Bild zeigt Festnahmen bei den Protesten nach dem Urteil gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny.
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Nawalny verurteilt

Verletzte und Festnahmen bei Protesten

Bei Protesten in Russland gegen die Verurteilung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hat es Menschenrechtsorganisationen zufolge viele Verletzte gegeben. Das Portal OWD-Info berichtete in der Nacht auf Mittwoch von Festgenommenen, die durch Polizeigewalt etwa an den Händen, Armen und am Kopf Verletzungen erlitten hätten. Die Sicherheitskräfte hätten sich in einigen Fällen geweigert, medizinische Hilfe zu organisieren.

Insgesamt sollen mehr als 1.400 Menschen festgenommen worden sein, die meisten davon in der Hauptstadt Moskau mit 1.116. In neun weiteren Städten seien ebenfalls Demonstrierende in Polizeigewahrsam gekommen. In vielen Fällen müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einer Geldstrafe rechnen – oder mit mehreren Tagen in Haft.

Die Agentur Interfax meldete, mehrere Menschen hätten in Moskau und St. Petersburg ein Krankenhaus oder einen Arzt bzw. eine Ärztin aufgesucht. Im Norden des Landes seien acht Demonstrierende mehr als drei Stunden lang im Gefangenentransporter festgehalten worden.

Festnahmen bei Nawalny-Protesten

Bei den Protesten nach dem Urteil gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny gab es 1.400 Festnahmen.

Urteil für Nawalny: Dreieinhalb Jahre Straflager

Ein Gericht in Moskau hatte Nawalny zu dreieinhalb Jahren Straflagerhaft verurteilt, weil er aus Sicht der Richterin mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstoßen hat. Er war vor rund zwei Wochen nach Russland zurückgekehrt. Er war in Deutschland nach einem Giftanschlag behandelt worden. Nawalny wird ein früherer Hausarrest angerechnet. Dann müsste er zwei Jahre und acht Monate in ein Straflager. Er käme somit im Oktober 2023 wieder frei.

Bild zeigt Festnahmen bei den Protesten nach dem Urteil gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny.
APA/AFP/Kirill Kudryavtsev
Menschen sollen teils über Stunden in Polizeiwagen festgehalten worden sein

Nawalny habe gegen Bewährungsauflagen verstoßen, hieß es zur Begründung. Die Rechtsvertretung des 44-Jährigen kündigten umgehend Berufung an. Das Verfahren galt als politisch motiviert. Seine Vertrauten riefen nach dem Urteil zu Protesten in der Hauptstadt auf. Bereits an den zwei vergangenen Wochenenden hatten im ganzen Land Zehntausende Menschen gegen Staatschef Wladimir Putin demonstriert, über 5.000 wurden festgenommen.

Nawalny hatte sich in der Gerichtsanhörung vehement gegen seine Verurteilung gewehrt und die Russen zum Widerstand gegen Putin aufgerufen. Er machte den Staatschef erneut für den auf ihn verübten Anschlag verantwortlich.

Berichte über Polizeigewalt

Bereits während der mehrstündigen Gerichtsverhandlung nahm die Polizei am Dienstag immer wieder Menschen in Gewahrsam. Bei Protestzügen skandierte die Menge „Freiheit“ und „Putin ist ein Dieb!“. Die Demonstrierenden warfen Putin vor, ihnen demokratische Freiheiten zu rauben. Die Sicherheitskräfte gingen brutal gegen die zumeist jungen Protestierenden vor.

Bild zeigt Proteste in Moskau nach dem Urteil gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny.
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Tausende gingen für Nawalny auf die Straße

Laut Augenzeugen prügelten die Polizisten unter anderem mit Gummiknüppeln auf die Demonstrierenden ein. Von russischen Medien veröffentlichte Videos zeigten, wie Menschen von der Polizei durch die Straßen und auch in die U-Bahn hinein verfolgt wurden. In Videos war auch zu sehen, dass Protestierende von Polizisten aus Taxis gezerrt wurden.

NGO: 11.000 Festnahmen bei jüngsten Protesten

Erneut gerieten auch Journalistinnen und Journalisten ins Visier der Einsatzkräfte. Es gab mehrere Festnahmen. In einem Video war zu sehen, wie ein Beamter der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON auf einen Medienvertreter einschlug, der dann auf dem Boden liegen blieb. Bereits am Sonntag gab es international Kritik wegen der Polizeigewalt. Es wurden am Sonntag rund 5.500 Menschen festgenommen.

