Spritze und Ampulle
Reuters/Karina Hessland
Impfungen

Regierung verärgert über Vorreihungen

Nach den publik gewordenen Vorreihungen bei Coronavirus-Impfungen durch Nichtrisikopatienten hat sich nun auch die Regierung zu Wort gemeldet. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat kein Verständnis für die Bürgermeister, die sich vorgedrängelt haben. Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zeigte sich empört. In Zukunft soll Missbrauch nicht mehr ohne Folgen bleiben.

Kurz übte scharfe Kritik an den Bürgermeistern, die sich mit „übrig gebliebenen“ Coronavirus-Impfstoffen immunisieren ließen, obwohl sie noch nicht an der Reihe gewesen wären. „Wenn sich jemand vordrängt, ist das moralisch enttäuschend“, so Kurz in der „Kronen Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe). Das mache ihn „wütend und zornig“.

Auch für Kogler sind die „Drängler“ „empörend“, im Pressefoyer nach dem Ministerrat forderte er die Länder auf durchzugreifen. Bereits am Vortag nahm das Gesundheitsministerium die Bundesländer in die Pflicht. Ihnen obliege primär die Kontrolle, ob die Vorgaben eingehalten werden.

Vizekanzler Werner Kogler und Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Roland Schlager
Sowohl Kurz als auch Kogler kritisierten das Vorgehen in den Bundesländern

Die Impfbeauftragten der Gesundheitseinrichtung sowie der Impfkoordinator im jeweiligen Bundesland hätten „für ein geordnetes Vorgehen Sorge zu tragen“, hieß es seitens des Ministeriums. Die Impfkoordinatoren entscheiden, wie die Ressourcen eingesetzt werden und wo innerhalb der festgelegten Priorisierungen gegen eine Covid-19-Erkrankung geimpft wird. Derzeit werden Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen und das Personal auf Covid-19-Stationen die Schutzimpfung erhalten, zuletzt wurde in den ersten Bundesländern mit dem Durchimpfen der über 80-Jährigen begonnen. Vorrangig werden Bezirke mit einer besonders hohen 7-Tage-Inzidenz bedient.

Fälle in fast allen Bundesländern

In Vorarlberg, Tirol, Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich und Wien traten in letzter Zeit Fälle auf, bei denen übrig gebliebene Impfstoffe nicht an Heimbewohnerinnen und Heimbewohner, Gesundheitspersonal oder über 80-Jährige verabreicht wurden, sondern an Politiker, Gemeindebedienstete, Angehörige und andere.

Am Mittwoch gab etwa der Bürgermeister von Bad Goisern (Oberösterreich), Leopold Schilcher (SPÖ), bekannt, dass er geimpft wurde – mehr dazu in ooe.ORF.at. In einem Wiener Pflegeheim sollen nicht nur Bewohner und das Personal, sondern auch der 20-jährige Sohn der Pflegedirektorin geimpft worden sein. Die Stadt will nun unter anderem mit eigenen Wartelisten gegensteuern und kündigte Kontrollen an – mehr dazu in wien.ORF.at. In der Steiermark wurden am Mittwoch die ersten Fälle bekannt, auch hier gibt es Appelle seitens der Politik – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

„Wenn Impfstoffe übrig bleiben, ist es wichtig, sie schnell zu verimpfen. Aber sie müssen für ältere Menschen verwendet werden und nicht für Politiker, deren Ehefrauen oder regionale Promis“, so Kurz. Er vertraue darauf, dass jeder Arzt, der die Impfung durchführt, „aber vor allem jeder Verantwortliche für die Organisation vor Ort das Gemeinwohl im Blick hat und nicht den eigenen Vorteil“, sagte Kurz.

Vizekanzler Werner Kogler
APA/Herbert Pfarrhofer
Kogler will jene zur Rechenschaft ziehen, die sich nicht an den Impfplan halten

Folgen für Missbrauch angekündigt

Das Gesundheitsministerium werde künftig bei der Verimpfung verstärkt eine Dokumentation einfordern und „im Fall des Missbrauchs jene zur Rechenschaft ziehen, die sich nicht an den Impfplan halten“, kündigte der Kanzler an.

Auch Kogler forderte von den Landeshauptleuten und den Gesundheitsreferenten, „diese unrühmliche Praxis“ abzustellen. Er appelliere an die Landeshauptleute, hier einzuwirken – auch was etwaige Rücktritte von Bürgermeistern betreffe.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), der die Pressekonferenz gemeinsam mit Kogler bestritt, zeigte sich ebenfalls „wütend“ über die Bürgermeister. „Ehrlicherweise fehlt mir dafür jedes Verständnis“, jeder sollte selbst wissen, was er in so einer Situation zu tun habe, so Blümel.

