Kolorierte Lithographie „Fürst Hermann Pükler-Muskau als Reisender in Afrika"(1835)
picturedesk.com/akg-images
Hermann von Pückler-Muskau

Wie „Fürst Essiggurke“ sein Glück fand

Leidenschaftlicher Landschaftsarchitekt und Reiseschriftsteller, aber auch schrulliger Schwerenöter und Dandy: Aus der Riege der Exoten des 19. Jahrhunderts sticht der preußische Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785–1871) heraus. England, wohin er sich auf „Brautreise“ begab, verpasste ihm wenig schmeichelhaft den Titel „Prince Pickle and Mustard“ („Fürst Essiggurke und Senf“).

Gemeinsam mit seiner Frau Lucie von Hardenberg hatte der hoch verschuldete Pückler 1826 den Plan ausgeheckt, sich pro forma scheiden zu lassen und in England eine reiche neue Braut zu suchen. Nur mit einer zweiten Geldheirat glaubten die beiden, dem Ruin entgehen und ihren aufwendigen Lebensstil beibehalten zu können. Gesagt, getan: „Adieu, liebe Schnucke, ich muss zum Werke schreiten! Himmel, was ist der Mensch!“, schrieb der 41-jährige Pückler seiner Ex-Frau, der er zeitlebens aber „treue Liebe bis in den Tod“ schwor.

Zweieinhalb Jahre lang bereiste der Fürst die Insel und machte Hunderten Häusern der Oberschicht seine Aufwartung – vergeblich. Keine der Kandidatinnen war entweder wohlhabend genug oder traute der einvernehmlichen Scheidung. Auch die englische Klatschpresse und High-Society-Gerüchteküche ließen kaum ein gutes Haar an dem Mitgiftjäger und sagten ihm nach, die exilierte Königin von Haiti verführt zu haben, ein französischer Spion zu sein oder ein unehelicher Sohn Napoleons.

Portrait von Fürst Pückler
Public Domain
Pückler will um jeden Preis Aufsehen erregen

Eitelkeit als „größte Schwäche“

Ohnehin war ihm der Ruf eines geltungssüchtigen Zeitgenossen vorausgeeilt. Seit seinen Jugendjahren erregte Pückler Aufsehen mit seinem dandyhaften Auftreten, seiner bedenkenlosen Geldverschwendung, seinen gigantischen Gartenprojekten, seinen unzähligen Liebschaften, seinen zahlreichen Duellen, seinen tollkühnen Reiterstücken wie dem Sprung samt Pferd von einer Brücke in die Elbe, seiner Exzentrik wie der Kutschfahrt mit vier vorgespannten weißen Hirschen und seinen Abenteuern wie der spektakulären Ballonfahrt über Berlin.

„Seine größte Schwäche war Eitelkeit – und um so mehr, da sie, gegen bessere Erkenntnis, durch eine ganz eigentümliche Anomalie ihre Nahrung nur in äußeren Zufälligkeiten und wahren Lappalien suchte“, merkte Pückler selbstkritisch an. Zeitlebens war er von Geltungsdrang besessen. „Wenn Pückler in einen Raum kam, war er sofort Mittelpunkt, nicht weil er ‚Fürst‘, sondern weil er ‚Pückler‘ war“, stellte Theodor Fontane fest.

Die Früchte der Englandreise

Nach einer aussichtslosen Affäre mit der Sopranistin Henriette Sontag, von der er eine goldene Büste anfertigen ließ, kehrte Pückler 1829 nach Preußen zurück. Brachte ihm seine „Brautreise“ zwar keine Geldgeberin, so doch andere Früchte, als er erwartet hatte. Denn täglich hatte Pückler seine Reiseeindrücke in jeweils Dutzende Seiten umfassenden Briefen seiner „Schnucke“ geschildert, und diese publizierte sie ab 1830 als sechsbändige Buchedition anonym unter dem Titel „Briefe eines Verstorbenen“.

