Auskunftsperson Bernhard Bonelli beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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„Ibiza“-U-Ausschuss

Kurz-Kabinettschef in vieles „nicht involviert“

Bernhard Bonelli, Kabinettschef von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), ist am Mittwoch dem „Ibiza“-U-Ausschuss Rede und Antwort gestanden. Er gab an, in das Schreddern von Festplatten des Bundeskanzleramts durch einen Mitarbeiter nicht involviert gewesen zu sein, er habe erst später davon erfahren. Bonelli wurde auch zu Ereignissen um die Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ befragt.

Seit 2017 im Kabinett des nunmehrigen Bundeskanzlers, war Bonelli zwischenzeitlich auch für die Koordinierung der Regierungsparteien zuständig – und auch bei der Ablöse der ÖVP-FPÖ-Regierung und der Übergabe an die nachfolgende Übergangsregierung. Von der Vernichtung von fünf Festplatten durch Arno M. habe er aber erst Mitte Juli 2019 erfahren, so Bonelli auf entsprechende Frage von Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli – durch einen Anruf einer Mitarbeiterin der ÖVP, kurz bevor auch die Öffentlichkeit davon erfuhr.

Nach Bekanntwerden des „Ibiza-Videos“ und der folgenden Ab- und Auflösung der ÖVP-FPÖ-Regierung sei er mit der Übergabe der Amtsgeschäfte beschäftigt gewesen. Er sei selbst nicht im Konkreten involviert gewesen, welche IT-Prozesse – wie eben die Vernichtung der Festplatten – genau angestoßen wurden, führte Bonelli aus. Der Auftrag zur Vernichtung sei von einem Gruppenleiter ausgegangen, wie er später erfahren habe.

Auskunftsperson Bernhard Bonelli beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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Bonelli war die erste Auskunftsperson, ihm folgt Arno M., der die Festplatten schreddern ließ

Bonelli bestätigte im Ausschuss, dass man bei der Vernichtung der Festplatten vom Regelprozess abgewichen sei. Zur Erinnerung: Fünf Festplatten wurden von M. unter falschem Namen zu einer professionellen Aktenvernichtungsfirma gebracht und dort mehrfach geschreddert. Die Überreste nahm M., damals und heute wieder Mitarbeiter des Bundeskanzleramts, mit, die Rechnung vergaß er aber zu bezahlen, woraufhin die Firma Anzeige erstattete. In weiterer Folge wurde der gesamte Vorgang öffentlich.

Grüne sehen Widerprüche in Details

Tomaselli fragte dann nach einem Revisionsbericht, der Basis für eine Anfragebeantwortung der damaligen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein zur Vernichtung der Festplatten war. Bonelli gab an, diesen einmal durchgeblättert zu haben. Die Anfragebeantwortung selbst habe er nicht unterzeichnet. Tomaselli wies auf Differenzen zwischen der Anfragebeantwortung und dem Revisionsbericht hin. In Letzterem heißt es, eine externe Vernichtung sei nur auf Weisung erlaubt, in der Beantwortung wird ein solcher Vorgang als nicht verboten bezeichnet.

Nina Tomaselli (Die Grünen) beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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Tomaselli stieß sich an Differenzen zwischen Revisionsbericht und Anfragebeantwortung

NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper wollte daraufhin wissen, ob Bonelli in die Ausarbeitung der Anfragebeantwortung involviert war. Darin heißt es auch, dass es keinen Auftrag des Bundeskanzlers zur Vernichtung der Festplatten gab. Im Ausschuss sagte Bonelli, er habe keine Warhnehmung zu einem Auftrag. Bonelli, der sich bei vielen Fragen zuerst mit seiner Vertrauensperson beriet, sagte, dass er das Dokument zum Revisionsbericht nicht bearbeitet habe, er könne sich aber nicht mehr daran erinnern, ob er zu den Inhalten befragt wurde.

Wann genau Bundeskanzler Kurz und der nunmehrige Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) über die Vernichtung der Festplatten informiert wurden, wisse er, Bonelli, nicht. Er wisse auch nicht, ob die geschredderten Festplatten von Druckern oder Notebooks stammten. Neben M. ist auch der Gruppenleiter als Zuständiger für IT-Sicherheit im Kabinett des Bundeskanzlers beschäftigt.

Später äußerten sich die Grünen verwundert, dass der U-Ausschuss keinerlei Mails dazu erhalten habe und auch sehr wenige Akten. Für die Aktenlieferung sei er nicht zuständig, so Bonelli. Auch zeigte sich, dass es in Bezug auf seine Person gerade einmal 72 Mails im U-Ausschuss-Akt gibt. Im Falle des Ex-Finanzministerium-Kabinettschefs Thomas Schmid gebe es über 2.000 Aktenergebnisse, verglich Tomaselli. Er kommuniziere via Telefon und Nachrichten, so Bonelli auf Nachfrage.

Mitarbeit an Parteiprogramm in Freizeit

Gefragt von SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer nach dem „Projekt Ballhausplatz“, vom „Falter“ veröffentlichte Dokumente zur Übernahme der ÖVP durch Kurz, sagte Bonelli, er sei in manche Dinge involviert gewesen, so sei er im ersten Halbjahr 2017 etwa auch zur inhaltichen Ausgestaltung von Regierungsarbeit gefragt worden – in seiner Freizeit habe er da mitgearbeitet, so Bonelli, und etwa Inputs zum Parteiprogramm gegeben. Bei Spendenrallys und etwaigen Listen von möglichen Spendern sei er nicht involviert gewesen, er könne sich auch nicht erinnern, bei einer solchen Veranstaltung gewesen zu sein.

