Arno M. beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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„Ibiza“-U-Ausschuss

Schreddern als Akt der „Hilfsbereitschaft“

Zwei Kanzleramtsmitarbeiter sind am Mittwoch vom „Ibiza“-U-Ausschuss befragt worden: Nachdem der Kabinettschef von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Bernhard Bonelli, bei sich selbst keinen Berührungspunkt mit dem Schreddern von Kanzleramtsfestplatten sah, musste der Schredderer selbst Auskunft zum fragwürdigen Vorgang geben. Arno M. sagte, dass ihm zwei Fehler beim Schreddern leidtäten – er habe einfach „helfen“ wollen.

Die Causa zur Erinnerung: Fünf Festplatten wurden von M. unter falschem Namen zu einer professionellen Aktenvernichtungsfirma gebracht und dort gleich mehrfach geschreddert. Die Überreste nahm M., damals wie heute Mitarbeiter des Bundeskanzleramts, mit – allerdings vergaß er, die Rechnung zu bezahlen, woraufhin die Firma Anzeige erstattete. In weiterer Folge wurde der gesamte Vorgang öffentlich.

Im Ausschuss gab M. einleitend zu Protokoll, dass er etwas „klarstellen“ wolle, nämlich, dass er „einen blöden Fehler gemacht“ habe. So seien es zwei Fehler gewesen: den falschen Namen (er nannte sich „Walter Maisinger“) anzugeben und die 70-Euro-Rechnung nicht zu bezahlen.

„Art und Weise der drohenden Abwahl geschuldet“

Die „Art und Weise“ sei „der Situation und der drohenden Abwahl (der Regierung Kurz, Anm.) geschuldet gewesen“, es sei doch alles „sehr hektisch und stressig“ gewesen zu dieser Zeit. Gleichzeitig verwies er darauf, dass die Ermittlungen zur Causa eingestellt worden seien, es bestehe kein Zusammenhang zum „Ibiza“-Video.

Arno M. beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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Kanzleramtsmitarbeiter M. bei seiner Ankunft vor dem U-Ausschuss-Lokal

Die Druckerfestplatten habe er im Kanzleramt nicht selbst entnommen – auch sei es „kein expliziter Auftrag gewesen“. Er habe einfach „im Rahmen der drohenden Abwahl (diesen Umstand wiederholte M. mehrfach, Anm.) mitbekommen“, dass die Festplatten zu vernichten seien. Mit diesem Wissen habe er sich angeboten („Ich wollte helfen, bin ein hilfsbereiter Mensch, wenn ich helfen kann, tu ich es gerne“).

„Okay, passt“

Der Gruppenleiter habe auf M.s Hilfsangebot gesagt: „Okay, passt.“ Der Weg sei dann „vielleicht ein etwas unglücklicher gewesen“, so M. Wie er die Festplatten entgegengenommen habe („In einer Tasche, in einem Sackerl?“), konnte M. nicht mehr sagen. Grundsätzlich sei ja Schreddern ein „ganz normaler Vorgang“, der auch von vorhergehenden Regierungen praktiziert worden sei. Dass das dann alles zur Staatsaffäre geworden sei, „is so, kann ma nix machen“, wie M. es formulierte.

Warum er den falschen Namen angegeben habe? Er habe nicht den Eindruck vermitteln wollen, dass sich die Regierung auf die Abwahl vorbereitet, führte M. gegenüber NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter aus. „Das heißt, Sie hatten ein Unrechtsbewusstsein?“ – Nein, kein Unrechtbewusstsein, sagte M. sinngemäß und lieferte einen Vergleich: Es sei in etwa so gewesen, wie wenn man in einem Lokal einen Tisch unter einem anderen Namen reserviere.

Helmut Brandstätter (NEOS) beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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NEOS-Mandatar Brandstätter: „Das heißt, Sie hatten ein Unrechtsbewusstsein?“

Festplatten von Druckern oder Laptops?

Warum dreimal schreddern – und nicht einfach einmal? Er sei technisch nicht erfahren – er habe einfach gewollt, dass die Festplatten wirklich vernichtet werden, gab M. an („Ich wollt’s einfach g’scheit machen“). Der Mitarbeiter der Schredderfirma sagte als Zeuge aus, M. habe sich sonderbar verhalten. Er habe die Festplatten-Seriennummer auffällig abgedeckt – damit konfrontiert, sagte M. im Ausschuss, er habe das nicht getan, sondern die Seriennummer selbst eingetragen.

„Große Gerätschaften, das ist spannend“

Dass er beim Schreddervorgang unbedingt dabei sein wollte, begründete M. im Ausschuss mit einer Faszination für die Sache: „Es sind große Gerätschaften (M. meinte die Schreddergeräte, Anm.), das ist spannend – ich dachte, ich schau’ zu“, so M. Dass er vom Schredderfirma-Mitarbeiter als besonders nervös beschrieben worden sei, begründete er einmal mehr mit der aufregenden Zeit rund um die drohende Abwahl der Regierung Kurz – eigentlich sei er ja ein „sehr ruhiger Mensch“, so M.

