Der österreichische Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Helmut Fohringer
Lockdown

Öffnung soll „Perspektiven schaffen“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Dienstag im Morgenjournal den Hintergrund der Öffnungsschritte mit 8. Februar aus dem Lockdown erklärt. Die Situation sei, dass man seit November mehr oder weniger mit kleinen Unterbrechungen Lockdown in Österreich hatte. Er glaube, dass es dringend notwendig sei, dass die Bevölkerung auch wieder eine Perspektive erhalte, eine Perspektive durch vorsichtige Öffnungsschritte, aber auch Verschärfungen, so Anschober.

Wichtig sei, „dass wir Perspektiven schaffen und Sicherheit geben“, so Anschober. Das sei die Mischung, mit der man hoffe, bis Ostern halbwegs über die Runden zu kommen. Man habe massive Verbesserungen verwirklicht. „Wir hatten eine ganz schwierige Situation Mitte November“, so Anschober weiter. „Da war auch unser Gesundheitssystem an der Kippe – mit einer extremen Belastung“, so der Minister weiter. Man merke jedoch jetzt, dass die Abflachung nicht mehr so stattfinde, verwies Anschober auf die jetzige Entwicklung der 7-Tage-Inzidenz. Man müsse achtgeben und sehr vorsichtig öffnen. Man merke auch, dass es in den Intensivstationen noch nicht überstanden sei. Man habe nach wie vor 300 Patienten mehr als sonst.

Auf die Frage, ob es zu einem weiteren Lockdown kommt, sagte Anschober, das hänge wirklich von uns allen ab. „Das ist die zentrale Aussage“, so der Gesundheitsminister. Er merke ja schon, dass sich dieser lange Lockdown mit so wenigen Unterbrechungen abgenützt habe. Die Hoffnung sei jetzt, da man erste Öffnungsschritte jetzt wieder habe, dass sich das Mitmachen und die Einstellung der Bevölkerung wieder deutlich verbessere „und dass wir es gemeinsam schaffen“. Es hänge von uns allen ab, wie sich die Situation entwickle. Sein Ziel sei es, dass man es gemeinsam bis Ostern gut schaffe, „denn zu Ostern werden wir dann die entsprechenden Impfungen schon relativ weit ausgerollt haben“.

Kurz: Soziale und psychologische Aspekte

Auch wenn die Infektionszahlen weiterhin hoch sind, hatte die Bundesregierung am Montag grünes Licht für Lockerungen der CoV-Maßnahmen gegeben. Von der angestrebten 7-Tage-Inzidenz von maximal 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner ist Österreich weiterhin weit entfernt. Man müsse aber auch andere Aspekte berücksichtigen, etwa soziale und psychologische, so Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt. Gemeinsam mit Anschober, dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und dem steirischen Landeshauptmann Herrmann Schützenhöfer (ÖVP) stellte er die Maßnahmen für die Zeit ab dem 8. Februar vor. So dürfen Schulen und Handel wieder aufsperren, aber nur unter strengen Auflagen.

Eine Grafik zeigt die Coronavirus-Lockerungsmaßnahmen ab dem 8.2.
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Rückkehr in die Klassen

Schülerinnen und Schüler aller Schulstufen dürfen mit einer Art von Testpflicht wieder in die Klassen zurückkehren. Die Volksschulen starten nach den Semesterferien (in Wien und NÖ am 8. Februar, der Rest der Bundesländer eine Woche später) im vollständigen Präsenzunterricht. Höhere Schulstufen werden wieder im Schichtbetrieb in zwei Gruppen unterrichtet (Montag und Dienstag sowie Mittwoch und Donnerstag). Am Freitag bleiben die Schüler weiterhin zu Hause.

Pro Woche wird jeweils zweimal getestet, ohne negativen Test stünde Homeschooling an. Am Präsenzunterricht könnten nur jene Schüler teilnehmen, die auch einen Test machen, so Kurz. Dabei gehe es um Nasenvorraumtests, die keinerlei Schmerzen verursachten. In der Oberstufe kommt zudem auch eine FFP2-Maskenpflicht, Details soll ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann am Dienstag darlegen. Die Kindergärten wechseln in den Normalbetrieb.

Mit FFP2 in den Handel

Ab kommender Woche darf auch der Handel unter Auflagen wieder öffnen, dabei wird das Tragen einer FFP2-Maske verpflichtend sein. Zudem gilt künftig eine Quadratmeterbegrenzung von 20, statt wie bisher zehn. Geöffnet werden unter diesen Voraussetzungen auch Museen, Bibliotheken und Tiergärten.

Ein bisschen Öffnung

Nächste Woche gehen Schulen, Handel, Friseure und Museen wieder auf – unter strengen Auflagen allerdings. Gastronomie, Hotels und Kulturveranstaltungen bleiben weiter geschlossen, jedenfalls bis Ende Feber.

