Arm mit Pflaster
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Impfreihenfolge

Ministerium nimmt Länder in die Pflicht

Angesichts gehäufter Meldungen über Unregelmäßigkeiten bei Impfungen gegen das Coronavirus nimmt das Ministerium nun die Bundesländer in die Pflicht. Ihnen obliege primär die Kontrolle, ob die Vorgaben eingehalten werden, hieß es. Zuletzt mehrten sich Meldungen, wonach etwa Politiker, Prominente und Nicht-Risikopatienten bei den Impfungen vorgereiht wurden.

„Grundsätzlich haben die Impfbeauftragten der Gesundheitseinrichtung sowie der Impfkoordinator im jeweiligen Bundesland für ein geordnetes Vorgehen Sorge zu tragen“, so das Gesundheitsministerium Dienstagmittag. Die Impfbeauftragten der einzelnen Gesundheitseinrichtungen müssten den Impfstoffbedarf entsprechend der Priorisierung im Vorfeld genau erheben und anhand dessen die notwendige Impfstoffmenge ordern.

Es sei Aufgabe der Impfkoordinatoren und -beauftragten, das Prozedere beim Impfen auf allfällige Regelverletzungen zu kontrollieren und zu sanktionieren, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Es gebe schließlich „klare Vorgaben“, in welcher Reihenfolge verimpft wird. Falls Impfstoff aus unvorhersehbaren Gründen übrig bleibt – etwa bei einer akuten Erkrankung einer zu impfenden Person –, sollte eine Warteliste mit weiteren priorisierten Personen vorliegen, die ersatzweise geimpft werden können.

Zunächst sind andere Bewohner und Bewohnerinnen, Pflege- und Betreuungspersonal oder sonstige Beschäftigte in den Heimen zu berücksichtigen. Sollten sich auf die Schnelle keine anderen priorisierten Personen finden, kämen externe Dienstleister in Betracht, die sich regelmäßig in den Einrichtungen aufhalten – etwa ein Physiotherapeut oder ein Friseur, die mehrmals in der Woche in der Einrichtung ihre Dienste verrichten. In weiterer Folge wären auch Angehörige und Lebenspartner von Heimbewohnern in Betracht zu ziehen – falls diese regelmäßig auf Besuch kommen.

Wallner verweist auf Stufenplan

Am Dienstag sorgten Berichte über „vorgezogene“ Impfungen, die nicht dem nationalen Impfplan entsprechen, für Aufregung. So wurde etwa bekannt, dass der Bürgermeister Feldkirchs in Vorarlberg, Wolfgang Matt von der ÖVP, sich am Wochenende in einem Seniorenheim gegen das Virus impfen ließ, obwohl der 65-Jährige nicht an der Reihe gewesen wäre. Die durchführende Ärztin wollte die Impfung verweigern, Matt habe aber darauf bestanden, mit dem Argument, dass er in Alters- und Pflegeheimen viele Besuche machen müsse.

Das sorgte für scharfe Kritik auch von Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), der das Vorgehen als „wenig sensibel“ bezeichnete. Es gebe einen klaren Stufenplan, und daran habe sich jeder zu halten, gerade weil der Impfstoff eher knapp sei, sagte Wallner – das gelte für ihn als Landeshauptmann wie auch für alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Land. Auch die anderen Parteien zeigten für die Aktion Matts wenig Verständnis – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Matt bedauert Fehler

In einer Stellungnahme gab Matt Dienstagnachmittag an, dass er sich vor einiger Zeit auf eine Liste der „Seniorenbetreuung Feldkirch“ habe setzen lassen. Diese sei anschließend ohne sein Zutun nach den Vorgaben des nationalen Impfgremiums priorisiert worden, dabei sei ihm als Person mit regelmäßigem Aufenthalt in Seniorenheimen die „Priorität 1“ (sehr hoch) zugewiesen worden.

Angesichts der Sensibilität des Themas hätte er aber vielleicht auf die Impfung verzichten sollen. „Das kann ich im Nachhinein tatsächlich als meinen Fehler einräumen, zu dem ich stehe und den ich auch bedaure“, so der Bürgermeister. Entgegen der Angabe der Heimärztin habe es keine Schlange impfwilliger Menschen gegeben, sagte Matt.

Anzeige in Kärnten

Unregelmäßigkeiten wurden auch aus Kärnten berichtet, wo mittlerweile eine Anzeige eingebracht wurde. Demnach sollen bei den Impfaktionen in Heimen auch Milliardäre, Politiker oder Prominente, die keiner Risikogruppe angehören, geimpft worden sein. Bei internen Prüfungen habe sich noch kein Vorwurf erhärtet, hieß es am Montag vom Land, „aber das heißt nicht automatisch, dass nichts war“ – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Vorwürfe der Vorreihungen gab es auch in einem Völkermarkter Pflegeheim. Hier sollen ein früherer Bürgermeister, ein derzeit aktiver Bürgermeister und dessen Frau geimpft worden sein. Die Politiker bestätigten das und gaben an, Mitglieder des Sozialhilfeverbandes zu sein – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Im Burgenland haben sich laut Angaben der Landesregierung Gerüchte, wonach unberechtigte Personen bereits geimpft wurden, nicht bestätigt. Eine Sprecherin von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) verwies jedoch auf ein Schreiben des Bundes von Ende Dezember, wonach Personen, die regelmäßig in Heimen verkehren, geimpft werden können, damit keine Dosis verloren geht – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Bürgermeister: Impfung als Chef eines Heimes

In Oberösterreich wurden am Dienstag unterdessen weitere Fälle bekannt, wonach Bürgermeister bereits gegen das Coronavirus geimpft wurden. Der Bürgermeister von St. Georgen an der Gusen, Erich Wahl (SPÖ), argumentierte, er sei als Bürgermeister Dienstvorgesetzter der Mitarbeiter des von der Gemeinde betriebenen Seniorenheims. Damit gehöre er zu jener Gruppe der ersten Impfphase.

