Ehemaliger US-Präsident Donald Trump
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Trump Amtsenthebung

Republikaner-Taktik könnte Biden nutzen

Die Republikaner im US-Senat wollen den Beginn der Verhandlungen im Amtsenthebungsverfahren gegen den früheren Präsidenten Donald Trump bis etwa Mitte Februar hinauszögern. Damit solle dem Verteidigungsteam Zeit zur Vorbereitung gegeben werden, sagte der republikanische Senator Mike Braun. Die Taktik der Republikaner könnte jedoch nicht nur Trump dienen, sondern auch dem neuen Präsidenten Joe Biden in die Hände spielen.

Mit dem zusätzlichen Vorlauf könne sichergestellt werden, dass alle Parteien genügend Zeit hätten, sich auf das Verfahren vorzubereiten, sagte auch der Minderheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, am Donnerstagabend (Ortszeit). McConnell sagte, diesen Vorschlag habe er seinem demokratischen Kollegen und Mehrheitsführer Chuck Schumer unterbreitet.

Das Magazin „Politico“ hatte zuvor berichtet, dass dem wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ angeklagten Republikaner Trump zwei Wochen Zeit für die Vorbereitung auf das staatsgerichtliche Verfahren gegeben werden soll. Die Demokraten im Senat müssen dem Zeitplan zustimmen. Sie wollen mit dem Verfahren unter anderem eine lebenslange Ämtersperre für Trump erreichen. Sie machen den Republikaner für den Angriff seiner Anhänger auf das US-Kapitol Anfang Jänner mitverantwortlich.

US-Politiker Mitch McConnell
Reuters/Kevin Dietsch
Mitch McConnells taktisches Spiel könnte für alle Seiten nützlich sein

Zeit für Beschäftigung mit Bidens Team „frei“

McConnell schlug nun vor, das Repräsentantenhaus solle seine Anklage gegen Trump wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ erst am 28. Jänner formell dem Senat übermitteln. Dann hätten beide Parteien gut zwei Wochen, bis 13. Februar, um ihre jeweiligen Schriftstücke einzureichen, wie McConnell weiter sagte. Danach könnte die eigentliche Verhandlung im Senat beginnen, die einem Prozess vor Gericht ähnelt.

Ein späterer Start des Verfahrens im Senat könnte auch Biden entgegenkommen. Er ist für sein Kabinett und andere Toppersonalien auf die Zustimmung des Senats angewiesen. Falls der Senat jedoch gleich primär mit dem Impeachment beschäftigt wäre, könnte das den Start von Bidens Regierung erschweren. Die Verzögerung um zwei Wochen könnte die Zeit für die Beschäftigung mit Bidens Team „freimachen“.

Auch namhafte Zahl von Republikanern für Verfahren

Das Repräsentantenhaus hatte Trump am 13. Jänner formell wegen schwerer Verbrechen und Vergehen angeklagt. Anders als beim ersten Impeachment im Dezember 2019 votierte eine namhafte Anzahl von Republikanern für die Anklage. Das Gerichtsverfahren wird im Senat unter Vorsitz des obersten Richters John Roberts durchgeführt, wobei eine Zweidrittelmehrheit für die Verurteilung erforderlich ist. Sollten sich alle 100 Senatoren an der Abstimmung beteiligen, müssen die Demokraten mindestens 16 Republikaner auf ihre Seite ziehen.

Ob das Verfahren nach Trumps Amtsende überhaupt durchgeführt werden kann, ist umstritten. Präzedenzfälle dafür gibt es keine. Eine Verurteilung hätte aber nicht nur symbolischen Charakter. Zwar gilt der Verlust das Amtes als folgenreichste Sanktion des Impeachments, doch könnte ein Urteil auch einen Verlust von mit dem Amt verbundenen Zahlungen und Privilegien sowie ein Amtsverbot nach sich ziehen. Damit müsste Trump seine Ambitionen auf ein politisches Comeback bei der Präsidentenwahl 2024 begraben.

US-Präsident Joe Biden und US-Vizepräsidentin Kamala Harris
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Vizepräsidentin Kamala Harris und Präsident Joe Biden

Biden räumt mit Trump-Ära auf

Unterdessen demontiert Biden weiter Trumps Politik. Bereits kurz nach seiner Angelobung am Mittwoch unterzeichnete er den Wiedereintritt der USA in das Pariser Klimaabkommen und stoppte den Austritt des Landes aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Biden will nun auch den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag mit Russland verlängern. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte am Donnerstag in Washington, sie könne bestätigen, dass die USA eine Verlängerung der Vereinbarung um fünf Jahre anstrebten. Am Mittwoch – unmittelbar nach Bidens Vereidigung – hatte Russland seinerseits eine Verlängerung um fünf Jahre angeboten. Eine konkrete Einigung haben beide Seiten aber noch nicht verkündet.

Das Pentagon teilte am Donnerstagabend (Ortszeit) mit, Bidens Entscheidung, sich um eine Verlängerung zu bemühen, diene der Verteidigung des Landes. Die Amerikaner seien deutlich sicherer, wenn der Vertrag intakt sei und verlängert werde. Man könne es sich nicht leisten, die darin vorgesehenen Instrumente für Inspektionen und Meldepflichten zu verlieren. Eine Verlängerung bis 2026 gäbe beiden Seiten auch genug Zeit, neue Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle zu sondieren, hieß es aus dem US-Verteidigungsministerium.

Moskau: Trumps Verhandlungslinie „kontraproduktiv“

Der New-START-Vertrag über die Begrenzung von Atomwaffen wäre in rund zwei Wochen ausgelaufen. Das am 5. Februar 2011 in Kraft getretene Abkommen begrenzt die Nukleararsenale Russlands und der USA auf je 800 Trägersysteme und 1.550 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Es war für eine Laufzeit von zehn Jahren geschlossen worden und sah die Möglichkeit einer Verlängerung vor. Die Regierung von Bidens Vorgänger hatte sich mit Moskau in zähen monatelangen Verhandlungen nicht auf eine Verlängerung einigen können. Die Verhandlungslinie der USA sei aggressiv und kontraproduktiv gewesen, hieß es vonseiten Russlands.

Knackpunkt der Gespräche zwischen Moskau und der früheren Regierung war laut US-Medien das „Einfrieren“ der Zahl aller nuklearer Sprengköpfe beider Länder, auf dem die USA bestanden hatten. Der derzeit gültige Vertrag legt nur die Begrenzung der Zahl der einsatzbereiten Atomsprengköpfe fest. Zudem hatte die US-Vorgängerregierung ein multilaterales Abkommen mit Beteiligung Chinas angestrebt. Peking weigert sich bisher aber, über sein wachsendes Atomwaffenarsenal zu verhandeln.

Biden hatte vor seinem Amtsantritt gesagt, dass der Vertrag ein „Anker der strategischen Stabilität“ zwischen den USA und Russland sei und Grundlage für neue Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle sein könne. Russland hatte sich früh für eine Verlängerung ausgesprochen und im Falle eines Scheiterns vor einem Wettrüsten gewarnt. Würde der Vertrag ohne Verlängerung auslaufen, gäbe es erstmals seit Jahrzehnten kein Abkommen mehr, das dem Bestand an strategischen Atomwaffen Grenzen setzt. Russland und die USA besitzen zusammen rund 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen.