Der Künstler Arik Brauer
APA/Robert Jäger
1929–2021

Arik Brauer ist tot

Der österreichische Universalkünstler Arik Brauer ist am Sonntagabend im Beisein seiner Familie im Alter von 92 Jahren verstorben. Das teilte seine Familie in einer Stellungnahme gegenüber der APA mit. Brauer war Maler, Grafiker, Bühnenbildner sowie Sänger und gehört zu den Hauptvertretern der Wiener Schule des Phantastischen Realismus.

Seine letzten Worte waren laut seiner Familie: „Ich war so glücklich mit meiner Frau, mit meiner Familie, mit meiner Kunst und meinem Wienerwald. Aber es gibt eine Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht.“

Brauer wurde am 4. Jänner 1929 in Wien als Erich Brauer in eine russisch-jüdische Handwerkerfamilie geboren. Der Nationalsozialismus beendete seine Kindheit im Wien der 30er Jahre, über die er in seinem auch vom Fernsehen ausgestrahlten Soloprogramm „A Gaude war’s in Ottakring“ berichtet hat. Brauers Vater starb in einem Konzentrationslager, er selbst überlebte in einem Versteck.

Studium in Wien, Leben in Paris

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs inskribierte der damals 16-Jährige an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Dort waren u. a. Albert Paris Gütersloh und Herbert Boeckl seine Lehrer. Nach Abschluss seines Studiums unternahm Brauer ausgedehnte Reisen, besonders Eindrücke aus dem Orient sollten sein späteres Werk prägen.

Arik Brauer 92-jährig gestorben

Arik Brauer war Maler, Grafiker, Bühnenbildner sowie Sänger und gehörte zu den Hauptvertretern der Wiener Schule des Phantastischen Realismus an.

Mit seiner Frau Naomi ließ er sich in Paris nieder, wo das Paar mit Singen seinen Lebensunterhalt verdiente. Wenig später stellten sich auch erste Ausstellungserfolge ein. Als Brauer 1964 die Pariser Boheme verließ und nach Wien zurückkehrte, genossen die Protagonisten der Wiener Schule des Phantastischen Realismus bereits große Popularität.

Austropop maßgeblich mitgeprägt

Brauers Gesangskarriere erreichte in den 70er Jahren ihren Höhepunkt: Mit Dialektliedern wie „Sie ham a Haus baut“ und „Sein Köpferl im Sand“ („Hinter meiner, vorder meiner“) war er an der Geburt des Austropops maßgeblich beteiligt. „Ich habe mich nie als Austropopper gesehen, obwohl ich da wirklich am Anfang dabei war“, sagte Brauer einmal in einem Interview. Er habe kritische Texte singen wollen. „Diese Liedtexte sind teilweise zu unserem großen Leidwesen aktuell geblieben. Einige davon wurden richtige Volkslieder, die man beim Heurigen oder auf einer Schutzhütte singen hört. Darauf bin ich stolz.“

Fotostrecke mit 7 Bildern

Der österreichische Maler und Musiker Arik Brauer in seinem Atelier. Wien. 1968.
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Brauer 1968 in seinem Wiener Atelier
Arik Brauers Gemälde „Blumengarten“
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Brauers Gemälde „Blumengarten“, ein typisches Bild des Wiener Phantastischen Realismus
Die österreichischen Künstler Dieter Schwertberger (De Es); Daniel Friedemann Fuchs (Sohn von Ernst Fuchs); Ernst Fuchs und Arik Brauer. Galerie Atrium. Wien. 1970.
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Die österreichischen Künstler Dieter Schwertberger (De Es), Daniel Friedemann Fuchs (Sohn von Ernst Fuchs), Ernst Fuchs und Arik Brauer – 1970 in der Galerie Atrium in Wien
Die Maler der Wiener Schule des Phantastischen Realismus im Schnee. Wien. Burggarten. Karl Korab, Peter Klitsch, Gerhard Swoboda, Jaschka, Wolfgang Hutter, Arik Brauer. 1968.
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Die Maler der Wiener Schule des Phantastischen Realismus 1968 im verschneiten Wiener Burggarten – Brauer ganz rechts im Bild. Die weiteren KÜnstler von links: Karl Korab, Peter Klitsch, Gerhard Swoboda, Jaschka und Wolfgang Hutter.
„Brot und Spiele“, 1997 und „Fehdehandschuh-Friedehandschuh“ 1971-1981 von Arik Brauer
APA/Historisches Museum
Zum 70. Geburtstag widmete das Museum der Stadt Wien Brauer eine Ausstellung – hier zwei der Exponate: „Brot und Spiele“ (1997) und „Fehdehandschuh-Friedehandschuh“ (1971–1981)
Leuchter „Krieg und Frieden, Wien 1982“ von Arik Brauer, bei der Ausstellung „Arik Brauer – Gesamt.Kunst.Werk“ im Leopold Museum in Wien
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Der von Brauer entworfene Leuchter „Krieg und Frieden“ 2014 in der Schau des Leopold Museums
Maler Arik Brauer hebt seinen Hut zur Begrüßtung während einer Presseführung durch die Ausstellung „Arik Brauer – Gesamt.Kunst.Werk“ im Leopold Museum in Wien 2014
APA/Herbert Neubauer
Arik Brauer vor sieben Jahren während der Presseführung seiner Werkschau im Leopold Museum

