„Nabucco“ mit Domingo im Livestream aus der Staatsoper

Am 21. Jänner feierte Placido Domingo seinen 80. Geburtstag in Wien, am nächsten Tag stand der Weltstar als Nabucco auf der Bühne der Staatsoper – ohne Publikum, aber vor Kameras. Die Aufzeichnung ist in ORF III zu sehen.

Überzeugendes Ensemble mit einigen Debuts

Mit Streamingangeboten, Radio- und Fernsehaufzeichnungen versucht Staatsoperndirektor Bogdan Roscic das Mögliche aus seinem geschlossenes Haus herauszuholen. Zum 80. Geburtstag von Placido Domingo programmierte er „Nabucco“ als Geschenk für den Opernstar und als Highlight für das Publikum. Eine Neuinszenierung gibt es nicht zu sehen, dafür aber einige gelungene Rollen- bzw. Hausdebuts.

Dazu zählen das Ensemblemitglied Freddie De Tommaso als überzeugender Ismaele, die italienische Sopranistin Anna Pirozzi als stimmstarke und machthungrige Abigaille oder Riccardo Zanellato als Priester Zaccaria mit seinem klaren Bass, der zum ersten Mal an der Staatsoper zu Gast ist. Im Mittelpunkt steht natürlich der spanische Ex-Tenor und Neo-Bariton Domingo, der den Titelhelden, der an seiner Hybris zu scheitern droht, mit charismatischer Sicherheit und interessanter Zerbrechlichkeit gibt.

Epos um Macht und Widerstand

Verdis Nabucco, ein Bibel-Epos um Macht, Widerstand und Liebe, gilt als Durchbruch des italienisch Komponisten. Das Stück spielt in Jerusalem und Babylon zur Zeit Nebukadnezars, dessen Tage als babylonischer König gezählt sind. Nach der Verschleppung der Juden kommt es zu einem erbitterten Religionskrieg zwischen den beiden Völkern. Dazwischen entspinnen sich Familienkonflikte, verbotene Liebesbeziehungen und psychische Belastungsproben, die die Emotionen auf der Bühne anheizen.

Die Kritiker nannten Nabucco nach der Mailänder Uraufführung 1842 eine „Lärmoper“, das Publikum war jedoch von Anfang an begeistert. Viele sahen in der Freiheitssehnsucht des jüdischen Volkes ein Symbol für die eigenen Unabhängigkeitsforderungen. Der berühmten Gefangenchor wurde zu einer Art Hymne im Widerstand gegen die Fremdherrschaft der Habsburger in zahlreichen norditalienischen Kleinstaaten – souverän interpretiert von einem zunächst liegenden Staatsopernchor.

Jubilar mit Imageproblemen

Die Inszenierung, die Sonntagabend in ORF III zu sehen ist, stammt aus dem Verdi-Jahr 2001, anlässlich seines 100. Todestages. Auch 20 Jahre später funktioniert Günter Krämers an sich minimalistisches Konzept, in der die Regieanweisungen nur ab und an zu sehr als Einfälle daherkommen. Etwa, wenn Abigaille „die Verblendeten“ buchstäblich mit einer Taschenlampe zu blenden versucht oder der Chor folkloristisch tanzend über die Bühne hopst.

Die gelungene Aufzeichnung endete am Freitag mit einem „Happy Birthday“ des Staatsopernchors für den seit 1967 an der Staatsoper engagierten Placido Domingo, der sichtlich gerührt war. Das vergangene Jahr war sicherlich kein leichtes für den Jubilar, dessen Image im Zuge der MeToo-Bewegung einige tiefe Kratzer abbekam. In den USA und in Spanien gingen viele Bühnen auf Distanz zu Domingo, nachdem ihm mehrere Frauen sexuelle Belästigung vorwarfen. Der Sänger räumte sein Fehlverhalten schließlich ein und entschuldigte sich.