Zwei Betten in einem Pflegeheim
ORF.at/Christian Öser
Coronavirus

43 Prozent der Toten in Pflegeheimen

Die meisten Covid-19-Toten in Österreich sind weiterhin in Alters- und Pflegeheimen zu verzeichnen. 43 Prozent aller Menschen, die seit Ausbruch der Pandemie mit dem SARS-CoV-2-Erreger gestorben sind, waren in Heimen untergebracht. Das bestätigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in der Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage von NEOS.

Am höchsten ist der Anteil in der Steiermark, wo bisher mehr als die Hälfte aller Todesfälle auf Bewohnerinnen und -bewohner von Alters- und Pflegeheimen entfielen. Bis 25. Jänner wurden in ganz Österreich 7.451 Covid-19-Tote verzeichnet. Davon starben laut Angaben des Gesundheitsministeriums 3.245 in Alters- und Pflegeheimen. Heimbewohnerinnen und -bewohner machten jedoch bisher lediglich vier Prozent der bisher Infizierten aus – 18.082 positiv auf das Coronavirus getestete Menschen lebten bei einer Gesamtzahl von 405.723 Infizierten in Seniorenheimen oder Pflegeeinrichtungen.

„Der Schutz kann nie hundertprozentig funktionieren, denn ein Alten- und Pflegeheim ist Teil des Infektionsgeschehens einer Gesellschaft“, sagte Anschober am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. „Man kann ja keinen Glassturz darüberstellen.“ Er begründete die coronavirusbedingte Sterblichkeit in Alters- und Pflegeheimen mit dem „Austausch“ in den Heimen durch Besuche, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und so weiter. Aus diesem Grund habe man auch dort mit dem Impfen begonnen, so der Gesundheitsminister.

Anschober: Keine Lieferprobleme in „Startphase“

In dieser „Startphase“, in der man sich laut Anschober noch befindet, würden sich die Lieferschwierigkeiten durch das Pharmaunternehmen AstraZeneca nicht auswirken. „Wir hoffen sehr, dass wir auf Kurs bleiben“, fügte er im Ö1-Morgenjournal hinzu. Man sei schon sehr weit mit den Impfungen in Alters- und Pflegeheimen. Genaue Zahlen nannte er aber nicht.

Grafik zeigt Daten zu den Covid-19-Todesfällen in Alters- und Pflegeheimen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Gesundheitsministerium

„Wir haben 180.000 Impfungen insgesamt in Österreich durchgeführt, und ein Großteil der Alten- und Pflegeheime ist durchgeimpft – die Bewohner, die sich impfen lassen wollten“, sagte der Gesundheitsminister. „Die zweite Runde wird in der zweiten Februar-Hälfte abgeschlossen sein.“ Für eine erfolgreiche Immunisierung sind zwei Impfungen pro Person notwendig.

In den Alters- und Pflegeheimen wurde bisher der Impfstoff von Biontech und Pfizer geimpft. In vielen Häusern steige durch die positive Verträglichkeit beim ersten Impfdurchgang bei den Betroffenen die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, teilte Anschober in einer Aussendung mit. Daher sei in vielen Alters- und Pflegeheimen bereits ein dritter Impftag in Vorbereitung.

NEOS mit schweren Vorwürfen gegen Regierung

Die Anfragebeantwortung bezieht sich auf Daten bis zum 18. Jänner. Mit Stand 12. November machten Todesfälle in Alters- und Pflegeheimen noch 38 Prozent aus. Besonders Kärnten tritt hier hervor – im November wurde noch kein einziger Todesfall dort verzeichnet. Knapp elf Wochen später machte der Anteil der Heimbewohnerinnen und -bewohner bereits 48 Prozent aus. Nur in Wien ging der Anteil der Todesfälle in Alters- und Pflegeheimen zurück – von 43 auf 39 Prozent.

NEOS pochte nach dem Anstieg der Verstorbenen in Alters- und Pflegeheimen auf die Einhaltung des Impfplans. „Seit Monaten weisen wir darauf hin, dass man die Risikogruppen schützen muss, seit Monaten schauen Kanzler und Gesundheitsminister tatenlos zu, wie die Anzahl der Toten in Alten- und Pflegeheimen steigt“, kritisierte Gesundheitssprecher Gerald Loacker. „Seit Sommer könnte man alle Besucher und Mitarbeiter engmaschig testen und so Leben retten“, meinte Loacker.

