Eine Frau vor einem geschlossenen Lokal
APA/AFP/Joe Klamar
Weiterer Anstieg

Über 440.000 Menschen in Kurzarbeit

Die coronavirusbedingte Wirtschaftskrise schlägt sich weiter auf dem Arbeitsmarkt nieder. Aktuell sind 440.384 Personen in Kurzarbeit, 25.611 mehr als in der Vorwoche, wie das Arbeitsministerium am Dienstag bekanntgab. Derzeit sind 533.512 Personen ohne Job. Gegenüber der Vorwoche ist das ein Plus von 761. Besonders stark betroffen ist der Tourismus.

„Vor allem im Tourismus macht sich der fehlende Saisonstart bemerkbar“, sagte ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher. Rund ein Drittel der krisenbedingten Arbeitslosen entfällt auf den Tourismus, die Zahl der Arbeitslosen in diesem Sektor hat sich gegenüber dem Vorjahr um rund 40.000 erhöht. Derzeit sind in diesem Bereich rund 73.000 Personen arbeitslos.

„Der touristische Arbeitsmarkt ist zur Zeit extrem schwierig“, sagte auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Dienstag in einer Pressekonferenz. Das gilt für den Beherbergungsbereich ebenso wie für die Gastronomie und das Veranstaltungswesen. Der von der Bundesregierung geplante Veranstaltungsschutzschirm in der Höhe von 300 Mio. Euro wurde unterdessen am Dienstag von der EU-Kommission genehmigt. Der maximale Bezugswert pro Veranstalter beläuft sich vorerst auf 800.000 Euro. Anträge sind damit ab sofort möglich.

Arbeitsminister Martin Kocher
APA/Hans Punz
Kocher präsentierte am Dienstag die neuen Arbeitslosenzahlen. Diese erhöhten sich vor allem in der Tourismusbranche.

Ein Drittel der Arbeitslosigkeit im Tourismus

„Rund ein Drittel der krisenbedingt Arbeitssuchenden ist auf den Tourismus zurückzuführen“, hob Kocher hervor. Die über 70.000 Arbeitslosen im Tourismus entsprächen einem Anteil von etwa 16 Prozent an der gesamten Arbeitslosigkeit in Österreich. „Wir haben im Tourismus eine große Herausforderung“, so Kocher.

Grafik zeigt Daten zum Arbeitsmarkt in der Coronaviruskrise
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS/BMAFJ

Auch da werde die Kurzarbeit stark genutzt. Derzeit würden in der Branche damit rund 130.000 Arbeitsplätze gesichert. Etwa 70 Prozent der unselbstständig Beschäftigten im Tourismus seien derzeit in Kurzarbeit. Das ist den Angaben zufolge rund ein Viertel aller Kurzarbeitenden in Österreich.

„Kurzarbeit statt Kündigung“

„Der Zugang ‚Kurzarbeit statt Kündigungen‘ hat sich bewährt“, sagte Köstinger. Allein im Bereich Beherbergung und Gastronomie habe das Instrument der Kurzarbeit 129.000 Arbeitsplätze „gerettet“, hieß es aus dem Arbeitsministerium. Die Möglichkeit, die Arbeitszeit auf null Prozent zu reduzieren, gilt vorerst bis Ende März.

5,7 Mrd. Euro

Bisher wurden rund 5,7 Mrd. Euro für die Kurzarbeit ausbezahlt, für die Phase drei wurden 4,3 Mrd. Euro bewilligt.

„Das bietet den Betrieben die Sicherheit, die Mitarbeiter halten zu können“, so die Tourismusministerin. Eine Verlängerung steht bereits im Raum: „Heute finden auch Gespräche mit Sozialpartnern statt, um über Nachfolgemodelle zu verhandeln“, berichtete die Ministerin.

Doch es geht nicht nur um das Erhalten von Arbeitsplätzen, sondern auch um das Zurückgewinnen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen für die Zeit nach der Krise – Stichwort Fachkräftemangel zum Beispiel bei Servicekräften, Köchinnen und Köchen. „Sehr viele haben die Branche in den vergangenen Monaten verlassen“, räumte Köstinger ein. Handlungsbedarf sieht die Tourismusministerin auch bei der Lehrlingsausbildung. Im vergangenen Jahr seien im Tourismus rund ein Fünftel weniger Lehrlinge eingestellt worden.

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher zu den aktuellen Arbeitslosenzahlen

Kocher und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) nahmen in der Pressekonferenz Stellung zur aktuellen Beschäftigungslage im Tourismus.

