Gesundheitsminister Rudolf Anschober
ORF
AstraZeneca-Verzögerung

Anschober sieht „echten Rückschlag“

Nach den am Freitag bekanntgewordenen Lieferschwierigkeiten beim Impfstoff von AstraZeneca hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) von einem „echten Rückschlag“ gesprochen. „Es drohen hier deutliche Verzögerungen“, so Anschober im ZIB2-Interview. Viele Fragen sind nach der Ankündigung des Pharmakonzerns unterdessen noch ungeklärt.

Die Verzögerungen bei AstraZeneca seien „sehr, sehr schlechte Nachrichten“ gewesen, so Anschober. Das Unternehmen hatte am Nachmittag angekündigt, „anfänglich“ weniger Impfstoff auszuliefern als ursprünglich, hieß es in einer Stellungnahme von AstraZeneca. Der Minister habe „im Laufe des Vormittags“ erfahren, dass es Schwierigkeiten gebe, danach habe es Verhandlungen mit der EU gegeben. Konkrete Zahlen gebe es erst seit dem Abend, so Anschober.

Für Österreich bedeute das, dass von den im Februar erwarteten 650.000 Impfdosen nun nur „rund 340.000“ erwartet werden, so Anschober. „Die März-Lieferungen sind noch gar nicht fixiert im Detail“, so der Minister weiter – darüber werde erst in der kommenden Woche gesprochen. Dann werde sich auch klären, ob es sich überhaupt um Aufschiebungen handle, und wenn ja, um welchen Zeitraum es gehe.

Anschober: „Ein echter Rückschlag“

AstraZeneca wird „anfänglich“ weniger Impfstoff ausliefern als ursprünglich geplant. Über die Auswirkungen für Österreich sprach Gesundheitsminister Rudolf Anschober im Studio der ZIB2.

Für den Impfplan bedeute das, dass hier „deutliche Verzögerungen“ drohen. Dennoch sei eines der Hauptziele, nämlich das Impfen der Bewohnerinnen und Bewohner sowie des Personals in Pflegeheimen, auf Kurs, von den Ausfällen „nicht betroffen“. „Spätestens Ende Februar“ werde man diese vulnerabelste Gruppe fertig geimpft haben. „Später“ werde es aber „voraussichtlich zu Verzögerungen kommen“.

„Sind nicht bereit, uns damit abzufinden“

Anschober sagte: „Wir sind nicht bereit, uns damit abzufinden“, man werde darum „kämpfen“, dass die ausgefallenen Lieferungen „möglichst rasch nachgeholt werden“. Wichtig sei auch, festzustellen, wie viele Lieferungen tatsächlich im März kommen. Dazu werde es in der kommenden Woche auch Verhandlungen in Brüssel auf EU-Ebene geben, so Anschober.

Einen Fehler, dass Österreich auf AstraZeneca gesetzt habe, sieht der Minister nicht. Man habe 5,9 Millionen Dosen von AstraZeneca bestellt, von Pfizer und Biontech 11,1 Millionen Dosen, damit habe man eine „gute Mischung“, weil man zum Zeitpunkt der Bestellung nicht gewusst habe, welche Firma eine Marktzulassung bekomme. Nicht zuletzt hat ja auch der AstraZeneca-Impfstoff noch keine Zulassung in der EU – dahingehend zeigte sich Anschober jedoch optimistisch –, allerdings werde es „nur dann eine Zulassung geben, wenn es ein hervorragendes Produkt ist“.

Offenbar Probleme bei Zulieferer

AstraZeneca schrieb in einem Statement, das auch ORF.at vorliegt, dass es zwar „keine geplante Verzögerung für den Lieferbeginn“ des Impfstoffs gege, die „anfänglichen Volumina“ werden aber „geringer ausfallen als ursprünglich erwartet“.

Grund dafür sind laut AstraZeneca „reduzierte Erträge der Impfsubstanz an einem Produktionsstandort“, hieß es. Später wurde bekannt, dass es sich offenbar um Probleme beim belgischen Zulieferer Novasep handle. Dieser hatte im November einen Liefervertrag mit dem Konzern geschlossen. Insgesamt werde man im Februar und März „mehrere zehn Millionen Dosen“ in die EU liefern.

