Ein Wintersportler mit seinem Snowboard
APA/EXPA/JFK
Vor Ankündigung

Warten auf weiteren CoV-Fahrplan

Seit 26. Dezember befindet sich Österreich im nunmehr dritten Lockdown – und ein baldiges Ende ist nicht in Sicht: Am späten Sonntagvormittag dürfte die Regierung angesichts nach wie vor zu hoher Coronavirus-Infektionszahlen und der nun auch in Österreich nachgewiesenen CoV-Mutation B.1.1.7 dessen Verlängerung bis zum 7. Februar verkünden. Das berichteten am Samstag mehrere Medien.

Die Lockdown-Verlängerung über den 24. Jänner hinaus sei das Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Landeshauptleuten und der Bundesregierung am Samstagabend, wie die APA aus Verhandlerkreisen erfuhr. Danach werde schrittweise geöffnet, Gastronomie, Hotellerie und Veranstalter müssen sich allerdings noch bis Ende Februar gedulden.

Seit Freitag hat die Regierung sich intensiv mit Landeshauptleuten, Sozialpartnern und Wissenschaftlern über die weitere Vorgangsweise bei den CoV-Maßnahmen beraten. Noch am Samstagabend gab es erneut mehrstündige Gespräche mit den Ländervertretern.

Wie die APA am Samstagabend unter Berufung auf Verhandlerkreise berichtete, sollen der Handel, körpernahe Dienstleistungen und Museen ab 8. Februar öffnen dürfen, allerdings unter verschärften Bedingungen. So sollen FFP2-Masken verpflichtend vorgeschrieben werden, der berühmte Babyelefant wächst auf zwei Meter Mindestabstand.

FFP2-Masken
Reuters/Annegret Hilse
Pflicht zu FFP2-Masken und Erweiterung des Mindestabstands sollen kommen

Auch Schulen öffnen später

Auch die Schulen bleiben – anders als angekündigt – bis zu den Semesterferien im Distanzunterricht. Am 8. Februar sollen die Schulen in Wien und Niederösterreich öffnen dürfen. In den Bundesländern Vorarlberg, Tirol, Burgenland und Kärnten beginnen zu diesem Zeitpunkt ohnehin die Semesterferien. Oberösterreich und die Steiermark haben ab 15. Februar Semesterferien, hier werde noch überlegt, ob diese auf die zweite Februar-Woche vorverlegt werden, um nicht die Schulen für eine Woche zu öffnen und dann ferienbedingt wieder zu schließen.

Leodolter (ORF) über laufende Lockdown-Beratungen

Die Bundesregierung beriet am Samstagabend mit den Landeshauptleuten, wie es mit dem Lockdown in Österreich weitergehen soll. ZIB-Reporterin Stefanie Leodolter berichtet direkt vom Bundeskanzleramt.

Experten für Verlängerung

Von der Regierung hinzugezogene Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sprachen sich angesichts der hohen CoV-Zahlen und der sich auch in Österreich ausbreitenden britischen Mutation des Virus (B.1.1.7) am Samstag deutlich für eine Verlängerung bzw. Verschärfung des Lockdowns aus. Die Rate der Neuinfektionen sei für eine Lockerung „aus unserer Sicht viel zu hoch“ und gehe auch „nicht mehr stark genug zurück“, sagte MedUni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner. Ziel sei, die Inzidenz auf „deutlich unter 50“ zu senken. Der derzeitige Wert für Österreich liegt laut AGES bei 130.

Als zielführende Maßnahmen stellte Wagner unter anderem eine generelle FFP2-Maskenpflicht, einen auf zwei Meter vergrößerten Mindestabstand und intensive Testungen in den Raum. Auf eine Journalistenfrage brachte Wagner dabei auch einen „generellen Lockdown ohne Ausnahmen“ ins Spiel. Die Mobilität der Bevölkerung müsse weiter gesenkt werden, sagte Wagner auch am Abend im ZIB2-Interview.

„Mitten in einer Entwicklung, nicht am Anfang“

Sorge bereitet den Experten vor allem die Verbreitung der ansteckenderen britischen Virusvariante. Dass deren Verbreitung schon recht weit fortgeschritten sein könnte, zeigt eine Stichprobe an der MedUni Wien. Demnach wiesen 14 von 83 positiven PCR-Tests die mutierte Variante auf – mehr dazu in wien.ORF.at. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sah den Verdacht damit bestätigt, wonach die Variante schon länger in Österreich sein dürfte.

Mediziner Wagner zur britischen CoV-Variante

Oswald Wagner, Vizerektor der MedUni Wien, fordert schärfere Maßnahmen aufgrund der neuen Virusvariante und erklärt, inwieweit diese in Österreich bereits verbreitet ist.

Wagner erwartet, dass am Mittwoch die Ergebnisse zur Verbreitung der britischen Mutation in Wien vorgestellt werden könnten. Es seien bisher alle positiven Proben der vergangenen Tage aus Wien analysiert worden. Wagner ging in der ZIB2 davon aus, dass sich die Mutation in einer Größenordnung von zehn Prozent der positiven Fälle in der Bevölkerung verbreitet habe: „Wir sind nicht am Anfang, sondern mitten in einer Entwicklung, wo wir wirklich achtgeben müssen.“ Auch aus Tirol und der Steiermark wurden Mutationsfälle gemeldet.

Sozialpartner fordern Planungssicherheit

Vertreter von Wirtschaftskammer und Gewerkschaft forderten klare Ansagen der Regierung. "Die Menschen brauchen Planungssicherheit, was passiert wo in welchem Bereich“, sagte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP). Klar sei, dass das nicht der März sein könne, sondern ein „deutlich früherer Zeitpunkt“.