Bühnenbilder und Architektur

Zudem war Brauer an Fernsehspielen beteiligt und als Grafiker, Bühnen- und Kostümbildner tätig. 1975 stattete er etwa „Die Zauberflöte“ (Kostüme und Bühnenbild) an der Pariser Oper aus. Ab Anfang der 90er Jahre beschäftigte sich der Künstler – wie seine Kollegen Ernst Fuchs und Friedensreich Hundertwasser – mit Architektur. 1993 entstand in der Wiener Gumpendorfer Straße ein „Brauer-Haus“, 1996 gestaltete Brauer die Fassade einer katholischen Kirche in Wien-Leopoldstadt.

Im September 1997 zog er sich nach zwölfjähriger Lehrtätigkeit als Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste zurück. Anlässlich seines 85. Geburtstags widmete ihm das Leopold Museum in Wien unter dem Titel „Gesamt.Kunst.Werk“ eine Werkschau, im selben Jahr präsentierte er im Wiener Jüdischen Museum eine von ihm gestaltete Pessach-Haggada. Brauer hatte das Buch, das am Sederabend, der den Beginn des jüdischen Pessach-Festes markiert, gelesen wird, schon 1979 einmal illustriert.

Würdigung von Bundespräsident und Regierungsspitze

Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte Brauer als Ausnahmekünstler. Mit der Erfahrung von Antisemitismus, Verfolgung und Mord während der NS-Herrschaft aufgewachsen, sei Brauer zum „kritischen Citoyen“ geworden: „Er mischte sich ein im besten Sinne des Wortes. Er erhob seine Stimme für Freiheit, Demokratie und Solidarität.“ Seine Bilder seien so wie sein Engagement „zum festen Bestandteil unseres kollektiven Bewusstseins geworden“. „Sie haben uns geprägt und unser Land in künstlerischer und in gesellschaftspolitischer Hinsicht verändert“, so Van der Bellen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) twitterte: „Das Ableben von Arik Brauer macht mich tief betroffen. Meine Gedanken sind in dieser schweren Zeit der Trauer bei seiner Familie und seinen Angehörigen! Möge er in Frieden ruhen!“ „Arik Brauer zeigte die Schrecken des Nazi-Terrors bereits zu einer Zeit auf, als in Österreich noch niemand darüber sprechen wollte. Er wird fehlen“, lautete der Tweet von Kunstminister und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer betonte, Brauers Verdienste gingen „weit über die österreichische Kunst hinaus, die er in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark beeinflusst und geprägt hat“. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nannte Brauer „einen der prägendsten und vielfältigsten Künstler des Landes“ und sprach seiner Familie ihr Beileid aus.

„Prägend“ für Österreich und Heimatstadt Wien

„Österreich verliert mit Arik Brauer einen vielseitigen Künstler, einen wichtigen Zeitzeugen und eine bedeutende Stimme des öffentlichen Lebens“, ließ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wissen. „Mit Arik Brauer verlieren wir einen Universalkünstler, Humanisten und großen Menschenfreund“, reagierten Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (beide SPÖ) in einer Aussendung. Die Stadt bietet der Familie ein Ehrengrab an.

