonds der Euro-Zone, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), beantragen soll, um das Gesundheitswesen zu stärken. Die Fünf-Sterne-Bewegung, der größte Koalitionspartner, lehnt einen solchen Schritt allerdings ab.

Vorwürfe an Conte

„Demokratie hat gewisse Formen, die respektiert werden müssen, was im letzten Jahr nicht geschehen ist“, sagte Renzi. Er beschuldigte Conte, während der Pandemie in Alleinregie das Land geführt zu haben, ohne das Parlament zu berücksichtigen und ohne sich mit den Koalitionspartnern abzusprechen. Es liege nun an Conte, über die nächsten Schritte zu entscheiden, sagte Renzi. Er sei für jedwede Diskussion offen.

Renzi schloss eine Koalition mit den oppositionellen Mitte-rechts-Parteien entschieden aus. Er sprach sich auch gegen vorgezogene Parlamentswahlen aus. „Die Legislaturperiode geht in Italien 2023 zu Ende“, sagte der 45-jährige Toskaner. Der Gang in die Opposition sei für Italia Viva eine Möglichkeit, sagte Renzi.

Medien: Conte will Neuwahlen vermeiden

Angesichts des eskalierenden Koalitionsstreits in der italienischen Regierung hat Conte am Mittwoch Staatspräsident Sergio Mattarella getroffen und mit ihm über die jüngsten politischen Entwicklungen konferiert. Die zweite Regierung Conte ist seit September 2019 im Amt.

Mit dem Auszug der Partei Italia Viva spitzt sich die Krise der Mitte-links-Regierung von Ministerpräsident Giuseppe Conte weiter zu. Italienische Medien vermuteten, dass Regierungschef Conte Neuwahlen vermeiden möchte. Er könnte im Parlament versuchen, andere Mehrheiten zu finden. Der Regierungschef selbst hatte am Mittwoch gesagt, er brauche eine solide Mehrheit für seine Regierung. Regulär sind Parlamentswahlen in Italien erst 2023 zu erwarten.

Rücktrittsforderungen von Opposition

Die rechten Oppositionsparteien, darunter die Lega, forderten den Regierungschef zum Rücktritt auf. Sollte sich keine schnelle Lösung der Krise finden, müsse es Wahlen geben.

In Contes Bündnis sind die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die einst von Renzi geführten Sozialdemokraten die großen Kräfte. Hinzu kommt neben Italia Viva die zweite Kleinpartei Liberi e Uguali (Die Freien und Gleichen). Renzis Partei ist zwar winzig, aber die Regierung war zuletzt im Parlament mehrfach auf ihre Stimmen angewiesen – besonders im Senat, der kleineren der beiden Kammern.

Warnung vor „unverzeihlicher“ politischer Krise

Der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza warnte am Mittwoch vor einer „unverzeihlichen“ politischen Krise, die den Kampf der Regierung gegen die Pandemie schwächen könnte. Die Gesundheit der Italiener müsse jetzt an erster Stelle stehen, mahnte er. „Es wäre wirklich ein unverzeihlicher Fehler, den Fokus zu verlieren oder so kurz vor der Ziellinie langsamer zu werden“, warnte Speranza.

Hingegen sagte Renzi, „der Pandemienotstand kann nicht das einzige Element sein, das diese Regierung zusammenhält“. Und weiter: „Nicht wir stürzen das Land in eine politische Krise, die Krise gibt es schon seit Monaten.“