NEOS: „Die Richtigen impfen“

Im Bundesländervergleich gibt es mit Abstand die meisten Toten unter Heimbewohnerinnen und -bewohnern in der Steiermark. Hier starben seit Beginn der Pandemie bereits 1.491 Menschen – 814 davon (55 Prozent) lebten in Alters- oder Pflegeheimen. Den vergleichsweise niedrigsten Wert verzeichnete mit 38 Prozent Tirol. Dort starben bis 18. Jänner 518 Menschen mit dem SARS-CoV-2-Erreger. Auf die Heimbewohner entfielen 199 Covid-19-Tote.

43 Prozent aller CoV-Toten in Heimen

43 Prozent aller Menschen, die in Östereich in Zusammenhang mit einer CoV-Infektion gestorben sind, haben in Heimen gewohnt. Das hat eine Parlamentarische Anfrage von NEOS an Gesundheitsminister Anschober (Grüne) ergeben.

Nun sei es umso wichtiger, den Impfplan einzuhalten, forderte NEOS. „Wir müssen die Richtigen impfen, und das sind nun einmal vorrangig Menschen über 80. Hier erwarte ich mir endlich ein Machtwort des Gesundheitsministers und einen Impfkrisengipfel“, sagte Loacker.

Wann sind über 80-Jährige außerhalb von Heimen dran?

Unklar ist weiter, wann die über 80-Jährigen außerhalb von Heimen geimpft werden, wenn sie auch auf dem derzeitigen Impfplan weit oben stehen. Anschober dazu im Morgenjournal: „Da müssen wir jetzt noch einmal den Impfplan durcharbeiten, das ist gerade im Augenblick der Fall.“

Dieser werde „in den nächsten Tagen“ präsentiert. „Wir wollen hier volles Tempo beibehalten, unter Einbeziehung der Lieferschwierigkeiten, die es gibt. Aber Pfizer/Biontech und auch Moderna sind derzeit im Großen und Ganzen auf Kurs, was die Lieferungen betrifft“, so Anschober.

In der Debatte über die Lieferverzögerungen des Impfstoffs von AstraZeneca bekräftigte Anschober den EU-Standpunkt: „Es geht nicht, dass man Verträge abschließt, Vorfinanzierungen genießt und dann Verträge nicht einhält.“ Man wolle „konkrete Liefertermine und Liefermengen“, das brauche man, um den Impfplan durchziehen zu können. Die Frage sei, ob sich die Lieferungen nur verzögern oder ausfallen.

SPÖ-Pensionisten gegen ÖVP-Senioren

Der SPÖ-Pensionistenverband forderte angesichts dieser Entwicklung eine Klarstellung seitens der EU und der österreichischen Bundesregierung über den AstraZeneca-Impfstoff. Dessen Präsident Peter Kostelka erinnerte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an dessen Versprechen, dass im April/Mai alle über 65-Jährigen geimpft sein könnten. Nun gebe es Lieferprobleme und Zweifel, ob der Impfstoff überhaupt ausreichend Schutz für die über 65-Jährigen biete.

„Die Verunsicherung ist groß“, so Kostelka, der nach einem Testchaos und einem Maskenchaos jetzt ein Impfchaos ortete. „Die Hausaufgaben wurden nicht gemacht. Wir stellen eine hohe Impfbereitschaft in der älteren Generation fest. Aber wir wollen wissen: Wann und wo und mit welchem Impfstoff können wir sicher geimpft werden?“

ÖVP-Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec warf ihrerseits Kostelka vor, die Verunsicherung zu schüren. „Kollege Kostelka weiß ganz genau, dass die Entscheidung über die europaweite Zulassung des Impfstoffes von AstraZeneca voraussichtlich Ende dieser Woche erfolgen wird. Dann werden sowohl die von ihm geforderte Klarstellung als auch die von ihm gestellten Fragen zu Wirksamkeit und Anwendungsbereich des Impfstoffes schwarz auf weiß beantwortet sein“, sagte sie in einer Aussendung.