Der Schredderfirma-Mitarbeiter hatte als Zeuge angegeben, er sei der Meinung, dass es sich um eine Laptop-Festplatte gehandelt habe. Wie er, M. nun darauf gekommen sei, dass es sich um Druckerfestplatten gehandelt habe? Er sei „kein Experte, ich kann mir vorstellen, dass es Druckerfestplatten waren“, so M. – ihm sei ja auch gesagt worden, dass es sich um fünf Druckerfestplatten gehandelt habe. Eine Ungereimtheit, die noch weitere Diskussionen hervorrief.

Zwei Festplatten von Laptops?

So legte SPÖ-Fraktionsvorsitzender Kai Jan Krainer M. dessen eigenes Foto der geschredderten Festplatten vor – drei Festplatten unterschieden sich äußerlich sichtlich nicht voneinander, laut Krainer stammten sie tatsächlich aus Druckern. Die anderen beiden Festplatten sähen anders aus und würden Laptops entstammen, das ließe sich im Zuge einer einfachen Internetrecherche herausfinden, sagte Krainer – und ließ M. entsprechende Ausdrucke vorlegen. „Ich werd’ nicht ihren Internetausdruck kommentieren“, so M.

Kai Jan Krainer beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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Krainer (r.) legte M. sein eigenes Bild der Festplatten vor

Krainer führte daraufhin aus, dass sich damit auch zeige, dass sich im Laptop des damaligen Kanzleramtsministers Gernot Blümel (ÖVP) eine baugleiche Festplatte befunden haben musste. Laut Anfragebeantwortung hatte Blümel ein „HP EliteBook 840“ „zugeteilt“ bekommen. Die Fotos der Festplatten würden dazu passen, argumentierte Krainer – zwei Bilder von Blümel, auf denen er mit Laptop zu sehen war, wurden dazu von der SPÖ zur Ansicht vorgelegt.

Krainer schlussfolgerte: „Sie selbst haben dokumentiert, dass Sie Festplatten aus Laptops geschreddert haben, wie sie auch in den Laptops von Blümel verbaut werden. Wollen Sie noch eine Stellungnahme dazu abgeben?“ – „Ich bin immer davon ausgegangen, dass es Multifunktionsdruckerfestplatten waren. Wenn Sie etwas anderes hineininterpretieren wollen, tun Sie das“, empfahl M. Auf Nachfrage der FPÖ konnte er sich nicht daran erinnern, Blümel mit einem Laptop gesehen zu haben.

„Weder Nacht noch Nebel“

Ob ihn nie interessiert habe, was auf den Festplatten gespeichert war, die er in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ (Brandstätter) habe vernichten lassen? Es sei weder „Nacht noch Nebel“ gewesen – „Es war am Tag“, so M. Zudem gab der Kanzleramtsmitarbeiter an, er habe die Festplatten „einfach vernichten lassen“, habe sich „nicht groß damit beschäftigt, was da drauf gewesen“ sei. Es mögen vielleicht Dokumente oder Notizen gewesen sein – „oder vielleicht Flugbestätigungen“, mutmaßte M.

Arno M. beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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Kanzleramtsmitarbeiter M. gab an, Inhalte auf den angeblichen Druckerfestplatten nicht gekannt zu haben

Warum gerade diese Festplatten so wichtig gewesen seien? M. gab an, dass die Festplatten ja „in die falschen Hände geraten“ hätten geraten können. Ob im Kanzleramt andere Festplatten vernichtet worden seien, könne er nicht mehr sagen, so M. Das E-Mail-Konto „Walter Maisinger“, mit dem er dann Kontakt zur Schredderfirma aufgenommen hatte, habe er schon davor angelegt.

Bei M. daheim keine Datenspeicher gefunden

Thema bei den Befragungen war auch eine freiwillige Nachschau bei M. zu Hause. Er gab an, dass die Polizei ihn kontaktiert habe, die Beamten hätten gleich zu ihm nach Hause gewollt, ohne dass es zu Sicherstellungen in seinem Büro in der Lichtenfelsgasse gekommen wäre. Er habe nur noch persönliche Dinge aus dem Büro geholt und sei dann nach Hause gefahren. Dort hätten die Beamten „in jedes Kastl, in jede Lade“ geschaut.

M. bestätigte, dass auch der Ex-ÖVP-Kandidat Niko R. unter den SoKo-Ermittlern war. „Ich glaube, sie wollten Festplatten oder sonstige Datenträger finden“, gefunden hätten sie aber nichts. Beim ersten Kontakt habe ihm ein Beamter das Handy abgenommen, das habe er ihm dann wieder zurückgegeben, den PIN habe er dem Beamten nicht aushändigen müssen.

FPÖ-Mandatar Christian Ries wollte wissen, ob M. gegenüber der Polizei „persönliche“ Angaben gemacht habe. Das habe er seiner Erinnerung zufolge nicht, gab M. an. „Hat die Polizei irgendeine Frage an Sie gestellt?“, fragte Ries. Als ihn die Polizei abgeholt habe zur freiwilligen Nachschau, habe er dieser gesagt, dass er keine Stellungnahme abgebe. Ries, seit 1991 Kriminalbeamter, wunderte sich – so etwas sei ihm noch nie untergekommen.