Körpernahe Dienstleister wie Friseure dürfen ebenfalls wieder aufsperren, hier sollen nun die „Eintrittstests“ zum Einsatz kommen. Das habe man ja bereits gesetzlich geregelt. Ein solches negatives Testergebnis dürfe nicht älter als 48 Stunden sein und könne etwa in der Apotheke oder beim Arzt erfolgen. Zudem gebe es kostenlose Angebote in den Bundesländern. Die „Wohnzimmertests“ werden hier nicht akzeptiert, weil man einen Nachweis auf Papier oder per SMS braucht. Kontrollieren müssen die Tests die Dienstleister selbst, die Gesundheitsbehörden und die Polizei wiederum kontrollieren die Betriebe, hieß es auf Nachfrage.

Nächtliche Ausgangsbeschränkungen bleiben aufrecht

Ab 8. Februar dürfen einander wieder zwei Haushalte treffen, maximal vier Erwachsene. Die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen zwischen 20.00 und 6.00 Uhr bleiben aufrecht. Verschärfungen soll es im Bereich der Strafen bei Verstößen gegen die CoV-Regeln geben sowie bei den Grenzkontrollen.

Die nächste Evaluierung der Maßnahmen werde in zwei Wochen erfolgen. Dann werde über allfällige weitere Lockerungen gesprochen oder aber auch reagiert, sollten sich die Zahlen verschlechtern. Sollte wieder ein exponentielles Wachstum eintreten, was angesichts der aktuellen Mutationen ein realistisches Szenario sei, werde wieder verschärft, kündigte der Kanzler an.

Anschober setzt Hoffnung auf Impfungen

Bis Ostern sollten eine Million Menschen in Österreich geimpft sein, so Anschober am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Das sei ein realistisches Ziel. „Wir hängen natürlich immer davon ab, wie und ob die Liefertermine seitens der Produktionsfirmen der Schutzimpfungen auch tatsächlich eingehalten werden“, so Anschober. Nach rund 300.000 Dosen, die Österreich im Jänner erhalten und schrittweise verimpft habe, sollte Österreich im Februar 780.000 und im März eine Million Dosen erhalten. Die Anzahl der Dosen sei gemischt: von AstraZeneca, da werde es die ersten Lieferungen nächste Woche geben, und von Pfizer-Biontech. Das seien die zwei großen Firmen, von denen Österreich entsprechende Lieferungen bekomme, und auch von Moderna habe es die erste Kleinlieferung bereits gegeben.

Für das erste Quartal kalkuliere man jetzt einmal nur mit den bisherigen Rahmenbedingungen. Das heißt, AstraZeneca für unter 65-Jährige. Das gehe sich gut aus. Das Ziel könne erreicht werden, wenn die Liefertermine eingehalten werden. „Davon sind wir alle in ganz Europa natürlich abhängig“, so Anschober.

Gesundheitsökonom: „Schwierige Situation“

Der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) zeigte sich am Montag in der ZIB2 angesichts der Lockerungen skeptisch. Er hätte sich wegen der Infektionszahlen noch eine Zeit lang einen strengen Lockdown gewünscht, damit das Contact-Tracing wieder funktionieren könne. Doch die Mitwirkung der Menschen sei von Nöten. „Ich glaube, dass wir uns in eine schwierige Situation gebracht haben“, so Czypionka. Die Bevölkerung sei nicht genügend motiviert worden. Man könne nur hoffen, dass sich die Moral wieder heben lasse.

Gesundheitsökonom Czypionka zu neuen CoV-Regeln

Schulen, Handel, Dienstleister – die Regierung hat heute einige vorsichtige Öffnungen verkündet, obwohl die Coronavirus-Zahlen weiter hoch bleiben. War der Druck von Wirtschaft, der Bevölkerung und nicht zuletzt der Landeshauptleute zu groß? Dazu der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka in der ZIB2.

Beim „Eintrittstesten“ vor dem Friseurtermin sah Czypionka einen Haken. Der Test dürfe maximal 48 Stunden alt sein, das sei zu lange. Der Test müsse vom selben Tag stammen, um aussagekräftig zu sein. Die Tests im Gewerbe und den Schulen würden zu evaluieren sein. „Nur wenn das extrem gut funktioniert, haben wir nicht wieder steigende Zahlen.“ Danach könne man über eventuelle weitere Schritte reden. Es sei im Übrigen eine „Fehlwahrnehmung“, dass viele Infektionen direkt in Geschäften stattfinden würden. Diese passierten eher bei sozialen Interaktionen rund ums Einkaufen sowie beim Warten vor Geschäften. Daher appellierte Czypionka an Händler, nicht mit großen Rabattaktionen zu werben und so Kundenströme anzulocken.