Auch ÖGB-Chef Wolfgang Katzian forderte Klarheit. Gegenüber einer möglichen Homeoffice-Pflicht äußerte er sich skeptisch. Man habe zudem „klar gesagt, das Ganze bringt nur was, wenn man zum einen die Bevölkerung mitnimmt und zum anderen die Wirtschaft nicht kaputt macht“. Man müsse die Maßnahmen setzen, „dass man die Wirtschaft nicht ganz ruiniert“.

Und der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), sprach sich am Samstag für Maßnahmen aus, „die auch der Lebensrealität entsprechen“ – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Handel weiter in Gesprächen

Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, signalisierte nach dem Treffen Bereitschaft, eine Lockdown-Verlängerung mitzutragen, sofern die produzierende Industrie weiter aufrecht bleiben kann. „Ich glaube, erst wenn wir gemeinschaftlich die Infektionszahlen zurückbringen, wenn wir das Virus besiegen, dann können wir alles wieder öffnen. Daher ist es jetzt notwendig, nochmals in einem gemeinsamen Kraftakt solidarisch zusammenzuhalten.“

Der Handelsverband befinde sich einer Aussendung vom Samstag zufolge weiterhin in Gesprächen mit der Regierung, „um für eine Öffnung unter Einhaltung der Sicherheits- und Hygienemaßnahmen aufgrund des losen Kundenkontaktes und der geringen Aufenthaltsdauern in Geschäften zu werben“. Dabei sei die „Einhaltung eines etwaigen FFP2-Maskengebotes für MitarbeiterInnen und KundInnen zugesagt“ worden.

Hotels und Gastronomie bleiben geschlossen

Hoteliers und Gastronomen müssen sich laut APA ebenso wie Veranstalter noch bis Ende Februar gedulden. Allerdings sei angedacht, die Situation für diese Bereiche Mitte Februar noch einmal neu zu bewerten. Von einer Verlängerung des Lockdowns wollen viele Touristiker aber nichts mehr hören. Sie wollen aufsperren.

Tourismus gegen Lockdown-Verlängerung

Von einer Verlängerung des Lockdowns oder gar noch schärferer Regeln wollen viele im Tourismus nichts mehr hören: Fast fünf Monate haben Hoteliers und Wirte ihre Häuser und Restaurants insgesamt seit Beginn der Coronavirus-Krise schon geschlossen – jetzt aber wollen sie aufsperren.

„Wir möchten arbeiten. Um so länger das dauert, umso mehr langjährige Mitarbeiter verlieren wir auch“, beklagte der Hotelier Armin Pfurtscheller aus dem Stubaital in Tirol am Samstag in der ZIB. Viele würden die Branche wechseln. Klarheit von der Regierung forderte der Tiroler Wirtschaftskammer-Chef Christoph Walser. Die Sicherheitskonzepte hätten sich im Tourismus in der Pandemie bewährt, argumentierte er.

Erst am Freitag hatte die Hoteliervereinigung (ÖHV) die Forderung nach einem weiteren Umsatzersatz bekräftigt, sollte der Lockdown verlängert werden. Zugesagt war diese Hilfe durch die öffentliche Hand nur für die Monate November (bis zu 80 Prozent) und Dezember (50 Prozent). Ab Jänner gibt es nur noch den Verlustersatz (bis zu 70 Prozent).

SPÖ vermisst „langfristigen Plan“

Die Opposition forderte indes mehr Transparenz und Klarheit. Türkis-Grün habe offenbar „leider immer noch keinen langfristigen Plan“, sagte SPÖ-Gesundheitssprecher Philipp Kucher – Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe doch „vor wenigen Wochen noch ab 18. Jänner lockern, dann ab 25. Jänner lockern wollen, jetzt soll es Verschärfungen geben“. Die SPÖ habe immer gesagt, dass die Infektionszahlen entscheiden müssten „und nicht irgendwelche PR-Überlegungen im Kanzleramt“. Wichtig sei, dass die Maßnahmen endlich auch nachvollziehbar begründet werden.

TV-Hinweis

In ORF2 gibt es zur Pressekonferenz der Regierung am Sonntag zwischen 11.00 und 12.00 Uhr eine ZIB Spezial.

Verständnis dafür, dass sich die Situation mit der ansteckenderen Virusmutation geändert hat, zeigte NEOS. NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker mahnte zudem „mehr Ehrlichkeit und klare Ansagen“ seitens der Regierung ein, damit die Menschen die Maßnahmen verstehen und mitziehen. Es brauche klare Kriterien und auch einen klaren Zeitraum – „auch wenn das keine guten Nachrichten bedeutet“.

FPÖ will rasches Lockdown-Ende

FPÖ-Chef Norbert Hofer hält es „trotz aller Bedenken“ der Experten – deren Stellungnahmen er „nicht bezweifle“ – für den besseren Weg, den Lockdown rasch zu beenden und ein Wirtschaften und Arbeiten unter klaren Auflagen zu ermöglichen. Denn in die Rechnung der Spezialisten sei wohl nicht der „zivile Ungehorsam“ eingeflossen. Der Lockdown werde zu einem Anstieg privater Treffen führen, weil die Menschen die soziale Isolation „einfach nicht mehr aushalten“. Mit Blick auf die Wirtschaft glaube er, dass „Österreich eine Verlängerung des Lockdowns nicht verkraften wird“.