Zahlen „historisch hoch“

In Summe sind 533.512 Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) vorgemerkt, 65.493 davon machen Schulungen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das ein Plus von 112.596. In der Steiermark sind rund 70.000 Beschäftigte in Kurzarbeit – mehr dazu in steiermark.ORF.at. In Kärnten waren rund 34.000 Menschen ohne Job – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Die aktuellen Arbeitslosenzahlen seien niedriger als auf dem Höhepunkt im April 2020, aber noch immer „historisch hoch“. Er rechnet „in den nächsten Wochen mit einer Stagnation, vielleicht einer leichten Erhöhung“. Die Verringerung der Arbeitslosigkeit sei nur möglich, wenn es die ersten Öffnungsschritte gebe.

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger
APA/Hans PunzAPA/Hans Punz
Der Zugang „Kurzarbeit statt Kündigungen“ hat sich Köstinger zufolge bewährt

AMS-Vorstand Kopf zuversichtlich

In vielen Bereichen würden Arbeitsplätze schnell wieder nachkommen, zeigte sich AMS-Vorstand Johannes Kopf Montagabend in der Online-TV-Sendung „Politik am Ring“ zuversichtlich. „Verglichen mit den Zahlen von 2020 wird die Arbeitslosigkeit schon im März sinken, und aufgrund der Impfung gibt es Hoffnung für den Sommer.“ Zwar werde es zunehmend Insolvenzen geben, aber die Politik werde „hoffentlich Stundungen in langfristige Kredite umwandeln“, sagte Kopf.

Kocher: Kurzarbeit wichtigstes Kriseninstrument

Er appellierte zudem an die Regierung, dass es über den März hinaus Kurzarbeit geben müsse. Kocher wird noch am Dienstagabend mit den Sozialpartnern zusammentreffen, um über eine Weiterführung und Verlängerung sowie einen Umbau der Kurzarbeit zu beraten. Wie genau die Kurzarbeit reformiert werden soll, wollte der Arbeitsminister im Vorfeld der Sozialpartnergespräche nicht kommentieren. Auf Twitter sprach er kürzlich von Kurzarbeit als dem „wichtigsten Kriseninstrument am Arbeitsmarkt“ in den kommenden Wochen.

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch warnte jedoch davor, sich allein auf die Impfung zu verlassen. Ihrer Meinung nach könnte man jetzt durchaus den Handel aufsperren. Sie kritisierte zudem, dass es keine Planbarkeit für die Betroffenen gebe. Auch NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker kritisierte das Fehlen der Planbarkeit. Die Lockdowns seien ein ständiges „Auf und Zu“.

Lockdown bringt mehr Kurzarbeit

Aktuell sind 440.384 Personen in Kurzarbeit, 25.611 mehr als in der Vorwoche, gab das Arbeitsministerium am Dienstag bekannt. Derzeit sind über eine halbe Million Menschen ohne Job, konkret 533.512 Personen. Gegenüber der Vorwoche ist das ein Plus von 761. Besonders stark betroffen ist der Tourismussektor.

Erhöhung des Arbeitslosengeldes „falsches Zeichen“

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch forderte indes eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, wodurch die Kaufkraft und damit die Wirtschaft angekurbelt werden könnte. Bettina Zopf (ÖVP), Mitglied im Sozialausschuss, sagte, das sei nicht das richtige Zeichen: Wenn nicht ausreichend Menschen in den Sozialtopf einzahlten, „dann kann man auch nicht so viel herausnehmen“. Zopf verwies auf die Notwendigkeit, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Markus Koza, Bereichssprecher für Arbeit und Soziales der Grünen, lobte hingegen die geplante Joboffensive, „denn das nimmt den Menschen den Druck“. Die mit 700 Mio. Euro dotierte Arbeitsmarktinitiative der Regierung soll Aus- und Weiterbildungen via AMS für über 100.000 Arbeitslose bringen und startete im Herbst. Etwas weniger als zwei Drittel der Mittel, nämlich 428 Mio. Euro, sind für 2021 vorgesehen.

Die Maßnahme soll Menschen ohne Job für den erwarteten Konjunkturaufschwung heuer und im kommenden Jahr qualifizieren. Der Qualifizierungsfokus liegt auf Digitalisierung, Pflege, Gesundheit und Umwelt.

Stark gestiegene Arbeitslosigkeit bei Frauen

Der ÖGB warnte am Dienstag in einer Aussendung vor der stark gestiegenen Arbeitslosigkeit bei Frauen. „Geht es um die Frauenarbeitslosigkeit, ist das Wort ‚besorgniserregend‘ ein Hilfsausdruck“, so ÖGB-Vizepräsidentin und -Frauenvorsitzende Korinna Schumann. Verheerend sei die Situation in den westlichen Tourismus-Regionen. „Weil im Tourismus besonders viele Frauen beschäftigt sind, ist die Lage dort dramatisch.“