Sandro Botticelli: „Porträt eines jungen Mannes mit einem Medaillon“
Sotheby’s
Teuerstes Porträt?

Wettbieten um einen Botticelli

Es könnte das teuerste Porträt aller Zeiten werden: Sotheby’s in New York versteigert am Donnerstag das Gemälde „Bildnis eines jungen Mannes mit einem Medaillon“ von Sandro Botticelli. Die Schätzung für das rare Renaissance-Werk liegt bei 80 Millionen Dollar (rund 66 Mio. Euro), die 87,9 Millionen Dollar (rund 72,5 Mio. Euro), die Gustav Klimts „Adele Bloch-Bauer II“ 2006 erzielte, scheinen in Reichweite.

Ab den späten 1470er Jahren stand der Florentiner Künstler Botticelli (1444–1510) im Zenit seiner Karriere. Im Auftrag der Medici schuf er seine Hauptwerke „Allegorie des Frühlings“ und „Die Geburt der Venus“, die zu den größten Hits der Kunstgeschichte werden sollten. Daneben war Alessandro di Mariano Filipepi auch als Porträtmaler sehr gefragt. Den Spitznamen Botticelli (italienisch für „kleines Fass“) erhielt ursprünglich der Bruder des Malers wegen seiner Leibesfülle.

Aber nur ein Dutzend seiner Bildnisse sind erhalten, fast alle davon befinden sich in Museumshand. Umso größer die Sensation, als Sotheby’s im Herbst 2020 die Auktion von „Bildnis eines jungen Mannes mit Medaillon“ ankündigte. Bis 1930 hing das unerkannte Original im Vorzimmer eines Lords, zuletzt besaß ein US-Milliardär den erstaunlich modern dargestellten Jüngling. Am Donnerstag kann ab 10.00 Uhr New Yorker Ortszeit darauf geboten werden.

Vom Museum zur Auktion

Wie das Medienportal Bloomberg berichtete, erwarb der New Yorker Milliardär Sheldon Solow das Bild 1982 bei Christie’s um 1,3 Millionen Dollar (nach heutiger Kaufkraft rund 1,9 Mio. Euro). Dass die aktuelle Schätzung bei 80 Millionen Dollar (rund 66 Mio. Euro) liegt, hat damit zu tun, dass in den letzten Jahrzehnten alle Zweifel an der Eigenhändigkeit Botticellis bei diesem Porträt zerstreut werden konnten.

Als Dauerleihgabe hing das mit Tempera auf Pappelholz gemalte Bildnis in der Londoner National Gallery, im New Yorker Metropolitan Museum und in der National Gallery in Washington. Nach Europa kam es zuletzt 2009 als Exponat der Botticelli-Schau des Frankfurter Städel Museums.

Sandro Botticelli: „Die Geburt der Venus“
Public Domain
Sandro Botticelli schuf mit „Die Geburt der Venus“ (ca. 1485/86) einen Hit der Kunstgeschichte

Immobilienentwickler Solow, der letzten November im Alter von 92 Jahren verstorben ist, hat mit Werken seiner Sammlung wiederholt gut verdient. In den 2000er Jahren warf er Gemälde von Henri Matisse, Joan Miro und Amedeo Modigliani auf den boomenden Auktionsmarkt. Den höchsten Gewinn fuhr jedoch keine Malerei, sondern die 1947 von Alberto Giacometti geschaffene Bronzestatue „L’homme au doigt“ ein. Mit einem Verkaufspreis von 141,3 Millionen (rund 117 Mio. Euro) Dollar führt die 1947 gegossene Figur bis heute das Ranking der teuersten Skulpturen aller Zeiten an.

Fingerzeig am Bildrand

Entgegen dem Coronavirus-Trend, Versteigerungen online abzuhalten, lässt Sotheby’s am Donnerstag Publikum in den Auktionssaal. Die Besucherinnen und Besucher können dann noch einmal das Tafelbild in echt bewundern, das bald im Tresor eines Scheichs oder eines chinesischen Investors verschwinden könnte, den nur Bieter in dieser Vermögensklasse werden bei der Auktion Aussicht auf den Zuschlag haben.

