Bild zeigt Packungen mit AstraZeneca Impfstoff.
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AstraZeneca

Erste Lieferung wohl am 7. Februar

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erwartet ab dem 7. Februar erste Lieferungen des AstraZeneca-Impfstoffs. Beim „Steering Board Meeting“ zur EU–Impfstoffbeschaffung gab der Chef von AstraZeneca laut einer Aussendung des Gesundheitsministeriums am Montag bekannt, dass die Zulassung des Impfstoffs voraussichtlich Ende dieser Woche erfolgen soll. Die „Bild“-Zeitung berichtete indes, dass es nur eine EU-Zulassung für unter 65-Jährige geben werde.

Dann kann im Februar in drei Tranchen Impfstoff nach Österreich geliefert werden: am 7. Februar 63.354, am 17. Februar 97.763 und Ende Februar 182.430 Dosen. Insgesamt sollen im Februar „also 343.547 Dosen Impfstoff von AstraZeneca nach Österreich“ kommen, hieß es. Ursprünglich für Februar angekündigt waren 650.000 Impfdosen.

Aus dem Gesundheitsministerium hieß es, man habe nach den von AstraZeneca verkündeten Lieferschwierigkeiten am Freitag nicht vor Ende Februar mit der ersten Tranche gerechnet. Eine Sprecherin bezeichnete gegenüber ORF.at die Neuigkeiten als „richtig gut“. Beim Treffen des „Steering Board“ in Brüssel habe der nötige Druck auf AstraZeneca aufgebaut werden können.

„Bild“: Keine Zulassung für Ältere

Österreich sowie die restliche EU hatten sehr viel Hoffnung in AstraZeneca gesetzt. Erwartet wird, dass die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den Impfstoff von Astrazeneca am Freitag zulassen wird. Statt 80 Millionen Impfstoffdosen sollen bis Ende März nun 31 Millionen eingeplant sein.

Die „Bild“-Zeitung berichtete unterdessen, dass der Impfstoff in Europa nur eine Zulassung für unter 65-Jährige erhalten wird. Hintergrund sei eine Wirksamkeit bei über 65-Jährigen von weniger als zehn Prozent, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise. Das „Handelsblatt“ berichtete seinerseits unter Verweis auf Koalitionskreise von einem Wirkungsgrad von acht Prozent bei älteren Menschen.

Verzögerungen „inakzeptabel“

Die EU-Kommission forderte zuletzt eine rasche Erklärung von AstraZeneca zu den Lieferverzögerungen. Diese sind immer noch nicht aufgeklärt. Die Antworten des Unternehmens in einer Sitzung mit der EU-Kommission und den EU-Staaten seien nicht befriedigend gewesen, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Montag in Brüssel. Deshalb sei für den Abend ein weiteres Treffen angesetzt worden. Die EU wolle, dass die bestellten und vorfinanzierten Impfstoffdosen so bald wie möglich ausgeliefert werden. „Wir möchten, dass unser Vertrag vollständig erfüllt wird.“

Die angekündigten Lieferverzögerungen seitens AstraZenecas bezeichnete die EU-Kommission als „nicht akzeptabel“. Die EU habe „Entwicklung und Produktion des Impfstoffes vorfinanziert“ und verlange nun dafür die Gegenleistung, sagte Kyriakides am Montag. Sie forderte zudem von allen Herstellern, Brüssel künftig über Exporte von Impfstoff aus der EU an Drittstaaten in Kenntnis zu setzen.

EU: „Dreistelligen Millionenbetrag“ bezahlt

Ein Sprecher sagte zuvor, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe AstraZeneca-Chef Pascal Soriot mitgeteilt: „Wir erwarten von der Firma, Lösungen zu finden und alle möglichen Spielräume auszunutzen, um schnell zu liefern.“ Er wollte nicht sagen, wie der Unternehmenschef reagiert habe. „Politico“, das auf EU-Themen spezialisiert ist, zufolge habe die EU AstraZeneca bereits im Herbst einen „dreistelligen Millionenbetrag“ für bis zu 400 Millionen Dosen bezahlt.

Präsident des Europäischen Rates Charles Michel.
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Michel macht Druck: Verträge müssen eingehalten werden

Kyriakides hatte bereits am Sonntag einen Brief an AstraZeneca geschickt. Der Konzern lieferte jedenfalls zuvor nur eine dürftige Erklärung, warum es zu Lieferverzögerungen beim CoV-Impfstoff komme. Es soll Probleme in einem Werk in Belgien geben, doch Näheres ist nicht bekannt. Auch ein Brand hatte am Donnerstag eine Impfstofffabrik in Indien ereilt, doch sagte der Werksleiter des Serum Institute in der indischen Industriestadt Pune, die CoV-Impfstoffproduktion von AstraZeneca sei von dem Feuer gar nicht betroffen.

AstraZeneca-Chef Soriot prangerte unterdessen beim Weltwirtschaftsforum (WEF) das egoistische Vorgehen einiger Länder bei der Beschaffung von Impfstoffen an. Die Entwicklung der Vakzine hätte ein Grund zum Feiern sein können, sagte Soriot bei der virtuellen Veranstaltung am Montag. Stattdessen hätten sich einige Länder vorgedrängelt und eine „Ich zuerst“-Mentalität vertreten, fügte er hinzu. Auf die Kritik der EU ging er aber nicht ein.

„Erwarten, dass Verträge eingehalten werden“

Aus Brüsseler Sicht gibt es zwei Möglichkeiten, warum es zu Lieferschwierigkeiten bei AstraZeneca komme, schreibt „Politico“: Entweder die Vorproduktion habe nicht stattgefunden, oder die Impfstoffe seien zwar produziert, aber an jemand anderen verkauft worden, der vielleicht bereit gewesen sei, mehr zu zahlen. So oder so hat sich das Unternehmen dafür entschieden, eine Vereinbarung nicht einzuhalten, die mit einem riesigen Markt von 27 Ländern und 450 Millionen Menschen getroffen wurde.

