Mann hält Impfdosis von AstraZEneca in der Hand
AP/Bruna Prado
Streit um Impfstoff

EU fordert Einblick in AstraZeneca-Daten

Im Streit über Impfstofflieferungen fordert die EU-Kommission Einblick in die Daten des Pharmakonzerns AstraZeneca. Die EU wolle bis Freitag wissen, wieso das Unternehmen „weniger Impfdosen an die EU liefern will“, hieß es am Montagabend aus EU-Kommissionskreisen nach einem weiteren Treffen von Unternehmensvertretern mit Mitgliedern der EU-Staaten. Berichte über eine geringe Wirksamkeit des Vakzins bei Älteren wies AstraZeneca indes zurück.

Der Vertrag sehe eine Vorproduktion an Dosen im hohen Millionenumfang nicht nur für das laufende Quartal vor, sondern bereits ab dem vierten Quartal 2020. Zudem garantiere der Vertrag mit dem britisch-schwedischen Unternehmen der EU Zugang zu Produktionsdaten des Unternehmens. „Daher will sich die Kommission nun anhand von Daten ansehen, in welchem Werk was wann produziert wurde“, hieß es in Kommissionskreisen.

Die EU wolle nun zudem einen Export-Transparenz-Mechanismus einführen, um zu sehen, wohin in der EU produzierter Impfstoff geliefert werde. Die EU fordere AstraZeneca auf, das Lieferangebot für das erste Quartal deutlich nachzubessern. Die Lieferprobleme unterschieden sich deutlich von dem der Firmen Biontech/Pfizer. Die dortige einwöchige Lieferunterbrechung habe sich „schlüssig“ mit der Vorbereitung für eine erweiterte Produktion erklären lassen. Bei dem Konzern AstraZeneca sei das aber nicht der Fall.

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides
AP/Pool Photo/John Thys
Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides ist mit den Erklärungen von AstraZeneca nicht zufrieden

Weiteres Treffen am Mittwoch

Für Mittwoch ist eine weitere Krisensitzung mit dem Hersteller geplant, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Montagabend. Die Antworten der Firma seien nicht befriedigend gewesen – weder in einer internen Sitzung mit den EU-Staaten am Nachmittag noch in einer weiteren Zusammenkunft am Abend. „Mit unseren Mitgliedsstaaten haben wir von AstraZeneca eine detaillierte Planung für Impfstofflieferungen gefordert sowie die Zeitpunkte, wann die Verteilung an die Mitgliedsstaaten stattfinden wird“, schrieb Kyriakides auf Twitter.

Bereits am Nachmittag hatte sie gesagt, die EU wolle, dass die bestellten und vorfinanzierten Impfstoffdosen so bald wie möglich ausgeliefert werden: „Wir möchten, dass unser Vertrag vollständig erfüllt wird.“ Der Rechtsweg gegen den Pharmakonzern soll offenbar derzeit noch nicht beschritten werden. Für die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten stehe jetzt im Vordergrund, die rasche Auslieferung einer größtmöglichen Menge an Impfdosen sicherzustellen – für den Fall, dass AstraZeneca die Marktzulassung erhalte, hieß es in der Kommission. Die Zulassung soll noch diese Woche erfolgen.

Lieferverzögerungen sorgten für Wirbel

Der britisch-schwedische Konzern hatte am Freitag mitgeteilt, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung zunächst weniger Impfstoff als geplant an die EU liefern zu wollen. Statt 80 Millionen Impfstoffdosen sollen bis Ende März nur 31 Millionen eingeplant sein. Die angekündigten Lieferverzögerungen seitens AstraZenecas bezeichnete die EU-Kommission als „nicht akzeptabel“.

Die EU habe „Entwicklung und Produktion des Impfstoffes vorfinanziert“ und verlange nun dafür die Gegenleistung, sagte Kyriakides am Montag. Sie forderte zudem von allen Herstellern, Brüssel künftig über Exporte von Impfstoff aus der EU an Drittstaaten in Kenntnis zu setzen.

