Auskunftsperson Nikolaus P. beim Ibiza Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
SPÖ-naher Werber im U-Ausschuss

„Ibiza-Video“-Offert als „spannende Episode“

Ende Jänner ist der SPÖ-nahe Werbeunternehmer Nikolaus P. vom „Ibiza“-U-Ausschuss befragt worden. Für seine Rolle rund um das „Ibiza-Video“ interessierte sich vorrangig die ÖVP. Grund: P. hatte der SPÖ-Bundespartei im Frühjahr 2018 den Kontakt zu einem Wiener Anwalt angetragen. Dieser Anwalt, so der Hinweis P.s damals, verfüge über ein Video, das angeblich die FPÖ-Spitze belaste.

Gleich eingangs berichtete P. über das etwa halbstündige Treffen mit ebenjenem Anwalt M. im Wiener Cafe Mozart. Er gab an, ihn bei einem Schülerpraktikum in einer Anwaltskanzlei kennengelernt zu haben. M. habe ihn 2018 dann per Facebook-Messenger kontaktiert, seine Telefonnummer habe er nie gehabt. Im Cafe habe dieser ihm dann erzählt, dass er einen Mandanten habe, der belastendes Material gegen den späteren FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache habe – eine siebenstellige Summe sei dafür zu zahlen.

Er habe den Mann nicht als übermäßig seriös empfunden, so P., er sei „wie ein Anwalt angezogen gewesen“. Das Video selbst habe er nicht gesehen oder erläutert bekommen, nur Strache sei namentlich erwähnt worden. „Ich hatte damals keine Lust, mir die Finger schmutzig zu machen“, auch wenn er das Treffen als „spannende Episode“ empfunden habe. Das Wort „Ibiza“ sei beim Gespräch wohl nicht gefallen, ein Gang zur Polizei habe er damals nicht erwogen, weil ja alles „halbseiden“ gewirkt habe – heute würde er das freilich anders sehen, so P.

Info nahm Weg in die SPÖ

Die Unterredungen bei dem Treffen nahmen ihren Weg in die SPÖ – schließlich habe er, P., neben privaten Kontakten auch dem damaligen Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda darüber erzählt: Auf ebenjene Vermittlung P.s trug der damalige Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) Drozda auf, sich mit dem Anwalt zu treffen und bis dahin unbekanntes Inhaltliches zu sondieren, wie Drozda bei seinem Auftritt im Ausschuss Ende November 2020 angab. Das Treffen sei Drozdas Angaben zufolge weitgehend ohne Erkenntnisgewinn verlaufen.

Auskunftsperson Nikolaus P. beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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P. bei seiner Ankunft vor dem Ausschusslokal – Bildaufnahmen im Saal waren nicht erlaubt

Drozda sei belastendes Material zu Strache versprochen worden – allerdings zu einem hohen Kaufpreis, wie der SPÖ-Mandatar im Ausschuss angegeben hatte: sechs Millionen Euro. Er gab an, dass die SPÖ das Offert klar abgelehnt habe. Tenor: Die SPÖ habe kein Interesse, das Material anzuschauen oder anzukaufen. Die ÖVP hält die SPÖ-Darstellung für unglaubwürdig und vermutet, dass die SPÖ bereits 2017 vom „Ibiza-Video“ gewusst habe.

„Wie Schuppen von den Augen gefallen“

Zur Erinnerung: Das Video war am 17. Mai 2019 vom deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlicht worden. Als er das damals gesehen habe, so Auskunftsperson P., da sei ihm „wie Schuppen von den Augen gefallen“, dass es sich um jenes Material gehandelt haben könnte, das ihm damals angeboten worden sei.

Auskunftsperson Nikolaus P. beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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P. (links) berichtete dem Ausschuss über das Video-Offert eines Wiener Anwalts

Ferner berichtete P. im Zuge der Befragungen, dass er erst am Montag von der Polizei befragt worden sei – das sei infolge einer anonymen Anzeige passiert, Details dazu wisse er nicht. Auch die Ermittler hätten ihn – wie FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker im Ausschuss auch – nach dem Messenger-Chat mit M. befragt, wie P. auf Fragen von ebendiesem angab. Über diesen Chat verfüge er aber nicht mehr, weil der Anwalt sein Profil im Messenger wohl gelöscht habe.

„Aha, interessant“

Für die ÖVP versuchte Mandatar Christian Stocker bei der Befragung besonders detailreiche Erörterungen und ließ P. seine Ausführungen gleich mehrmals wiederholen. Das Kennenlernen des Anwalts M. im Zuge seines Schülerpraktikums führte P. noch einmal aus, das Treffen mit dem Anwalt M. im Cafe Mozart wurde einmal mehr genau erörtert, und auch zur Informationsweitergabe an Kern und Drozda fragte Stocker wiederholt nach.

Wie etwa Kern auf die Information zum Video-Offert reagiert habe, wollte der ÖVP-Mandatar wissen. „Aha, interessant“, habe der damalige Kanzler seiner Erinnerung nach gemeint, berichtete P. Stocker hatte das unter Bezugnahme auf eine Zeugenaussage Kerns anders in Erinnerung – da habe der Ex-Kanzler von einer „politischen Bombe“ gesprochen.

„Stehe mit sehr vielen Menschen in Kontakt“

Mit wie vielen Leuten er über das Video-Offert geredet habe, konnte P. nicht mehr sagen („stehe mit sehr vielen Menschen in Kontakt“). Vermutlich seien es aber mehr als zehn gewesen („Ich hab’ im privaten Umfeld mehreren Menschen davon erzählt“). Mit politischen Amtsträgern habe er über das Video-Offert nicht geredet, so P. Was die SPÖ dann mit dem Video gemacht habe, habe er damals nicht gewusst, gab P. an. Wie das dann weiterging, „hat nichts mehr mit mir zu tun“, so P.

Drozda kenne er aus seiner Zeit im ORF-Stiftungsrat (April 2010 bis Dezember 2011, P. war dort Sprecher des SPÖ-„Freundeskreises“), wie P. auf Fragen der Grünen angab. P. übte lange Jahre politische Funktionen aus: So war er 2006 parlamentarischer Mitarbeiter des damaligen Parlamentariers und nunmehrigen EU-Abgeordneten Andreas Schieder und 2007 Pressesprecher der damaligen SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied – schon in dieser Zeit habe er Drozda kennengelernt.