Freimütig berichtete Pückler von erotischen Vergnügungen, zu denen es gehörte, berühmte Gemälde nachzustellen: „Besonders gelang die Darstellung der Venus von Tizian, die wollüstig auf einem Ruhebett liegt und mit der rechten Hand einem süßen Traum nachhelfen zu wollen scheint.“ Zugleich führte Pückler eine spitze Feder gegen den englischen Adel, der, allen alten Gebäuden „sklavisch unterworfen“, mit „Vorurteilen durchknetet“ ist. In ebenso detailreichen und spannenden Beschreibungen unberührter Natur wie künstlicher Parkanlagen drückte er sein bis zur Verzückung gesteigertes Faible für Landschaftsmorphologie aus.

Schloss Muskau
picturedesk.com/dpa/Sebastian Kahnert
Um Schloss Muskau erschafft Pückler einen der bedeutendsten Parks des 19. Jahrhunderts

Die Briefe wurden zum Bestseller, nicht zuletzt dank Johann Wolfgang von Goethe, der auf das „für Deutschlands Literatur bedeutende Werk“ aufmerksam machte und vor allem die „meisterhaften“ Schilderungen lobte: „Man kann sich’s nicht anders denken, als habe er, die Gegenstände unmittelbar vor Augen, sie mit der Feder aufgefasst.“ Karl August Varnhagen von Ense urteilte, er „wüsste seit langen Jahren keine literarische Sache, die bei uns Deutschen gleich von Anfang an in so vortrefflichem Zuge gewesen wäre“. Alexander von Humboldt pries „die Lebendigkeit eines tiefen Naturgefühls“ in den Briefen, und Heinrich Heine begrüßte sie als „vortreffliches Buch“.

„Graf Smorltork“ als Witzfigur

Bald nach der deutschen Ausgabe erschienen auch Übersetzungen ins Englische und Französische, die schnell vergriffen und mehrfach wiederaufgelegt waren. Pücklers Erfolgsgeheimnis war, dass er mit seinen Geschichten und amüsanten, zum Teil auch satirischen Anekdoten die der Leserschaft fremde Welt Englands und Irlands und insbesondere deren schrulliger Oberschicht lebendig vor Augen führt.

Atypisch für seinen Stand griff Pückler auch gesellschaftliche Widersprüche auf, etwa wenn er über die Zustände in Irland schrieb: „Vom Gouvernement vernachlässigt oder bedrückt, von der stupiden Intoleranz des englischen Priestertums erniedrigt, von seinen reichen Landbesitzern verlassen und von Armut und Whiskygift zum Aufenthalt nackter Elenden gestempelt.“ Englische Zeitungen wetterten dementsprechend über Pücklers „unfassbare Ignoranz und Arroganz". Auch Charles Dickens befasste sich damit und machte Pückler als „Graf Smorltork“, der wegen seines schlechten Englisch alles falsch versteht und nur Unsinn in sein Notizbuch schreibt, zur literarischen Witzfigur.

Alter Fürst in orientalischer Tracht
Public Domain
Pückler kleidet sich gern in orientalischer Tracht

Grenzenlose „Parkomanie“

Pückler setzte mit dem fünfbändigen Werk „Tutti Frutti“ über die preußische Gesellschaft nach und landete den nächsten Coup. Seine Finanzen waren – zumindest vorübergehend – saniert, und er konnte sich wieder seiner wahren Leidenschaft zuwenden: der „Parkomanie“, wie er sie nannte. Auf 840 Hektar um Schloss Muskau ließ er Sümpfe trockenlegen, Felder und Weiden einebnen, die Neisse umleiten, neue Bäche und Teiche graben, Hügel aufschütten und Wege anlegen, ein ganzes Dorf niederreißen und die Bewohnerinnen und Bewohner umsiedeln. Er ließ Bäume abholzen und Zehntausende neue setzen, die er von einer eigens für ihn konstruierten Baumverpflanzungsmaschine von weither heranschaffen ließ.

