Fast leere Fußgängerzone
APA/Hans Punz
Intensive Verhandlungen

Warten auf weitere CoV-Vorgangsweise

Nach einem Gesprächsmarathon entscheidet die Regierung am Wochenende über die weitere Vorgangsweise in Sachen Coronavirus-Pandemie. Sie berät am Samstag noch mit Experten und Sozialpartnern, am Sonntag ist die Entscheidung zu erwarten.

Nachdem zuletzt auch in Österreich immer mehr Verdachtsfälle der ansteckenderen britischen Virusvariante auftraten, waren sich die Landeshauptleute und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in ihrer langen Unterredung am Freitagabend einig, dass die Situation jetzt sehr angespannt ist.

Wie stark die britische Virusvariante in Österreich verbreitet ist, wird in der nächsten Woche feststehen. Am Freitag wurde einer der Verdachtsfälle im steirischen Ausseerland bereits bestätigt.

Robert Zikmund (ORF) über die Beratungen im BKA

ORF-Reporter Robert Zikmund berichtet vom Bundeskanzleramt, wo am Samstag Beratungen über die aktuelle CoV-Situation stattfinden.

Wissenschaftler gehen bereits jetzt von einer größeren Verbreitung der Virusmutation aus, weil die Infektionszahlen auch nach drei Wochen Lockdown noch hoch sind. Die Meinungen der Fachleute holt die Regierung am Samstagvormittag ein, die geladenen Experten geben anschließend im Kanzleramt ein Pressestatement ab. Danach berät sich die Regierung noch mit den Sozialpartnern. Für Sonntag ist eine Pressekonferenz der Regierung geplant.

„Bis weit in den Februar hinein“

Geht es nach Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), gebe es eine klare Tendenz. An Lockerungen werde angesichts der neuen Virusmutation nicht mehr gedacht. Für die von vielen erhofften Lockerungen sei das Risiko einer schnellen Ausbreitung der neuen Virusvariante zu groß, sagte Kaiser dazu. Vielmehr rechnet der Kärntner Landeshauptmann nun mit einer Verlängerung des Lockdowns „bis weit in den Februar hinein“.

Bereits zuvor hatte auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gesagt, er rechne mit neuen Verschärfungen. Ludwig begründet seine Annahme, dass der derzeitige Lockdown noch angezogen wird, mit der „Dramaturgie der letzten Tage“. Dabei verwies er etwa auf den Verdacht, dass es im Wiener Abwasser bereits Spuren der wohl deutlich ansteckenderen Virusvariante B.1.1.7 gebe. Wenn derlei seinen Weg in die Medien finde, deute das wohl auf Verschärfungen hin – mehr dazu in wien.ORF.at.

„Sehr unwahrscheinlich“

Epidemiologe: Schulöffnung am 25. Jänner „sehr unwahrscheinlich“

Gerald Gartlehner, Epidemiologe an der Donau-Universität Krems, hält eine Schulöffnung am 25. Jänner angesichts der CoV-Lage für „sehr unwahrscheinlich“.

Vieles deute darauf hin, dass die neue Virusvariante B.1.1.7 schon stärker in Österreich verbreitet ist, betonte der Epidemiologe Gerald Gartlehner am Freitag in der ZIB2. Für „sehr unwahrscheinlich“ hält er es, dass die Schulen am 25. Jänner in den Regelbetrieb gehen können. Da die britische Variante um rund 50 Prozent ansteckender ist, wären – bei starker Verbreitung – auch Nachschärfungen zum bereits seit drei Wochen geltenden Lockdown zu erwägen. Effiziente Maßnahmen wären laut Gartlehner ein beschränkter Bewegungsradius oder Homeoffice-Pflicht.

Der Leiter des klinischen Instituts für Labormedizin am Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH), Oswald Wagner, warnte vor einer frühzeitigen Lockerung. Zum einen verwies er auf die britische Mutation, zum anderen brauche es statt Alleingängen einen Gleichklang bei den Maßnahmen in Europa, so Wagner.

Beispielsweise würden viele europäische Nachbarländer wie etwa Deutschland und Tschechien gerade den Lockdown verlängern und nicht lockern. Daher wäre es aus seiner Sicht „gefährlich“, wenn Österreich in die andere Richtung ginge und womöglich die „Quelle neuer Infektionen“ darstellen würde, so Wagner.