Seit Beginn der jüngsten Protestwelle von Anhängerinnen und Anhängern Nawalnys wurden laut OWD-Info mehr als 11.000 Demonstrierende in Russland festgenommen. Viele von ihnen seien über Stunden „unter schrecklichen Bedingungen“ festgehalten worden, sagte ein Vertreter von OWD-Info am Mittwoch dem Radiosender Moskauer Echo. Sie hätten ohne Essen und ohne Möglichkeit, eine Toilette aufzusuchen, ausharren müssen. Anwälten von OWD-Info sei teilweise der Zugang zu den festgenommenen Demonstrierenden verweigert worden.

Internationale Aufregung

Das Urteil rief internationale Empörung hervor. Auch Österreich sprach sich für die „sofortige und bedingungslose Freilassung“ aus. „Seine Menschenrechte und Grundfreiheiten müssen respektiert werden, genau so wie jene aller anderen Protestierenden und Medienvertreter, die in den vergangenen Tagen festgenommen wurden“, schrieb das Außenministerium am Dienstagabend in englischer Sprache auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Verurteilung sei „inakzeptabel“, schrieb Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf Twitter. „Ich fordere seine sofortige Freilassung sowie ein Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten“, so Kurz. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) twitterte am Mittwoch: „Die Verurteilung des Putin-Kritikers Nawalny erfolgte willkürlich und ohne Einhaltung rechtsstaatlicher Standards.“

Weiters hieß es in Koglers Tweet: „Ein harter Rückschlag für alle Hoffnungen auf eine Entwicklung Russlands Richtung Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Nur die Freilassung Nawalnys, die Zulassung zu den Parlamentswahlen und die Grundrechte für seine Bewegung könnten diese aktuelle gefährliche Entwicklung in #Russland umkehren.“ ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg sprach im Ö1-Mittagsjournal von einer „Täter-Opfer-Umkehr“ und einem „gewaltigen Schatten auf unseren Beziehungen“. Die EU könne gezielte Sanktionen ins Auge fassen.

Leitl erinnert Russland an „europäische Werte“

„Es steht außer Frage, dass man die Vorkommnisse in Russland nicht widerspruchslos akzeptieren kann“, sagte am Mittwoch der Kovorsitzende des österreichisch-russischen Sotschi-Dialogs, Christoph Leitl, zur mehrjährigen Haftstrafe Nawalnys. Leitl plädierte im Telefonat mit der APA gleichzeitig dafür, nicht mit Wirtschaftssanktionen auf die Causa zu antworten.

„Ein Land, das sich zu europäischen Werten bekannt und deshalb auch die Mitgliedschaft im Europarat hat, muss sich auch der damit verbundenen Konsequenzen bewusst sein“, erklärte Leitl. Er erwarte sich von Russland eine Haltung, die nicht auf Kritik an den Kritikern hinauslaufe, sondern auf einen offenen Dialog. Er forderte, die Möglichkeiten von Politik und Diplomatie auszureizen.

Die russische Regierung wies die internationale Kritik an dem Urteil als „Einmischung“ zurück. Die Forderungen „westlicher Kollegen“ nach Freilassung Nawalnys seien „von der Realität abgekoppelt“, zitierten russische Nachrichtenagenturen eine Sprecherin des Außenministeriums. Russland verteidigte das harte Vorgehen der Polizei. Illegale Proteste müssten aufgelöst werden, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau. Die Protestaufrufe von Nawalny-Verbündeten seien zudem eine Provokation gewesen.

Direkt nach Rückkehr festgenommen

Der auf Nachforschungen zu Korruption spezialisierte Oppositionelle war 2014 wegen des Vorwurfs der Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Nun wurde dem 44-Jährigen unter anderem vorgeworfen, er habe sich während seines Aufenthalts in Deutschland nicht zweimal monatlich bei den Behörden gemeldet.

Große Proteste gegen Nawalnys Haftsstrafe

Dreieinhalb Jahre soll der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ins Gefängnis – das verkündete am Dienstag ein Gericht in Moskau. Seine Anwälte wollen in Berufung gehen. Tausende Menschen protestierten gegen das Urteil.

Der Kreml-Kritiker bestritt vor Gericht, gegen die Bewährungsauflagen verstoßen zu haben. Er habe den russischen Behörden seine deutsche Adresse mitgeteilt, sagte er. Nach Deutschland war Nawalny nach dem in Sibirien verübten Giftanschlag gebracht worden, durch den er beinahe getötet worden wäre.

Nawalny wurde direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland am 17. Jänner auf dem Flughafen in Moskau festgenommen und im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt. Es war eine von bereits mehreren kürzeren Haftstrafen gegen Nawalny, lange Zeitstrecken wie die nun drohenden fast drei Jahre war er aber noch nie in Haft.