Als Blaupausen für seine Gartenkreationen dienten ihm die englischen Parks, die künstlich geschaffen waren, aber natürlich aussehen sollten. Als Landschaftsarchitekt wollte auch Pückler der Natur nicht seine Ordnung aufdrängen, sondern der ihr inhärenten Schönheit bloß kreativ nachhelfen. Ihm ging es um perfekt inszenierte Bilderwelten – gemalt mit Hacke, Axt und Spaten.

„Mein Park ist mein Herz“

„Kunst ist das Höchste und Edelste im Leben, denn es ist Schaffen zum Nutzen der Menschen. Nach Kräften habe ich dies mein langes Leben hindurch im Reiche der Natur geübt“, trug Pückler in sein Tagebuch ein. Und Bettina von Arnim vertraute er an: „Wer mich ganz kennen will, muss meinen Park kennen. Denn mein Park ist mein Herz." Dieser war von Beginn an für die Öffentlichkeit zugänglich, und 2004 erklärte ihn die UNESCO zum Welterbe. “

Machbuba um das Jahr 1840
In Khartum kauft Pückler die Sklavin Machbuba

Seine praktischen Erfahrungen hielt Pückler in einem monumentalen Werk fest, das er bescheiden „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ nannte und aus einem Textband sowie einem Atlas im Querformat mit aufwendig kolorierten Zeichnungen bestand – ein Novum für die damalige Zeit und gartentheoretisches Standardwerk bis heute. So entstanden auch in Weimar, Meiningen, Babelsberg und Potsdam Parkanlagen nach Pücklers Plänen.

„Semilasso in Afrika“

Dass Pückler ausgerechnet im Bereich der Gartenkunst sein ureigenstes kreatives Medium fand, überrascht insofern, als sie eine gewisse Konstanz verlangt, welche der rastlose Fürst jedoch kaum an den Tag legte. 1834 verließ er Muskau für sechs Jahre und bereiste Algerien, Tunesien, Griechenland, Ägypten und den Sudan. Er wollte bis zu den noch unbekannten Quellen des Weißen Nil vordringen, musste aber wegen einer Malariaerkrankung die Rückreise antreten. Bei seinen Besuchen archäologischer Stätten hinterließ er gern sein Graffito, das er in das historische Gemäuer einritzte und das mancherorts bis heute zu finden ist.

Reisen bedeutete, neuen Stoff für die Schriftstellerei zu akquirieren, und die Hoffnung, einen finanziellen Ertrag aus der „tätigen Befriedigung von Neugierde“ zu ziehen, wie Pückler sein Fernweh selbst interpretierte. Seine Orientreise verwertete Pückler literarisch in fünf Bänden „Semilasso in Afrika“. Viel Exotik, ein bisschen Schauder und ein Hauch Erotik, als „Soldat des Publikums“ wusste Pückler, was er diesem schuldete, und wiederholte den Erfolg seiner England-Briefe.

Begräbnisstätte als Pyramide für Fürst Pückler-Moskau auf einem Teich in Barnitz, Deustchland
Reuters/Hannibal Hanschke
Pückler lässt sich in Branitz wie ein Pharao in einer Pyramide bestatten

Unersättliche Lust am Exotischen

Ein liebevoller, neugieriger Humanismus, die Fähigkeit, das Lächerliche ohne Gift und Galle zu verspotten, und ein ausgeprägter Sinn für Selbstironie zeichneten auch den „Semilasso in Afrika“ aus. Auffällig ist Pücklers Weltoffenheit, sein völliges Fehlen von Standesarroganz, seine Bereitschaft, auf seinen Reisen die Strapazen der einfachen Leute zu teilen und seine soziale Flexibilität, die ihn zwischen den Klassen wechseln ließen. Für jeden Mann, jede Frau hatte er ein offenes Ohr. Freilich ist es seiner ultraprivilegierten Position als Hochadliger zu verdanken, dass ihm die Welt offen stand und er nicht von den Neurosen der Gedemütigten und Marginalisierten geplagt war.