Erleichterungen für Handel denkbar

Gibt es Lockerungen, dann wohl eher zaghaft und vorläufig. In Österreich könnte man theoretisch dem bereits stark getroffenen Handel entgegenkommen. Hier sollen laut APA erste vorsichtige Öffnungsschritte angedacht sein. Durchaus denkbar sei, dass künftig die höherwertigen FFP2-Masken und auch strengere Abstandsregeln eine Rolle spielen könnten.

Der „Kurier“ berichtete, der Handel habe Chancen, am 25. Jänner wieder aufsperren zu dürfen, wenn Kundschaft und Personal FFP2-Masken trügen und strengere Abstandsregeln eingeführt würden. Auch körpernahe Dienstleister dürften dann wieder arbeiten, die Gastronomie bleibe hingegen wohl geschlossen. Die Bereiche Sport und Kultur müssten weiter warten, berichtete der „Standard“, „und das wohl mindestens bis zum endgültigen Ende der Semesterferien in allen Bundesländern: also bis zum 22. Februar“.

Appelle aus Wirtschaft für Öffnung

Am Freitag richtete der Branchensprecher in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Robert Seeber, einen Appell zur Öffnung an die Regierung. Man sei mit bewährten Präventions- und Hygienekonzepten ausgestattet und biete flächendeckende Tests. Sollten die Hotelschließungen über den 24. Jänner hinausgehen, „ist unsere Forderung ganz klar: Umsatzersatz für den Jänner – da werden wir mit dem Fixkostenzuschuss nicht mehr das Auslangen finden“, so Seeber.

Regierung berät über weitere CoV-Schritte

Am Freitagabend besprachen Regierung und Landeshauptleute in Wien die weitere Vorgangsweise in der CoV-Krise.

Auch Vertreter des Handels forderten eine rasche Öffnung der Geschäfte und gleichzeitig Kompensationen, sollte sich der Lockdown weiter ziehen. „Wir können und wollen aufsperren – und das sollte rasch passieren, denn viele Handelsunternehmerinnen und -unternehmer stehen bereits mit dem Rücken zur Wand“, sagte der Obmann der Bundessparte Handel, Rainer Trefelik. Zudem sollte auch für die Gastronomie, die vor allem in großen Einkaufsstraßen und Innenstadtlagen in enger Verbindung zum Handel steht, „zumindest für die Tagesgastronomie“ möglichst bald eine Möglichkeit gefunden werden, dass diese wieder öffnen kann. Auch der Handelsverband warnte vor einem längeren Lockdown, denn ein solcher würde auch viele Jobs in der Branche bedrohen.

Mahrer: „Schließung bis März undenkbar“

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer kritisierte die Unsicherheiten und forderte mehr Planbarkeit ein. Gegenüber Ö1 sagte er, die Wirtschaft müsse weiter staatlich unterstützt werden, sollte es am 25. Jänner nichts mit dem Aufsperren werden. Zu einer möglichen Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske im Handel sagte Mahrer: „Unser Vorschlag schon vor Weihnachten“ sei gewesen, dass der Handel aufmache. Wenn die FFP2-Maske der Preis dafür sei, „warum nicht, sollte man sofort umsetzen“. Eine „Schließung bis März ist für mich vollkommen undenkbar“, sagte Mahrer am Freitag.

Auch der NEOS-Abgeordnete und Hotelier Sepp Schellhorn rechnete nicht damit, dass es Öffnungsschritte vor dem 25. Jänner gebe. „Dass dann alles aufsperrt, ist aufgrund der Infektionszahlen und neuer Virusmutationen unwahrscheinlich“, so Schellhorn. Doch Hotels und Zulieferer brauchten „mindestens zwei Wochen Vorlauf“, die „Semesterferien im mit Abstand einwohnerreichsten Bundesland Wien beginnen in zwei Wochen“, so Schellhorn.

FPÖ-Chef Norbert Hofer sprach sich einmal mehr gegen weitere Lockdown-Maßnahmen aus. Es sei ein Fehler gewesen, die Menschen durch die Lockdowns aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen, so Hofer in einer Aussendung. Sie hätten sich statt unter kontrollierten Bedingungen in der Öffentlichkeit im privaten Bereich ohne Regeln getroffen.