Botticellis Dreiviertelporträt besticht durch seine Schlichtheit: Ganz im Geiste des Humanismus blickt der Blondling klar und selbstbewusst; im einfachen Wams wird er vom Fenster gerahmt und hält ein rundes Heiligenbild in seinen Händen. Dabei ragt sein rechter Mittelfinger über die Brüstung – ein illusionistischer Trick, der Dreidimensionalität vortäuscht und so die Distanz zwischen Dargestelltem und Betrachter durchbricht.

Sandro Botticelli: „Porträt eines jungen Mannes mit einem Medaillon“
Sotheby’s
Inzwischen als Original Botticellis anerkannt: „Bildnis eines jungen Mannes mit einem Medaillon“, um 1470 bis 1480

Die Uffizien in Florenz, Heimstätte von Botticellis Meisterwerken, besitzt ein ähnliches Porträt. Darin trägt ein ebenfalls unbekannter Mann ein Goldmedaillon mit dem Bild von Cosimo de Medici. Der Begründer der toskanischen Dynastie ist wie auf einer Münze im Profil dargestellt. Bei seinen Porträts trieb Botticelli die Weiterentwicklung des zum Betrachter gewandten Dreiviertelbildnisses voran.

Übrigens war Botticelli nicht immer so berühmt wie heute. Wie die Ausstellung „The Botticelli Renaissance“ in der Berliner Gemäldegalerie 2015 gezeigt hat, wurde er nach seinem Tod vergessen und erst im 19. Jahrhundert zur Kultfigur. Damals erkoren ihn die britischen „Präraffaeliten“ zum Vorbild; später begleitete Andy Warhol seinen Siegeszug in die Popkultur.

Altmeister als Anlageklasse

Das Segment der Alten Meister gilt als sicherste Anlageform auf dem Kunstmarkt. Gleichzeitig kämpft diese Sparte mit der Akquise, denn die meisten Werke landen in Museen und werden so dem Markt für immer entzogen. Das Wiener Dorotheum bringt durch seine Filialen in Italien immer wieder hochkarätige Ware nach Österreich. Betrachtet man die schiere Menge an Rekordpreisen, so haben die modernen Meister die alten Granden längst abgehängt.

Sandro Botticelli: Das Porträt eines Mannes mit einer Medaille von Cosimo dem Älteren
Public Domain
Ein ähnliches Porträt Botticellis hängt in den Uffizien in Florenz. Cosimo de Medici, Dynastiebegründer der Auftraggeber des Malers, ist auf dem Medaillon dargestellt.

Erst als Christie’s 2017 Leonardo da Vincis Jesus-Bild „Salvator Mundi“ um 450 Millionen Dollar (rund 372 Mio. Euro) veräußern konnte, nahm die Kunst vor 1800 wieder die Spitze der Auktionsergebnisse ein. Den zweiten Platz der Altmeister-Top-Ten hält ein Porträtpaar von Rembrandt. Ungewöhnlicherweise brachten das Amsterdamer Rijksmuseum und der Pariser Louvre gemeinsam die 160 Millionen Euro für die beiden Bilder der lebensgroß dargestellten Hochzeitsleute Maerten Soolman und Oopjen Coppit auf. Die beiden Häuser „teilen“ sich nun die Gemälde.

Auf dem dritten Platz rangiert derzeit noch Peter Paul Rubens Bild „Das Massaker der Unschuldigen“, das eine österreichische Familie 2002 um 45,5 Millionen britische Pfund (rund 51,5 Mio. Euro) veräußern konnte. Der seit damals gehaltene Stockerlplatz wackelt jetzt, denn Botticellis Goldjunge wird Rubens’ Kindsmord zu Bethlehem garantiert übertrumpfen.