Zurück in Muskau lebte der nun 55-Jährige seine Lust am Exotischen weiter aus. Er brachte die Abessinierin Machbuba mit, die er auf dem Sklavenmarkt in Khartum gekauft hatte, jedoch das raue Klima nicht vertrug und bald verstarb. Er kleidete sich in orientalischen Kostümen mit Pluderhosen und Pantoffeln, gelegentlich mit türkischem Fez auf dem Kopf und Wasserpfeife rauchend. Sein Schlafzimmer dekorierte er mit Souvenirs seiner Afrikareise. Er nahm den berühmten Schnellläufer Mensen Ernst in Dienst und schickte ihn zwischen Muskau und Berlin hin und her. Und Lucie stellte er den kleinwüchsigen Billy Masser als Sekretär und Gesellschafter zur Seite.

Noch einmal der „Erdbändiger“

Da sich Pückler mit seinem Parkprojekt erneut finanziell übernommen hatte, musste er seine Standesherrschaft Muskau verkaufen. Mit dem Erlös machte er in seinem Erbschloss in Branitz bei Cottbus einen Neuanfang und verwandelte auch diese „Sandbüchse“ in eine Gartenlandschaft. 25 Jahre baute Pückler an dem 620 Hektar großen Areal. Wieder ließ er Zehntausende Kubikmeter Erde umheben und daraus Hügel formen, mehr als hunderttausend Bäume anpflanzen, zahllose Wege-, Rasen- und Wasserflächen errichten. „Erdbändiger“ nannte ihn Rahel Varnhagen.

Fürst-Pückler-Eis (Erdbeer-, Schokolade- und Vanilleeis in Schichten)
Pücklers Name überdauert vor allem als Eisspezialität

„Meine Haupteigenschaft ist der Geschmack – der in allem das möglichst Vollkommenste zu erreichen sucht und es zu finden versteht“, schrieb Pückler über sich und tat sich auch als Feinschmecker und Weinliebhaber hervor. Billy Masser ließ er Tafelbücher führen, in denen die opulenten Menüs sowie illustren Gäste dokumentiert sind. Bekannt ist bis heute das nach ihm benannte Pückler-Eis, eine Kombination aus Vanille, Schokolade und Erdbeere.

Buchhinweise

  • Nicole Bröhan: Fürst Pückler. Eine Biographie. Jaron Verlag, 220 Seiten, 10,30 Euro
  • Ulf Jacob, Simone Neuhäuser, Gert Streidt (Hrsg.): Fürst Pückler. Ein Leben in Bildern. Be.Bra Verlag, 480 Seiten, 35 Euro

Ein Grab wie für einen Pharao

Nach dem Tode seiner Frau verließ Pückler 1854 Branitz, bereiste jahrelang Deutschland und teilte sein Leben zwischen „Hof- und Gartenarbeit“. Bis ins Greisenalter war Müßiggang seine Sache nicht. Als 81-Jähriger meldete er sich 1866 als Freiwilliger zum Deutschen Krieg, verschlief aber die entscheidende Schlacht bei Königgrätz. Auch beim Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 bot er sich zum Militärdienst an, wurde aber seines Alters wegen abgelehnt.

Stoppen konnte den umtriebigen Fürsten, der sich gerade mitten in den Vorbereitungen für eine Italien-Reise befand, erst der Tod am 4. Februar 1871. Seinem letzten Willen gemäß wurde ihm das Herz entnommen und in Schwefelsäure aufgelöst, sein Leichnam in Ätznatron gebettet und in einen Metallsarg gelegt. Bestatten ließ er sich Pharaonen gleich im Tumulus – einer 36 Meter hohen Seepyramide im Branitzer Schlosspark.