Aufregung in Vorarlberg

In Vorarlberg gehen die Wogen wegen der nicht eingehaltenen Reihenfolge bei den CoV-Impfungen weiter hoch. Dienstagabend wurde publik, dass sich nach dem Feldkircher Bürgermeister Wolfgang Matt (ÖVP) auch die Bürgermeisterin in Rankweil, Katharina Wöss-Krall (ÖVP), in einem Altersheim impfen ließ – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Auch sie rechtfertigte sich in einem Bericht der „Vorarlberger Nachrichten“ (Onlineausgabe) damit, dass sie eine übrig gebliebene Impfdosis erhalten habe. Geplant sei das so nicht gewesen. „Es waren gegen Ende noch Impfdosen übrig“, sagte sie. Da habe sie nicht Nein gesagt, sonst hätte man den teuren Impfstoff wegwerfen müssen. Sie habe sich nicht vorgedrängt.

Laut „Vorarlberger Nachrichten“ gibt es an der Darstellung der Bürgermeisterin Zweifel. Es hätten Mitarbeiter aus Hilfsdiensten ohne Impfung den Nachhauseweg antreten müssen, so die Zeitung in Berufung auf Augenzeugen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Georg Hochmuth
„Es macht mich wütend und zornig“, sagte Kurz über die Vorreihungen

Matt verteidigte sich

Ähnlich die Lage beim Feldkircher Stadtchef Wolfgang Matt, der sich in der ZIB2 neuerlich rechtfertigte. „Ich bin der Letzte gewesen, der das Haus betreten hat.“ Er sei „auf Abruf in einer Ecke gestanden“ und habe gewartet, ob Impfstoff übrig bleibt. Er sei als Eigentümervertreter auf der Back-up-Liste gestanden, er habe aber niemandem etwas weggenommen und hätte auf die Impfung verzichtet, wenn sich andere zur Impfung angeboten hätten.

Matt zum Vorwurf der „Bürgermeister-Impfung“

Die Behörden prüfen Vorwürfe, wonach unter anderen lokale Politiker zu früh geimpft worden seien. Gast ist der Bürgermeister von Feldkirch, Wolfgang Matt, einer der kritisierten Bürgermeister.

Es sei aber niemand da gewesen, und man hätte so schnell niemanden auftreiben können, so Matt in der ZIB2. „Ich schmeiße auch kein altes Brot weg, daraus wird Toast gemacht.“ Die impfende Ärztin widersprach dem aber vehement. An Rücktritt denke er nicht, sagte der Stadtchef.

Kaiser: „Alle haben sich an Reihung zu halten“

Aus Sicht von NEOS Feldkirch konnte Matt den Verdacht, dass er sich bei der Impfung vorsätzlich vorgedrängt hatte, jedoch nicht glaubhaft ausräumen – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Das Land Vorarlberg reagierte bereits auf die Vorwürfe und verschärfte die Kontrollen und Abläufe. So soll eine korrekte Impfstoffzuteilung sichergestellt werden – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) forderte eine strikte Einhaltung der Prioritätenreihung. Daran hätten sich alle, auch und insbesondere Politikerinnen und Politiker aller Ebenen und aller Parteien, zu halten, ließ Kaiser auf APA-Anfrage über seinen Pressesprecher ausrichten – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Kickl kritisiert „Scheinheiligkeit“ der Regierung

Mit harscher Kritik an der „Politelite“ reagierte auch FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Ein Vordrängen beim Impfen sei „absolut inakzeptabel“. „Priorität müssen die Risikogruppen haben, die sich impfen lassen wollen.“ Er ortete aber auch bei der Bundesregierung Scheinheiligkeit.

Während man den Österreichern den Besuch von Lokalen verbiete, habe die „schwarz-rot-grüne Politelite aus Bund und Ländern“ eine Apres-PK-Party im Bundeskanzleramt nach der letzten Pressekonferenz gefeiert. „Wenn man eine Definition von Heuchelei und Scheinheiligkeit sucht, dann hat man sie gefunden“, so Kickl.

3,8 Mio. Biontech-Dosen zusätzlich für Österreich

Unterdessen wurde bekannt, dass Österreich mehrere Millionen zusätzliche Dosen der CoV-Schutzimpfung von Biontech und Pfizer bestellte. Die Regierung werde den vollen Anteil aus dem zweiten Vorkaufvertrag der Europäischen Kommission über 200 Millionen Dosen in Anspruch nehmen. Der entsprechende Beschluss fiel im Ministerrat, teilte Anschober am Mittwoch in einer Aussendung mit. „Damit bekommen wir in Österreich eine Menge von zusätzlichen 3,8 Millionen Dosen.“

„Diese Gesamtmenge dient dabei als Beschleunigungsfaktor, da ein großer Teil dieser Menge nur dann bereits im zweiten und dritten Quartal 2021 geliefert wird, wenn die maximal mögliche Gesamtmenge in Anspruch genommen wird. Zudem besteht für die EU die Möglichkeit, zusätzlich zu den 200 Millionen Dosen aus einer weiteren Option zusätzliche 100 Millionen Biontech-Pfizer-Dosen abzurufen, das heißt in der Folge weitere 1,9 Millionen Dosen für Österreich, spätestens im vierten Quartal 2021“, berichtete Anschober.