Wie die „Financial Times“ schrieb, gab der Konzern die Neuigkeiten bei einem Treffen mit den Impfkoordinatorinnen und -koordinatoren der Mitgliedsstaaten sowie der EU am Freitag bekannt. Das Blatt berief sich auf Quellen, wonach das Defizit als „signifikant“ bezeichnet wurde, eine andere mit der Sache vertraute Person sagte, es sehe „kurzfristig nicht gut aus“.

Rendi-Wagner fordert Sofortmaßnahmen

Ebenfalls in der ZIB2 forderte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner Sofortmaßnahmen gegen den drohenden Lieferengpass. Sie verwies darauf, statt derzeit „fünf bis sechs“ nun „sechs bis sieben Impfdosen“ aus einer Ampulle zu ziehen. Damit könnten wöchentlich 10.000 Menschen mehr geimpft werden, so Rendi-Wagner – das solle „einheitlich“ passieren, also nicht etwa zwischen verschiedenen Ärzten variieren. Darüber hinaus plädierte die SPÖ-Chefin für eine Vergrößerung des Abstands zwischen erster und zweiter Impfung. Und die Regierung solle versuchen, aus anderen Ländern – wie etwa Israel – Impfstoff zu beziehen.

Rendi-Wagner: „Keine günstigen Entwicklungen“

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ-Bundesparteivorsitzende, sprach über die Lieferverzögerung beim AstraZeneca-Impfstoff und die SPÖ-Gesprächsbasis mit den Regierungsparteien.

Schon am Nachmittag reagierte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. „Hier zeigen sich die fatalen Fehler des türkis-grünen Impfplans deutlich. Die Bundesregierung hat sich zu sehr darauf verlassen, dass der AstraZeneca-Impfstoff früh zugelassen wird, und mit einer früheren Lieferung gerechnet.“

Österreich plante über zwei Millionen Dosen ein

AstraZeneca spielte ursprünglich jedenfalls eine prominente Rolle im Impfplan hierzulande. Noch am Donnerstag sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dass AstraZeneca im ersten Quartal zwei Millionen Impfdosen für Österreich bereitstellen könne. Anschober meinte Freitagvormittag bei einer Pressekonferenz noch, Lieferengpässe sind „durchaus verkraftbar“. Der Impfplan Österreichs sieht vor, bis Ende März alle über 65-Jährigen zu impfen, die das möchten. Das sind 1,7 Millionen Menschen.

EU-Kommission bestätigt Verzögerungen

Die EU-Kommission reagierte am Freitagabend auf die Verzögerungen. Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides schrieb auf Twitter, dass AstraZeneca „Verzögerungen“ angekündigt habe, die Mitgliedsstaaten seien deshalb „sehr unzufrieden“. „Wir bestehen auf einem genauen Zeitplan für die Abgabe, auf dessen Grundlage die Mitgliedsstaaten ihre Impfprogramme planen sollen, vorbehaltlich der Erteilung einer vorläufigen Marktzulassung.“ Man werde sich weiter für eine Verbesserung der Stabilität und Vorhersehbarkeit der Lieferungen einsetzen, so Kyriakides.

EU muss anfangs mit weniger AstraZeneca-Impfstoff rechnen

ORF-Brüssel-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter kommentiert die Auswirkungen des Lieferengpasses für die EU.

Impfstoff steht offenbar unmittelbar vor Zulassung

Der Impfstoff wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford hergestellt und war der erste, den die EU vorbestellt hatte. Insgesamt waren bis zu 400 Millionen Impfdosen vorgesehen – mit jeweils zwei benötigten Impfungen könnte man damit rund die Hälfte der Bevölkerung der EU versorgen. Zuletzt forderte Österreich neben anderen EU-Staaten eine baldige Verteilung des Impfstoffs in der Union, am Freitag schlossen sich auch die Staaten des Baltikums, Estland, Lettland und Litauen, dieser Forderung an.

Noch ist der Impfstoff aber nicht zugelassen: Eine Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) über die Zulassung des AstraZeneca-Impfstoffs wird für den 29. Jänner erwartet. Unklar ist aber, ob die EMA den Impfstoff nur mit Einschränkungen zulässt. Im Raum steht etwa, dass der Impfstoff nur für Personen unter 55 zugelassen werden könnte, am Nachmittag hieß es noch, dass man auch für diesen Fall einen Plan habe, so Anschober – unklar bleibt nach dem Ausfall, welche Auswirkungen eine weitere Einschränkung hätte.