EU-Ratschef Charles Michel erhöhte jedenfalls den Druck auf das Unternehmen und stellte mögliche rechtliche Konsequenzen in den Raum. „Wir erwarten, dass die von den Pharmaunternehmen bestätigten Verträge eingehalten werden“, sagte Michel am Sonntag. Um die Einhaltung der Verträge zu gewährleisten, könne die EU auch „juristische Mittel“ nutzen.

Pfizer Österreich: Liefern mehr, nicht weniger

Besonders bitter sind die Lieferschwierigkeiten von AstraZeneca für die EU deshalb, da auch schon Biontech und Pfizer solche verkündet hatten. Unterdessen berichtete jedoch die APA am Montag, dass Biontech und Pfizer im ersten Quartal 2021 nicht weniger, sondern mehr Dosen ihres mRNA-Impfstoffes ausliefern werden – nach Österreich 1,1 Millionen statt der ursprünglich vorgesehenen 900.000 Dosen. Ob das die Lieferverzögerung durch AstraZeneca aufwiegen wird, ist unklar. Bis Ende 2021 könnte aber immerhin dieser Impfstoff für mehr als 60 Prozent der Bevölkerung kommen, sagte am Montag Pfizer-Österreich-Geschäftsführer Robin Rumler. Grund seien Anpassungen in einem Werk im belgischen Puurs.

Für die EU wurden die Bestellungen mittlerweile von den ursprünglich 300 Millionen Dosen des Covid-19-Vakzins auf mRNA-Basis aus der Kooperation des US-Pharmakonzerns Pfizer mit dem deutschen Unternehmen Biontech auf rund 600 Millionen erhöht. „Wir liefern also nicht weniger, sondern mehr. Wir wären froh, wenn noch mehr Covid-Impfstoffe anderer Hersteller zugelassen wären und auf den Markt kommen. Aber wir haben auch an ein Worst-Case-Szenario gedacht und so früh wie möglich geplant, wie wir unsere Produktion in Europa weiter ausbauen können“, sagte Rumler.

Ursula Wiedermann-Schmidt
APA/Georg Hochmuth
Nur mittelfristige Auswirkungen für Österreich erwartet Wiedermann-Schmidt

Das Pfizer-Werk in Belgien sei hochmodern, müsse aber kurzfristig für die erhöhten Produktionskapazitäten angepasst werden. „Außerdem hat Biontech in Marburg in Deutschland eine Produktionsanlage übernommen. Sie kommt im Februar hinzu. Die Bewilligungen liegen schon vor.“

Wiedermann-Schmidt: „Rückschlag in der ganzen Planung“

Österreich erwarte wegen der angekündigten Lieferschwierigkeiten bei AstraZeneca ein „Rückschlag in der ganzen Planung“, der sich aber eher mittelfristig auswirken dürfte, sagte am Montag die wissenschaftliche Vorsitzende des Nationalen Impfgremiums, Ursula Wiedermann-Schmidt. Die Hochrisikogruppen könnten trotzdem versorgt werden.

Dass es auch bei dem Modell der gemeinsamen, europaweiten Beschaffung zu derartigen Verzögerungen kommen kann, sei den Verantwortlichen „immer klar gewesen“, sagte Wiedermann-Schmidt bei einer Pressekonferenz der Initiative „Österreich impft“. „Für diese erste Risikogruppe sind genügend Impfstoffe da“, so die Virologin. In den nächsten Phasen der Umsetzung des Impfplans für die breite Bevölkerung seien jedoch Verzögerungen möglich: „Das ist ein laufender Prozess, den wir anpassen müssen.“

EU plant Transparenzregister für Impfstoffexporte

Indes kündigte die EU-Kommission an, alle geplanten Exporte von Vakzinen aus der Europäischen Union in Drittstaaten erfassen und genehmigen zu lassen. Das Register solle binnen weniger Tage in Kraft gesetzt werden und erfassen, welche Hersteller welche Mengen von in der EU produzierten Impfstoffen an Drittstaaten liefern.

Zudem benötigten die Hersteller künftig eine Lizenz zum Export, die aber bei Gütern für humanitäre Zwecke regelmäßig erteilt werde. Im Vordergrund stehe die Transparenz, hieß es aus EU-Kreisen. Hintergrund sind die Impfstoffknappheit in der EU und der Streit mit AstraZeneca. Der britisch-schwedische Konzern hatte am Freitag mitgeteilt, dass er zunächst geringere Mengen an die EU liefern werde als vertraglich vereinbart.

Viele Impfstoffkandidaten, wenige Zulassungen

Weltweit befinden sich nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit 64 Impfstoffprojekte in der klinischen Entwicklung, davon 16 in der entscheidenden dritten Phase. Während Firmen wie die Partner Pfizer und Biontech, Moderna und AstraZeneca schon Zulassungen erhielten, mussten andere auch schon Rückschläge verkraften.

So meldete der US-Pharmakonzern Merck & Co am Montag einen Misserfolg. Das Unternehmen ist bei der Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs gescheitert und wird sein Entwicklungsprogramm mit zwei Impfstoffkandidaten nach eigenen Angaben beenden. In frühen klinischen Studien der Phase eins hätten die beiden Vakzine eine unzureichende Immunreaktion erzeugt. Auch der französische Pharmakonzern Sanofi muss wegen unbefriedigender erster Studienergebnisse eine weitere Studie starten, weshalb es bis zu einer möglichen Zulassung des Vakzins deutlich länger dauern wird als gedacht.