Der Ennser Bürgermeister Franz Stefan Karlinger (SPÖ) gab an, er sei nicht als Politiker, sondern als Angehöriger zweier Heimbewohner zum Zug gekommen. Als solcher sei er gefragt worden, als Impfdosen übrig geblieben seien. Er habe sich auch versichert, ob sich noch irgendein Bewohner, Mitarbeiter oder jemand aus dem Besuchs- oder Seelsorgedienst Interesse hätte – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Bürgermeister kann Kritik „absolut nachvollziehen“

Auch aus Niederösterreich wurde am Dienstag der Fall eines Bürgermeisters bekannt, der sich in einem Pflegeheim impfen ließ. Thomas Sabbata-Valteiner, SPÖ-Bürgermeister in Pottendorf, sagte gegenüber dem ORF-Niederösterreich, man habe ihn vergangene Woche per Telefon informiert, dass Impfdosen übrig seien und er sich als regelmäßiger Besucher des Heimes impfen lassen könne.

Damals habe es noch keine Impflisten oder Voranmeldungen gegeben, so der Bürgermeister. Aus heutiger Sicht könne er die Kritik an seiner Impfung aber „absolut nachvollziehen“. Das Land Niederösterreich hält nun die Impfstellen an, Wartelisten vorzubereiten – mehr dazu in noe.ORF.at.

Platter: „Wird von uns nicht akzeptiert“

Unmut gibt es auch in Tirol: Bauhofmitarbeiter oder Politiker und deren Ehefrauen sollen in einigen Tiroler Gemeinden bereits gegen das Virus geimpft worden sein, wie mehrere Medien berichten – teilweise wurde argumentiert, dass das auch mit dem Land abgesprochen worden sei. Dort bestreitet man das. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sagte, es sei unmissverständlich klargestellt worden, wie zu priorisieren ist.

Bei überschüssigen Dosen aus Pflegeeinrichtungen sollen nach ärztlicher Einschätzung weitere Risikopersonen oder Gesundheitspersonal zur Impfung heranzogen werden. „In vielen Heimen hat das gut geklappt – in ein paar wenigen hat es nicht funktioniert. Das wird von uns nicht akzeptiert“, so Platter gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“ – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Auch in Wien wurden in einem Pflegeheim in Floridsdorf neben den ursprünglich vorgesehenen Personen Anstaltsfremde geimpft, da unter anderem aufgrund von Krankheiten Dosen übrig waren. Laut Andreas Huber vom Medizinischen Krisenstab der Stadt Wien sei die Vorgangsweise legal gewesen, da es wichtig sei, keinen Impfstoff zu vergeuden. In Zukunft will Wien aber auf Basis einer Warteliste impfen, falls Dosen übrig bleiben. Ist das Vakzin geöffnet, bleiben nur zwei Stunden, um es zu verimpfen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kritik an Organisation, Ruf nach Konsequenzen

Der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, Harald Mayer, kritisierte die fehlende Organisation im Impfmanagement und forderte Konsequenzen, sollte die Prioritätenliste nicht eingehalten werden. Wichtig sei, angesichts der begrenzten Impfstoffverfügbarkeit, dass das Gesundheitspersonal und die vulnerablen Gruppen durchgeimpft würden, bevor andere an die Reihe kommen.

Im heimischen Gesundheitswesen habe man wenig Erfahrungen mit Mangelsituationen wie aktuell, sagte Gerald Bachinger, Sprecher der PatientenanwältInnen, im Ö1-Mittagsjournal. Entscheidungsträger müssten jetzt Vorbilder sein, viel Sensibilität zeigen und jeden Eindruck verhindern, dass „man sich vorreiht“. Dass die Verteilung der Impfungen nunmehr bei den Ländern liegt, hält er grundsätzlich für positiv, es müsse aber nachjustiert werden. Und der Bund habe sich womöglich zu stark zurückgenommen.

Länder reagieren auf Verzögerungen bei Impfstoff

Die Impfstoffknappheit sei auch selbst verschuldet, so Mayer. „Die EU hat bei den Bestellungen der Impfdosen gezögert und zu spät zu wenig nachbestellt“, kritisierte er. Aus einzelnen Ländern sei berichtet worden, dass abseits der EU-Vereinbarungen zusätzlicher Impfstoff gekauft worden sei. Allerdings haben die Hersteller Biontech und Pfizer angekündigt, dass im Jänner wegen Lieferschwierigkeiten 20 Prozent weniger Impfstoff als geplant ausgeliefert werden.

Die betroffenen Länder reagieren etwa mit Verschiebungen von Erstimpfungen um ein paar Tage. Aus Niederösterreich hieß es, damit solle sichergestellt werden, dass die zweite Teilimpfung für Menschen, die bereits die erste Dosis erhalten haben, rechtzeitig geimpft werden kann. Verzögerungen gibt es auch in Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark, Tirol sieht keine Auswirkungen, hieß es gegenüber dem Ö1-Mittagjournal.