Blick auf Innsbruck
ORF.at/Zita Klimek
CoV-Mutationen

Regierung prüft für Tirol alle Optionen

Die zunehmende Verbreitung von Coronavirus-Mutationen könnte in Teilen Österreichs zu einer deutlichen Verschärfung der Maßnahmen führen. Im Fokus ist die von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) als „ernst“ bezeichnete Lage in Tirol – selbst eine Abschottung des gesamten Bundeslandes liegt offenbar auf dem Tisch.

Das Land Tirol habe, wie Anschober am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien sagte, noch am Mittwoch ein „sehr straffes Fünfpunkteprogramm aufgestellt, mit dem die Situation genau untersucht werden soll“. Die Regierung prüfe derzeit mit Experten alle Optionen, wie die APA mit Verweis auf mit der Sache vertraute Kreise am Vormittag berichtete.

Anlass zur Sorge bereite die Verbreitung einer zunächst in Südafrika aufgetretenen CoV-Mutation bzw. Varianten davon. Das könnte den APA-Angaben zufolge in Tirol zu einer Abschottung einzelner Gebiete führen. Es sei aber auch nicht ausgeschlossen, dass das ganze Land unter Quarantäne gestellt wird.

Virologin schlägt Alarm

Eine Entscheidung wird am Tag vor der bisher für ganz Österreich angekündigten Lockdown-Lockerung am Montag erwartet. „Diese paar Tage abzuwarten ist notwendig“, sagte Anschober. Er habe den Eindruck, dass Tirol „selbstverständlich“ der Ernst der Lage klar sei. Am Sonntag ist laut Anschober der „Tag der Bilanz“, dem wolle er nicht vorausgreifen und weder etwas vorhersagen noch ausschließen.

Sorge wegen Mutationen in Tirol

Rund ein Jahr nachdem der Skiort Ischgl als Covid-19-Hotspot international für Aufsehen gesorgt hat, gibt nun eine in Tirol gehäuft auftretende Coronavirus-Mutation Anlass zur Sorge.

Die Virologin Dorothee von Laer von der Meduni Innsbruck vertrat in Interviews indes bereits am Mittwoch die Ansicht, dass das Bundesland angesichts des Auftretens neuer lokaler Coronavirus-Varianten für einen Monat isoliert werden müsse. Die Beraterin der Bundesregierung übte in diesem Zusammenhang auch Kritik am Land Tirol im Umgang mit den Mutationen und warnte vor einem „zweiten Ischgl“.

„Klar ist, dass wir ein Problem haben“

Nach Informationen der APA sind die anderen Experten, welche die Regierung beraten, nicht alle der Meinung der Virologin. Es würden unterschiedliche Zahlen vorliegen, die nun geprüft werden müssten. So soll es entgegen der Aussage von Laers keine eigene Tirol-Mutation der Variante B.1.351 geben. Die Regierung sei sich aber der Problematik bewusst.

Klar sei, „dass wir ein Problem haben“, sagte der Virologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. „Augenscheinlich“ sei die auffallende Häufung der „südafrikanischen Variante“ in Tirol. Vergleichbare Fälle gebe es in Europa nur wenige, so Bergthaler.

Was die weitere Vorgangsweise betrifft, muss man sich laut Bergthaler noch genau anschauen, ob und wie man regional auf die Situation einwirken könne. Die Frage, ob eine Abschottung des gesamten Bundeslandes notwendig und sinnvoll sei, ließ Bergthaler mit Verweis auf die noch nicht im ausreichenden Maße vorliegenden Daten offen.

Platter kündigt Massentests an

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erteilte am Donnerstag einer möglichen Isolation Tirols aufgrund der Ausbreitung der Variante eine Absage. Man nehme die Situation zwar „sehr ernst“. Eine Verlängerung des Lockdowns sei aber nicht angedacht. Laut Platter will das Land nun unter anderem die Testkapazitäten deutlich erhöhen – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Tirol war während der ersten Coronavirus-Welle bereits für mehrere Wochen weitgehend abgeschottet: Von Mitte März bis Anfang April 2020 wurden alle 279 Gemeinden des Bundeslandes unter Quarantäne gestellt und die Grenzen geschlossen. Diese Vollquarantäne war jedoch rechtswidrig, erkannte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Mitte Jänner.

Die am 20. März vergangenen Jahres erlassenen Verordnungen, die das Überschreiten des eigenen Gemeindegebiets verboten hatten, wurden rückwirkend aufgehoben. Ab dem 5. April seien die Bestimmungen jedoch durch das Epidemiegesetz gedeckt gewesen, hieß es. Gekippt wurde zudem das Verbot des Verlassens des eigenen Wohnsitzes. Dieses war laut VfGH ebenfalls gesetzwidrig.

SPÖ: „Bis Sonntag zu warten ist keine Option“

Kritik an der angekündigten Vorgangsweise kam von der SPÖ. „Bis Sonntag zu warten ist keine Option“, so SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher, der per Aussendung Anschober aufforderte, angesichts der Lage in Tirol „endlich aktiv zu werden“. Der Gesundheitsminister müsse Platter „sofort per Weisung zum Handeln verpflichten und alle nötigen Schutzmaßnahmen vorgeben“.

Wenn das der Landeshauptmann nicht tue, sei der Gesundheitsminister gefordert, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried. Dieser wollte in einer Pressekonferenz aber nicht beurteilen, ob eine Isolierung Tirols nötig sei. Allerdings erinnerte er daran, dass es eigentlich eine Coronavirus-Ampel gebe, um auf solche Dinge reagieren zu können.