Krankenhausmitarbeiter zwischen Ambulanzen
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Portugal

Hälfte aller bisherigen CoV-Toten im Jänner

Portugal ist derzeit eines der am schwersten vom Coronavirus getroffenen Länder weltweit. Wie dramatisch die aktuelle Lage ist, zeigt ein Blick auf die Totenzahlen: Fast die Hälfte aller bisherigen Covid-19-Opfer wurde im Jänner verzeichnet. Die rasante Ausbreitung des Erregers im Land wird auf die Virusvariante B.1.1.7 und großflächige Öffnungen zurückgeführt.

Mit einem Wert von weit über 800 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern hat Portugal momentan eine der höchsten 7-Tage-Inzidenzen weltweit. Die Infektionszahlen waren im Jänner regelrecht explodiert. 43 Prozent aller seit Pandemiebeginn gemeldeten Fälle entfielen auf den Jänner. Im selben Zeitraum starben 5.576 an den Folgen einer Coronavirus-Infektion. Das sind 44 Prozent der gesamten CoV-Toten seit Beginn der Pandemie im Land.

Portugal mit seinen etwas über zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern war verhältnismäßig gut durch die erste Welle gekommen. Im Herbst gingen die Fallzahlen nach oben, die Regierung rief den Katastrophenfall aus. Die strengen Maßnahmen wurden zwischen Weihnachten und Neujahr allerdings gelockert – dies und das Auftreten der erstmals in Großbritannien nachgewiesenen Virusmutation B.1.1.7 sind laut dem sozialistischen Premier Antonio Costa die Gründe für die drastische Verschlechterung der Lage.

Gesundheitssystem vor Zusammenbruch

Das Gesundheitssystem steht am Rande des Zusammenbruchs. Vor den Spitälern bildeten sich lange Schlangen von Rettungswagen mit CoV-Kranken. Die Intensivkapazitäten in den Spitälern auf dem portugiesischen Festland sind ausgelastet, die Belastung für das ärztliche und das pflegende Personal ist immens. Hinzu kommt, dass Medienberichten zufolge 70 Prozent des Pflegepersonals in den Kliniken selbst am Coronavirus erkrankt sein soll.

Leere Straßen in Lissabon
Reuters/Pedro Nunes
Portugal befindet sich seit 15. Jänner im Lockdown

Österreich kündigte an, Portugal in der Krise Beistand zu leisten. Wie das Bundeskanzleramt am Sonntag bekanntgab, wird Österreich die Betreuung und Behandlung portugiesischer Intensivpatientinnen und -patienten übernehmen. Die Details werden mit dem portugiesischen Gesundheitsministerium geklärt. „Österreich hat bereits bisher in der Pandemie Intensivpatienten aus Frankreich, Italien sowie Montenegro aufgenommen und wird nun auch Intensivpatienten aus Portugal aufnehmen“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Hilfe kommt auch aus Deutschland. „Wir werden mit medizinischem Personal und Material helfen“, sagte ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums. Zum Einsatz kommen soll medizinisches Personal der deutschen Bundeswehr, zudem sollen stationäre und mobile Beatmungsgeräte sowie Feldkrankenbetten in das Land geschickt werden.

Grenzkontrollen verschärft

Seit dem 15. Jänner befindet sich Portugal im Lockdown. Die Schulen sind geschlossen, ebenso die Gastronomie und alle Geschäfte, die nicht lebensnotwendige Waren verkaufen. Seit Sonntag ist in dem beliebten Urlaubsland zudem die Ein- und Ausreise ohne triftigen Grund untersagt. An der Landgrenze zum Nachbarn und EU-Partner Spanien wurden – wie bereits im Frühjahr 2020 – wieder Kontrollen eingeführt.

Straßenkontrolle an der Grenze zwischen Portugal und Spanien
APA/AFP/Miguel Riopa
An den Grenzübergängen zu Spanien gibt es verschärfte Kontrollen

An Häfen und Flughäfen wurden zudem nach dem Regierungsdekret die Kontrollen verschärft. Ausnahmen gelten unter anderem für Menschen, die zur Arbeit fahren, an ihren Hauptwohnsitz zurückkehren oder beruflich unterwegs sind, für den Warentransport

Die 1.214 Kilometer lange Landgrenze zwischen Portugal und Spanien war wegen der Pandemie bereits erstmals am 17. März geschlossen worden. Erst am 1. Juli wurde sie im Zuge der seinerzeit stark rückläufigen Zahlen wieder geöffnet.

Impfkampagne wird ausgeweitet

Zudem kündigte die Regierung an, die angelaufene Impfkampagne intensivieren zu wollen. Bisher wurden vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen immunisiert. In den kommenden Wochen soll nun auch verstärkt medizinisches Personal sowie Personen über 50 geimpft werden. Premier Costa hatte als Ziel ausgegeben, dass bis zum Sommer 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung im Land geimpft sein sollen.

Tourismussektor um Jahrzehnte zurückgeworfen

Die Pandemie hat indes auch zu einem Einbruch dem für Portugal so wichtigen Tourismussektor geführt. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Übernachtungen im Vergleich zu 2019 um 63 Prozent auf 26 Mio. eingebrochen, teilte die nationale Statistikbehörde INE mit. Eine niedrigere Zahl sei zuletzt 1993 mit 23,6 Mio. registriert worden, hieß es.

Die Zahl der Touristinnen und Touristen sei um 61,2 Prozent auf 10,5 Mio. gefallen. Das Minus bei den Übernachtungen ausländischer Gäste fiel 2020 nach Angaben der Behörde mit 74,9 Prozent (auf 12,3 Mio.) noch schlimmer aus. Die Übernachtungen von inländischen Gästen gingen laut INE „nur“ um 35,3 Prozent auf 13,6 Mio. zurück.

Die Tourismusbranche ist für die Wirtschaft des kleinen Landes am Südwestzipfel Europas immens wichtig. In den Jahren vor der Pandemie hatte sie ein rapides Wachstum erlebt. 2019 trug sie bereits direkt mit 8,7 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt von Portugal bei. 2014 waren es noch sechs Prozent gewesen. Seit 2013 verdoppelte sich die Zahl der Hotels, Pensionen und Herbergen auf mehr als 6.800. Zuletzt blieb aber circa die Hälfte wegen der Pandemie geschlossen.