Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte
Reuters/Yara Nardi
Italien

Premier Conte will zurücktreten

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte will am Dienstag in einer Kabinettssitzung seinen Rücktritt anbieten, wie die Regierung in Rom am Montagabend mitteilte. Conte hatte zwar in der vergangenen Woche zwei Vertrauensabstimmungen im Parlament knapp gewonnen, trotzdem steht seine Minderheitsregierung seither auf einer wackligen Basis.

Conte habe für 9.00 Uhr eine Kabinettssitzung angesetzt, auf der er verkünden werde, bei Präsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt einzureichen, teilte das Büro des Regierungschefs am Montagabend in Rom mit. Als Staatschef kann Mattarella nach dem Ende der Regierung einen Politiker damit beauftragen, eine neue Regierung zu bilden. Wenn keine Mehrheiten zu finden sind, kann er eine vorgezogene Wahl erwirken. Das fordern vor allem die Parteien des rechten Blocks.

Berichten zufolge will Conte sich nach der wochenlangen Regierungskrise mit diesem Schritt das Mandat für eine neue Regierung sichern. Damit könnte der parteilose Premier sein drittes Kabinett aufbauen. Conte ist seit Juni 2018 italienischer Premier. Gestartet war er mit einem Mitte-rechts-Kabinett unter Beteiligung der rechten Lega von Matteo Salvini, das 2019 zerbrach.

„Wir bleiben an Contes Seite“

„Die Bildung der dritten Regierung Conte ist der einzige Ausweg aus dieser verheerenden Regierungskrise. Dieser Schritt ist in Richtung einer Erweiterung der Koalition notwendig. Wir bleiben an Contes Seite“, kommentierte die Fünf-Sterne-Bewegung, die mit den Sozialdemokraten Contes Regierung unterstützt. Auch der Chef der Sozialdemokraten, Nicola Zingaretti, bekräftigte, an Conte festhalten zu wollen.

Contes seit September 2019 regierendes Bündnis war am 13. Jänner durch den Auszug der Kleinpartei Italia Viva des früheren Ministerpräsidenten Matteo Renzi geplatzt. Hintergrund war ein Streit um den Einsatz von EU-Hilfsgeldern in der CoV-Pandemie. Seither versuchten der parteilose Premier und seine Partner – die Fünf-Sterne-Bewegung, die Sozialdemokraten (PD) und eine kleine Links-Partei – neue Unterstützer im Parlament zu finden.

Justizpolitik als Zankapfel

Im Laufe dieser Woche drohte der Koalition bei einer Abstimmung zur Justizpolitik im Senat – der kleineren von zwei Parlamentskammern in Rom – allerdings eine symbolstarke Niederlage. Conte hat nach dem Platzen seiner Koalition und einer Vertrauensabstimmung in beiden Parlamentskammern zwar im Abgeordnetenhaus eine absolute Mehrheit, im Senat aber nur eine einfache. Bei der Vertrauensabstimmung im Senat vor einer Woche hatte er seine Regierung mit lediglich 156 Stimmen retten können. Die absolute Stimmenmehrheit liegt bei 161 Stimmen.

Die vor zwei Wochen aus dem Regierungsbündnis ausgetretene Splitterpartei Italia Viva bekräftigte ihr Veto gegen die Reformpläne von Justizminister Alfonso Bonafede von der Fünf-Sterne-Bewegung. Die Partei kritisierte, dass Bonafede vor dem Entwurf seiner Reformpläne keine Verhandlungsrunde mit den verbündeten Koalitionskräften einberufen habe. Ohne Italia Vivas Stimmen verfügt Conte über keine Mehrheit im Senat. Zuletzt war es wiederholt zu Divergenzen zwischen Italia Viva und Justizminister Bonafede gekommen.

Fünf-Sterne-Bewegung zweifelte an Conte

Die Fünf-Sterne-Bewegung begann zuletzt, an den Zukunftsaussichten der Regierung Conte zu zweifeln. „Entweder wir finden in den nächsten Tagen eine solide Mehrheit oder wir schlittern in Richtung Neuwahlen“, warnte Außenminister Luigi Di Maio, Spitzenpolitiker der Fünf Sterne.

Di Maio meinte jedoch, dass im Fall von Neuwahlen die Hilfsgelder aus Brüssel, die Impfkampagne sowie der Wirtschaftsaufschwung Italiens ernsthaft gefährdet wären. Die Abstimmung über den Bericht von Justizminister Bonafede sei de facto ein Votum über die Regierung. „Wenn es politische Kräfte gibt, die diese Regierung unterstützen wollen, können wir weitermachen, doch wenn dieses Kabinett dahinsiecht, bin ich der Erste, der Neuwahlen fordert“, sagte Di Maio.

Die Oppositionsparteien beobachten Contes Ringen um seinen Amtsverbleib kritisch. Ex-Premier Silvio Berlusconi hoffte zuletzt auf den Sturz der Regierung. „Italien kann sich in dieser Zeit keinen Stillstand erlauben“, sagte der Medienzar. Eine Regierung, die Italien aus der Pandemie und der Wirtschaftskrise helfen muss, könne sich nicht auf die Stimmen von Überläufern aus anderen Parteien stützen.

Salvini: „Respektlos und deprimierend“

„Conte hätte schon längst zurücktreten sollen. Die Impfkampagne ist ins Stocken geraten, zwei Millionen Arbeitsplätze sind gefährdet, und Italien hängt von den Launen der Regierungsparteien ab. Das ist respektlos und deprimierend“, kommentierte Lega-Chef Salvini. Salvini rechnet sich durch Contes Rücktritt Chancen aus, selbst eine Regierung in einem Bündnis unter anderem mit der konservativen Forza Italia und der rechten Partei Fratelli d’Italia stellen zu können.

Regulär ist die nächste Wahl erst 2023 vorgesehen. In Rom wurden auch die Optionen einer „Einheitsregierung“ vieler Kräfte von rechts bis links diskutiert – oder eine kurzzeitige Expertenregierung bis zu einer möglichen Wahl im Sommer. Die politischen Turbulenzen wirken sich negativ auf die Mailänder Börse aus. Diese schloss mit einem Rückgang von 1,6 Prozent.