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Reuters/Lisi Niesner
AMS-Chef

Aufschwung hängt von Impfungen ab

Derzeit sind 460.000 Menschen in Österreich in Kurzarbeit und 530.000 arbeitslos. AMS-Chef Johannes Kopf hat am Samstag im Ö1-Mittagsjournal angesichts dieser hohen Zahlen betont, dass auch in den kommenden Monaten nur wenig Besserung zu erwarten sei. Die wirtschaftliche Erholung hänge stark an einer baldigen breiten Verteilung der Impfstoffe, die noch auf sich warten lassen dürfe.

Kopf betonte, dass die wirtschaftliche Entwicklung „ganz deutlich“ von der Impfung abhänge. Die Konjunktur könne stark zurückkommen, wenn diese „funktioniert und wir auch breite Impfraten haben“. Wann dieser Fall eintrete, sei aber nicht kalkulierbar, eine rasche Durchimpfung sei ja eher unwahrscheinlich. Bei Prognosen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit gibt es laut Kopf daher auch zahlreiche Unwägbarkeiten.

Der AMS-Chef geht jedenfalls davon aus, dass die Arbeitslosigkeit im März im Vergleich zum Vorjahr sinken werde. Das liege aber nicht daran, dass der Aufschwung bereits zurückgekehrt sei, sondern daran, dass die Lage im März 2020 noch schlechter gewesen sei.

Kopf will Kurzarbeit verlängern

Kopf plädierte angesichts dessen dafür, das derzeitige Modell der Kurzarbeit über das erste Quartal hinaus beizubehalten. „Ich glaube, dass es auch im zweiten Quartal die Kurzarbeit mit der heutigen Regelung braucht, aber dass ab Sommer dann doch eine Veränderung nötig ist.“ Es dürfe nämlich nicht sein, dass die Kurzarbeit „notwendige Strukturreformen“ bremst. „Daher braucht es auch ein Exitszenario aus der Kurzarbeit.“ Laut Kopf gibt es wohl auch Fälle, in denen nur künftige Arbeitslosigkeit verdeckt wird.

Es sollte vermieden werden, dass nicht Personal in Bereichen „gehortet“ wird, wo es nach der Krise nicht mehr gebraucht wird. Hier sei es „gescheiter, wenn Menschen arbeitslos werden und woanders etwas finden – wenn der Aufschwung da ist“, so Kopf, der hier etwa den Städte- und Kongresstourismus nannte, die besonders lange zum Erreichen des Vorkrisenniveaus brauchen dürften.

AMS-Vorstand Johannes Kopf
APA/Herbert Neubauer
AMS-Chef Johannes Kopf sieht noch keine Entspannung bei der Arbeitslosigkeit

Wenn der Aufschwung eintritt, brauche es entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen für Bereiche mit hohem Arbeitskräftebedarf. Kopf nannte hierbei unter anderem den Bereich Pflege, Metallwirtschaft oder IT. Im Bereich der Lehre rechne man mit 3.000 Jugendlichen, die keine Lehrstelle finden würden. Diese sollen über das überbetriebliche Ausbildungsnetz aufgefangen werden, damit jeder und jede eine Lehrstelle finden kann.

Mehr Schulabbrecher möglich

Im Bereich der schulischen Ausbildung vermutet Kopf, dass es in Zukunft eine höhere Zahl an Schulabbrüchen und schlecht ausgebildeten Neuankömmlingen auf dem Arbeitsmarkt geben könnte. Viele Kinder und junge Menschen würden unter dem Homeschooling und der psychischen Belastung leiden. Das komplette Schuljahr würde er „vom Gefühl her“ eher nicht wiederholen. Dafür gebe es zu viele, die doch ausreichend mit der Schulsituation klarkommen, und diese hätten dann ein Jahr verloren. „Ein Jahr wiederholen würde auch bedeuten, dass es null Lehrlinge gibt“, so Kopf.

Bezogen auf Langzeitarbeitslose plädierte Kopf für ein Modell, das der ehemaligen „Aktion 20.000“ – ein Steckenpferd von Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern – ähnlich sein solle, aber nicht zu ähnlich. Unter anderem sollte die öffentliche Hand nicht die gesamten Lohnkosten tragen. Zudem sollten die öffentlichen Mittel nicht nur vom AMS, sondern auch aus Steuermitteln kommen.

Mehr Arbeitslosengeld „gerne länger diskutieren“

Die von Teilen der Opposition geforderte Erhöhung des Arbeitslosengeldes will Kopf „gerne länger diskutieren“ und nicht während der Krise vom Zaun brechen. Grundsätzlich sei eine Erhöhung nötig. Einfach anheben könne man die Zahlung aber nicht – so mache etwa eine Anhebung auf 70 Prozent des Letztgehalts keinen Sinn. „Gerade Niedrigverdiener bekommen schon bis zu 80 Prozent“, sagte Kopf.

Wenn man 70 Prozent zahle und zum Arbeitslosengeld auch weiter geringfügig bis zu 470 Euro dazuverdienen könne, komme es zu einer „Höhe, die fast einer Vollzeitbeschäftigung entspricht, und wir haben ein Arbeitsanreizproblem. Der Anreiz muss erhalten bleiben, daher muss man das umfangreicher diskutieren.“ Vorerst kann sich der AMS-Chef eine weitere Einmalzahlung an die Arbeitslosen in der Coronavirus-Krise vorstellen.