Den Versuch, das Video zu verkaufen, bestätigte er aber. Außerdem will er die Hofburg vorab über die Veröffentlichung informiert haben. Dort wird aber dementiert. Bestätigt wurde nur eine E-Mail mit „vagen Andeutungen“, die man routinemäßig ad acta gelegt habe.
Der Sicherheitsberater H. sitzt in Deutschland in Auslieferungshaft. Die österreichische Justiz ermittelt gegen ihn wegen Drogenhandels und Erpressung. Die Vorwürfe bezeichnete H. als „konstruiert“ und verwies darauf, dass ein guter Teil der Überwachungsmaßnahmen vom Oberlandesgericht Wien aufgehoben wurde.
Erste Versuche „amateurhaft“
Die Idee, den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit verdeckten Aufnahmen hinters Licht zu führen, kam H. nach eigenen Angaben gemeinsam mit dem Anwalt Ramin M. im Sommer 2016. Erste Versuche seien aber „amateurhaft“ gewesen. Daher sei die Idee entstanden, über den Strache-Vertrauten Johann Gudenus (FPÖ) und mit Hilfe einer falschen Oligarchennichte Zugang zum FPÖ-Chef zu suchen.
Das Treffen in der mittlerweile berühmten Villa auf Ibiza empfand der Privatdetektiv nach eigenen Angaben zuerst als Fehlschlag: „Es war mehr das Gefühl von Misserfolg, weil es meine Ambition gewesen war, von Strache ein direktes ‚Ich will das, dafür mache ich das‘ zu bekommen.“

„Die Leute stellen sich ohnehin alles weit professioneller vor, als es tatsächlich war“, sagte H. Er habe niemanden angeheuert und bezahlt. „Ich habe ein paar Bekannte, die mir Gefallen schuldig waren oder die ich für vertrauenswürdig hielt, gefragt – unter anderem die vermeintliche Oligarchennichte –, ob sie mir behilflich wären.“
Gudenus vor Videofalle gewarnt
Erstaunt habe ihn allerdings, wie unglaublich einfach es gewesen sei, Strache im Sommer 2017 in die Finca zu locken. Zumal Gudenus nach Angaben des Detektivs schon zuvor vor einer drohenden Videofalle gewarnt worden sei – und zwar aus dem Umfeld von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, dessen Partei wohl über einen Journalisten von den Plänen erfahren habe. Das dementierte die ÖVP. „Das sind absurde Verschwörungstheorien eines mutmaßlichen Kriminellen“, hieß es dazu aus der ÖVP-Zentrale.
„Natürlich nie gewarnt“
Auch Gudenus widersprach: „Ich wurde natürlich nie und von niemandem konkret vor dieser Videofalle gewarnt“, bestritt Gudenus die Aussagen des Detektivs. Allerdings habe es im Vorfeld der Nationalratswahl 2017 „ein eigenartiges Klima und Gerüchte“ gegeben, „die an Strache und mich herangetragen wurden, dass diverse Fallen a la Silberstein gestellt werden könnten“. Im Fall von H. habe er das aber ausgeschlossen, bedauerte Gudenus. Auch beim Treffen selbst habe es keine Bedenken gegeben.
„Ansonsten bin ich zu Tränen gerührt“, kommentierte Gudenus die Interviews mit H. und fügte ironisch hinzu: „Die Glaubwürdigkeit von diesem armen Hascherl bestreitet sicher niemand.“ Inhaltlich wollte der ehemalige FPÖ-Klubchef die Aussagen nicht weiter kommentieren, „da ich meine Infos von Anfang an mit den Ermittlungsbehörden geteilt habe“.
SPÖ oder Haselsteiner „belasten“?
Bestätigt wurde von H., dass der Anwalt M. versucht habe, das „Ibiza-Video“ im Wahlkampf 2017 zu verkaufen – allerdings ohne Erfolg. Ziel sei gewesen, den von M. vertretenen Leibwächter Straches finanziell abzusichern, der bereits seit 2015 versucht habe, belastendes Material über den FPÖ-Chef an den Mann zu bringen.
Aus seinen Beständen stammen auch die Aufnahmen von Sporttaschen mit mutmaßlich aus Osteuropa stammendem Bargeld in Straches Auto. „Das Video wurde nicht verkauft“, versicherte H. Man habe ihm nach der Veröffentlichung „zwei, drei Millionen“ angeboten, „wenn ich mich öffentlich bekennen und die SPÖ oder (STRABAG-Gründer und NEOS-Förderer Hans Peter, Anm.) Haselsteiner belasten würde. Es gab Medien, die mich bedrängt haben.“
Keine Bestätigung vonseiten der Hofburg
Bisher nicht bekannt war, dass H. im Vorfeld der Veröffentlichung des Videos die Präsidentschaftskanzlei kontaktiert hatte. Die Präsidentschaftskanzlei bestätigte auf APA-Anfrage eine E-Mail, die aber nur „vage Andeutungen über eine bevorstehende Veröffentlichung zum Thema Korruption“ enthalten habe – sowie den Hinweis, dass der Verfasser mit Repressalien rechne. Ein von H. ebenfalls behauptetes Treffen mit einem Mitarbeiter von Bundespräsident Alexander Van der Bellen bestätigte die Hofburg nicht. Davon sei „nichts bekannt“.