Opposition geteilter Ansicht

Unterschiedliche Reaktionen zu den Öffnungsschritten kamen am Montag von der Opposition. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigte sich skeptisch, ihr gingen die Lockerungen eigentlich zu weit. Die Schulöffnung – mit den Selbsttests – erachtete zwar auch Rendi-Wagner als „richtig und notwendig“. Aber mit den Lockerungen darüber hinaus „geht die Bundesregierung ein großes Risiko ein“. Scheitere man daran, „droht in wenigen Wochen die dritte Welle und der nächste Lockdown. Die Verantwortung dafür trägt die Bundesregierung.“

Erste Öffnungsschritte: Reaktionen

Die Opposition reagiert uneins auf die Lockerungsschritte.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich zufrieden: „Es wird genau das umgesetzt, was wir am Wochenende gefordert haben“, sagte sie. Freilich solle aber die Möglichkeit der Tests in Schulen und bei körpernahen Dienstleistern „gut genutzt“ werden. Sie wies darauf hin, dass auch niederschwellige Testmöglichkeiten in Betrieben möglich gemacht und als Bestätigung herangezogen werden könnten. Wichtig wäre zudem, dass die digitale Kontaktnachverfolgung weiter ausgebaut werde.

Für FPÖ-Chef Norbert Hofer greifen die Öffnungen zu kurz: Nicht nur der Handel, auch Hotellerie und Gastronomie sollten geöffnet werden, damit die Menschen in Cafes und Restaurants gehen können – und sich nicht weiterhin im privaten Bereich, wo keine Sicherheitsregeln eingehalten werden – anstecken. Diesen „Hotspot des Infektionsgeschehens“ habe die Regierung nicht entschärft. Die Öffnung des Handels hielt Hofer für gut, aber Tests vor dem Besuch privater Dienstleister lehnte er ab. Das schaffe eine „Zweiklassengesellschaft“.

Friseure erfreut

Der Handel begrüßte am Montag die Öffnung unter Auflagen als „Hilfe zur Selbsthilfe“, nachdem „aktuell fast ein Drittel der Händler von Zahlungsunfähigkeit betroffen ist“, so Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme. Die Verlängerung des Lockdowns für die Hotellerie und Gastronomie habe allerdings einen sehr negativen Einfluss auf die Kundenfrequenzen und damit auch auf die Umsätze im Handel. „Diese indirekt vom Lockdown betroffenen Betriebe warten seit Monaten auf die entsprechende Richtlinie und somit auch auf die Auszahlung der Corona-Hilfen“, so Will.

Auch Wirtschaftskammer (WKÖ), Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung (IV) begrüßten die Lockerungen als wichtiges Signal. „Das ist ein erster Schritt zurück in die Normalität“, sagte WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik am Montagabend zur APA. Für eine hohe Kundenfrequenz würden aber die Gastronomie und der Tourismus fehlen. Die Öffnungsschritte seien „sowohl psychologisch als auch wirtschaftlich entscheidend für Tausende Existenzen in unserem Land“, sagte WKÖ-Präsident Harald Mahrer.

Für die Friseurbranche mit 9.000 Unternehmen und über 17.000 Beschäftigten sei das „ein großes Aufatmen“, sagte Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder: „Dafür nehmen wir auch stärkere Auflagen in Kauf.“ Die künftig verpflichtenden „Eintrittstests“, die nicht älter als 48 Stunden sein dürfen, bezeichnete Eder als „sinnvoll“. Erfreut zeigten sich auch Direktoren von Museen in Wien über die Öffnung ab 8. Februar – mehr dazu in wien.ORF.at.

Hotels und Gastro enttäuscht

Gastronomie und Hotellerie hingegen müssen geschlossen bleiben. „Für uns war klar, dass der Februar für uns geschlossen bleiben wird“, sagte der Gastronomie-Spartenobmann in der Wirtschaftskammer, Mario Pulker, zur APA. „Das ist beim letzten Gespräch mit dem Bundeskanzler klar kommuniziert worden. Die Öffnungsschritte sind mutig, und wir wären da gern dabei gewesen, aber das spielt’s eben nicht.“ Auch wenn sich das bereits abgezeichnet habe, es „schlägt wieder enorm aufs Gemüt“, so die Präsidentin der Hotellerievereinigung (ÖHV), Michaela Reitterer. „Wir alle brauchen dringend eine Perspektive, Arbeitgeber und Arbeitnehmer“, so Reitterer.

Der Tiroler Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl (ÖVP), auch Seilbahn-Chef in der Wirtschaftskammer, forderte „klare Ansagen“. So müsse besonders für Gastronomie, Hotellerie und die Veranstaltungsbranche das weitere Szenario „so rasch wie möglich skizziert“ werden, verlangte Hörl in einer Aussendung. Für den Tourismus drängte er auf einen „klugen Plan des Hochfahrens“. „Ein Aufsperren der Hotellerie erst eine Woche vor Ostern wäre so, als würde man die Schulen eine Woche vor den Ferien öffnen“, richtete der Zillertaler Hotelier der Bundesregierung aus. Mit den nunmehrigen Lockerungen seien die „ersten Schritte richtig gesetzt, weitere müssen folgen“, so Hörl.