Kai Jan Krainer (SPÖ) beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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Krainer interessierte sich für Details zum „Projekt Ballhausplatz“

Krainer legte eine Excel-Tabelle mit Großspendern und möglichen Testimonials vor, darauf erkannte Bonelli „einige Namen“, er habe mit der Liste aber nichts zu tun. Auf der Liste stehen auch zwei Personen mit dem Nachnamen Bonelli, laut Auskunftsperson Verwandte seiner Frau. Ob er zum Thema Testimonials befragt worden sei, daran konnte sich Bonelli nicht erinnern. Wahrscheinlich habe jemand anderer die Verwandten für die Liste genannt, er kenne aber die Liste nicht.

Gemeinsames Warten auf „Ibiza-Video“

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker interessierte sich vor allem für die Ereignisse rund um die Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“. Einen Tag vor dem Erscheinen Freitagabend habe es eine Medienanfrage aus Deutschland an den damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gegeben. Er selbst habe von der Veröffentlichung des Videos Donnerstagabend erfahren, am Freitag habe man im Bundeskanzleramt zuerst auf das Video gewartet.

Nach der gemeinsamen Sichtung des Videos habe man dann über die Auswirkungen auf die Regierung gesprochen, der Samstag sei geprägt gewesen von Gesprächen und Beratungen, wie es nun weitergehen soll. Bonelli gab wie auch die Auskunftspersonen am Vortag an, dass es immer wieder Gerüchte gebe, auch zu belastenden Videos, vor allem in Wahlkämpfen gebe es das vermehrt. Zum speziellen Video habe er aber keine Wahrnehmung.

Christian Hafenecker (FPÖ) beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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Christian Hafenecker (FPÖ) wollte Details zur Publikation des „Ibiza-Videos“ wissen

Bundeskanzler entscheidet Personalfragen

Dass Kandidatenlisten für eine etwaige Besetzung einer künftigen Bundesregierung erstellt wurden, davon habe er gewusst, er sei damit aber auch nicht beschäftigt gewesen. Für Personalfragen sei letztlich der Bundeskanzler zuständig, noch als Außenminister habe ihn Kurz persönlich gefragt, ob er ins Kabinett wechseln möchte. Als Kabinettschef entscheide er nun auch einige Personalfragen.

Grundsätzlich müsse sich jeder Minister seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aussuchen, so Bonelli weiter. Gefragt, ob er wisse, dass einige Minister und Ministerinnen von Kabinettschefs begrüßt wurden, sagte Bonelli sinngemäß, je nach Wechsel könne es schon einmal vorkommen, dass „Vorschläge“ für Kabinettsmitarbeiter gemacht werden.

Helmut Brandstätter (NEOS) beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter

Gescheiterte Glücksspielnovelle kein Einzelfall

Klaus Fürlinger (ÖVP) wollte dann von Bonelli Details über Postenbesetzungen wissen, im Speziellen der Aufsichtsräte. Das sei Aufgabe des Finanzministeriums, so Bonelli, er gehe davon aus, dass die Besetzungen der jeweiligen Qualifkation entsprechend erfolgt seien. Er selbst sei in der Auswahl von Ex-FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo als Finanzvorstand der Casinos Austria nicht involviert gewesen. Er habe keine Wahrnehmung dazu, dass man in Österreich Gesetze kaufen könne, gab Bonelli an.

NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter wollte wissen, ob Bonelli auch in die Entstehung der ÖBAG involviert war. Im Rahmen der Koordinierung sicher, so Bonelli, er könne sich aber nicht an alles genau erinnern. Von der Bewerbung des nunmehrigen ÖBAG-Chefs Schmid habe er im Zuge des Prozesses erfahren.

Gefragt nach der Genese der überraschend zurückgezogenen Glücksspielnovelle führte Bonelli auch aus, dass die Novelle noch relativ am Anfang der Zusammenarbeit von ÖVP und FPÖ ausgearbeitet wurde. Es sei dabei die nötige Reihenfolge der Freigaben nicht eingehalten worden: Zuerst müsse das jeweilige Koordinierungsteam jeder Partei die Vorlagen ausarbeiten und abnicken, erst dann sei ein Gesetz fertig, führte Bonelli aus. Ein derartiges Zurückziehen sei in der ÖVP-FPÖ-Regierung mehrfach vorgekommen, es sei kein Einzelfall gewesen.

Projekt Edelstein und die Archivfrage

Tomaselli wollte auch Details zum Projekt Edelstein erfahren, dabei geht es um den geplanten Verkauf des Bundesrechenzentrums an die Post. Das Projekt sei nach zwei Terminen eingestellt worden, so Bonelli, der sich als skeptisch dem Projekt gegenüber zeigte. Aus den Akten ergebe sich, dass das Projekt länger gelaufen sei, so Tomaselli.

Schließlich wurde Bonelli von Krainer auch zur Archivierung von Akten und Dokumenten und der Lieferung an den U-Ausschuss gefragt. Dazu gab Bonelli an, dass Relevantes ans Staatsarchiv weitergegeben wurde, der Rest sei vernichtet worden. Er habe entschieden, was archiviert werde und was nicht, er sei entsprechend beauftragt gewesen.