Erste Lieferung nach Österreich wohl am 7. Februar

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erwartete indes ab dem 7. Februar erste Lieferungen des AstraZeneca-Impfstoffs. Erhält der Impfstoff wie erwartet diese Woche die Zulassung, dann kann im Februar in drei Tranchen Impfstoff nach Österreich geliefert werden: am 7. Februar 63.354, am 17. Februar 97.763 und Ende Februar 182.430 Dosen. Insgesamt sollen im Februar „also 343.547 Dosen Impfstoff von AstraZeneca nach Österreich“ kommen, hieß es. Ursprünglich für Februar angekündigt waren 650.000 Impfdosen.

Brüssel droht mit juristischen Mitteln

Die EU-Kommission hatte im August mit der Firma einen Vertrag über bis zu 400 Millionen Impfstoffdosen geschlossen und nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag dafür bezahlt, die Produktion schon vor der EU-Zulassung hochzufahren. Nach Darstellung der EU-Kommission hätte der Konzern laut Vertrag bereits seit der verbindlichen Bestellung Ende Oktober Mengen für die EU auf Halde fertigen müssen. Den Hinweis der Firma auf Produktionsprobleme bei einem Zulieferer in Belgien hält die Kommission für nicht stichhaltig.

Ein Kommissionssprecher sagte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe AstraZeneca-Chef Pascal Soriot mitgeteilt: „Wir erwarten von der Firma, Lösungen zu finden und alle möglichen Spielräume auszunutzen, um schnell zu liefern.“ Er wollte nicht sagen, wie der Unternehmenschef reagiert hat.

EU-Ratschef Charles Michel erhöhte ebenfalls den Druck auf AstraZeneca und stellte mögliche rechtliche Konsequenzen in den Raum. „Wir erwarten, dass die von den Pharmaunternehmen bestätigten Verträge eingehalten werden“, sagte Michel am Sonntag. Um die Einhaltung der Verträge zu gewährleisten, könne die EU auch „juristische Mittel“ nutzen.

Soriot prangerte egoistisches Vorgehen an

AstraZeneca-Chef Soriot prangerte unterdessen beim Weltwirtschaftsforum (WEF) das egoistische Vorgehen einiger Länder bei der Beschaffung von Coronavirus-Impfstoffen an. Die Entwicklung der Vakzine hätte ein Grund zum Feiern sein können, sagte Soriot bei der virtuellen Veranstaltung am Montag. Stattdessen hätten sich einige Länder vorgedrängelt und eine „Ich zuerst“-Mentalität vertreten, fügte er hinzu.

AstraZeneca-Chef Pascal Soriot
Reuters/Luke Macgregor
AstraZeneca-Chef Pascal Soriot

Soriot kritisierte auch die weltweite Reaktion auf das Auftreten der Krise. „Global gesehen kann man mit Fug und Recht behaupten, dass wir besser auf diese Pandemie hätten vorbereitet sein können und sollen“, sagte der Konzernchef. Er hob jedoch lobend hervor, dass im Kampf gegen die Pandemie zunehmend eine internationale Zusammenarbeit entstehe. „Es gibt viele gute Beispiele für eine gewaltige öffentlich-private Zusammenarbeit in vielen Ländern“, sagte er. Auf die Kritik der EU ging er aber nicht ein.

AstraZeneca weist Medienberichte zurück

AstraZeneca wies indes auch Berichte über eine bis auf acht Prozent reduzierte Wirksamkeit seines Impfstoffs bei Senioren zurück. Die Angaben seien komplett falsch. Die „Bild“-Zeitung berichtete zuvor, dass der Impfstoff in Europa nur eine Zulassung für unter 65-Jährige erhalten wird. Hintergrund sei eine Wirksamkeit bei über 65-Jährigen von weniger als zehn Prozent, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise. Das „Handelsblatt“ berichtete seinerseits unter Verweis auf Koalitionskreise von einem Wirkungsgrad von acht Prozent bei älteren Menschen.