Auslöser für Regierungsbruch
Die „Ibiza-Affäre“ hatte im Mai 2019 zum Bruch der Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ und zu einer Neuwahl geführt. Hintergrund war das heimlich auf Ibiza gedrehte Enthüllungsvideo, das zeigt, wie der damalige FPÖ-Parteichef Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte im Gegenzug für Wahlkampfhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt.
SPÖ ortet „Bombe“
In einer ersten Reaktion auf das Interview sprach der SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Kai Jan Krainer, von einer „Bombe“, die zu Konsequenzen führen werde. Für ihn erschließe sich nun das Handeln der ÖVP, die seit Wochen und Monaten versuche, der SPÖ die Schuld in die Schuhe zu schieben, das Video in Auftrag gegeben zu haben. Dazu passe, dass H. nun erkläre, dass ihm zwei Mio. Euro angeboten worden seien, wenn er fälschlicherweise behaupte, dass Haselsteiner oder die SPÖ etwas damit zu tun habe.
Auch für NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper liegt der Konnex auf der Hand: „Genau das ist das Narrativ, an dem die ÖVP festhält.“ Auch am Dienstag bei der Befragung des ehemaligen SPÖ-Kampagnenchefs Johannes V. und des SPÖ-nahen Werbers Nikolaus P. habe die ÖVP versucht, dieses zu befördern. „Langsam“ passe alles zusammen, so Krisper.
FPÖ sieht „skandalöse Enthüllung“
Als „skandalöse Enthüllungen“ bezeichnete FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker die Interviews, wenn auch aus anderen Beweggründen. Für den Freiheitlichen ergibt sich dadurch ein Bild, dass es sich um einen „Staatsstreich“ gehandelt habe. „Das sind Dinge, die wir nicht auf uns sitzen lassen können“, so Hafenecker, der sich vor allem daran stößt, dass H. zu Protokoll gab, dass er die Bundespräsidentschaftskanzlei vorab in Kenntnis gesetzt habe.
Das bedeute, dass Van der Bellen und sein enger Mitarbeiter Lothar Lockl informiert gewesen seien und sich „de facto offensichtlich mit einem Kriminellen zusammengetan“ hätten. Und was habe Van der Bellen gemacht, er habe sich „eingebunkert“, so Hafenecker: „Mehr ist nicht passiert.“
Die Präsidentschaftskanzlei wollte auf Anfrage der APA keine Stellungnahme zu der von Hafenecker beabsichtigten Ladung des Bundespräsidenten abgeben. Lockl wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als „völlig absurd“ zurück. Er kenne H. nicht und habe ihn auch nie getroffen, so Lockl.
FPÖ will Lockl und eventuell auch Van der Bellen laden
Hafenecker will nun Van der Bellen und Lockl in den U-Ausschuss laden, um zu klären, was da vorgegangen sei. Denn Van der Bellen sei kein unparteiischer Präsident und mache Parteipolitik, kritisierte Hafenecker. Zudem hielten sich „hartnäckig“ Gerüchte, dass es nach Information durch den „Ibiza-Detektiv“ einen „terminlichen Ablauf“ mit mehreren Besprechungen in der Präsidentschaftskanzlei gegeben habe. Das könne man zwar nicht belegen, so Hafenecker, das wolle man aber Lockl und – wenn nötig – Van der Bellen fragen.
Eine „weitere Tangente“ sah Hafenecker darin, dass H. behaupte, dass Ex-FPÖ-Klubchef Gudenus offenbar aus Kreisen der ÖVP vor einer Videofalle gewarnt worden sei. „Woher hat die ÖVP das gewusst, was hat es mit der Warnung auf sich?“, so Hafenecker.
Die Präsidentschaftskanzlei wollte auf Anfrage der APA keine Stellungnahme zu der von Hafenecker beabsichtigten Ladung des Bundespräsidenten abgeben.
Gerstl ortete „ÖVP-Bashing“
Weniger aufgeregt zeigte sich wiederum ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl, der darin abermals ein „ÖVP-Bashing“ ortete. Denn bei den Befragungen tags zuvor habe sich klar gezeigt, dass die SPÖ bereits 2017 von der Existenz des Videos wusste und der ehemalige Parteichef Christian Kern spätestens 2018 darüber informiert gewesen sei. Einen Tag später habe er dann mit Strache gewettet, dass er länger Parteichef bleibe als dieser, so Gerstl: „Die SPÖ war, lange bevor dieses Video veröffentlicht wurde, über den Sachverhalt informiert. Die Frage ist, warum hat sie es nie zur Anzeige gebracht.“