Als „ganz große Persönlichkeit“ erinnerte sich der Bundesparteiobmann der FPÖ und Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer an den Verstorbenen in einer Aussendung: „Arik Brauer hat sich im Unterschied zu vielen anderen klar gegen die Ausgrenzung von politisch Andersdenkenden ausgesprochen und sich gegen die Spaltung unserer Gesellschaft starkgemacht.“

NEOS-Kultursprecher Sepp Schellhorn verabschiedete sich von Brauer mit einer Anspielung auf dessen Lieder: „Die Erde möge diesem großen Künstler und Menschen leicht sein, und mögen wir alle weniger unser Köpferl in den Sand stecken, wenn der Wind weht.“

Programmänderungen im memoriam Brauer

Auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz würdigte mit Brauer „eine der außergewöhnlichsten Künstlerpersönlichkeiten dieses Landes: ein unerschöpflich kreativer Geist, ein herausragender Maler, Bildhauer, Musiker und Geschichtenerzähler, ein versöhnlicher Zeitzeuge und Menschenfreund, der sich mit seinem einzigartigen künstlerischen Schaffen und humanistischen Wirken zeit seines Lebens ein Denkmal gesetzt hat“. Der ORF ändert sein Programm in ORF2, ORF III und Ö1 in memoriam Brauer.

Programmhinweis

In memoriam Arik Brauer steht „kulturMontag“ ab 22.30 Uhr in ORF2 im Zeichen des Künstlers. Um 0.00 Uhr folgt ein Gespräch des damals 90-Jährigen mit Otto Schenk und Barbara Stöckl. Am Dienstag zeigt ORF2 ab 22.35 Uhr in „kreuz und quer“: „Arik Brauer. Eine Jugend in Wien“. ORF III würdigt Brauer ab 19.45 Uhr mit einem „Kultur Heute Spezial“, in dem Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums Wien, und Kulturjournalist Heinz Sichrovsky zu Gast sind. Die Ö1-„Spielräume“ stehen ab 17.30 Uhr im Zeichen Brauers.

Zahlreiche Auszeichnungen

Brauer erhielt zu Lebzeiten zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter das Österreichischen Ehrenkreuz 1. Klasse, den Preis der Stadt Wien für Malerei und die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold. 2015 wurde er mit einem Amadeus Award für sein Lebenswerk geehrt. 2018 erhielt er im Rahmen des Antisemitismus- und Antizionismus-Kongresses in Wien das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich.

Das Wiener Jüdische Museum widmete Brauer im Jahr 2019 anlässlich seines 90. Geburtstags eine umfassende Werkschau. Mit rund 54.000 Besuchern war es die bisher zweiterfolgreichste Schau des Museums. Brauer selbst bezeichnete die Schau damals als „Ausstellung meines Lebens“. Im Interview mit Museumsdirektorin Danielle Spera entgegnete der Künstler auf die Frage, worum es im Leben gehe: „In vielen Dingen ist es für alle Menschen gleich. Wir werden geboren mit der Angst, dass wir sterben können. Das heißt, wir suchen ununterbrochen nach Schutz, Wärme, Liebe. Vor allem Liebe.“

Für Menschlichkeit und Demokratie

Im Oktober 2019 erhielt Brauer den erstmals von der Styria Media Group und der „Kleinen Zeitung“ vergebenen Fritz-Csoklich-Demokratiepreis. Der Künstler hielt damals ein flammendes Plädoyer für Demokratie und Menschlichkeit. Die Demokratie sei immer gefährdet, es gebe dafür in der Natur kein Vorbild, der Mensch habe sie erfinden müssen, um die in der Natur selbstverständliche und arterhaltende Eigenschaft des Egoismus überwinden zu können, sagte Brauer bei der Preisverleihung.

„Wir verteidigen unsere Machtpositionen nicht wie Ziegenböcke mit Beinen und Hörnern und Muskeln im Genick, sondern mit Atombomben. Und so haben wir die Demokratie erfunden.“ Der laut Eigendefinition „berufliche Wunschdenker“ plädierte für eine „Weltdemokratie“, nur dann könnten die Menschen zufrieden leben.