Serbische Medizinerin zeigt den russische Sputnik V Impfstoff und den chinesische Sinopharm Impfstoff
APA/AFP/Oliver Bunic
Impfstoffe

Freie Wahl in Serbien

Während in anderen Ländern Streit über schleppende Lieferungen der Coronavirus-Impfstoffe ausgebrochen ist, steht Serbien mit seiner Versorgung gut da. In dem Land können die Menschen wählen, welches Vakzin sie bevorzugen. Serbien verfügt über Impfstoffe verschiedener Quellen, auch aus Russland und China – mit möglichen geopolitischen Folgen.

In Serbien wird schneller geimpft als anderswo auf dem Balkan – und auch schneller als in der EU. Ende Jänner hatten bereits rund 400.000 Menschen eine Impfung erhalten. In Österreich waren da rund 215.000 Dosen ausgeliefert. Inzwischen kletterte die Zahl der geimpften Serbinnen und Serben auf mehr als eine halbe Million bei rund sieben Millionen Einwohnern.

In dem Balkan-Land wird vor allem mit dem chinesischen Impfstoff von Sinopharm geimpft. Im Rahmen des serbischen Massenimpfprogramms können die Menschen zwischen dem chinesischen Vakzin und jenen von Biontech und Pfizer sowie Russlands „Sputnik V“ wählen. Die Impflinge können auch einen Impfstoff auswählen, der an einem bestimmten Tag verfügbar ist, falls es schnell gehen soll.

Platz zwei in Europa

Die Regierung in Belgrad hatte sich durch Abkommen mit anderen Staaten und direkt mit Herstellern genug Dosen gesichert, bisher eine Million aus China und Zehntausende von anderen Stellen. Verhandelt wird auch über die Produktion von „Sputnik V“ in Serbien selbst. Präsident Aleksandar Vucic gab am Mittwoch an, in Peking und Moskau bereits um mehr Lieferungen angefragt zu haben. Die Bevölkerung habe „tiefes Vertrauen in Chinas Vakzin, den chinesischen Staat und seine Experten“, so Vucic.

Christian Wehrschütz (ORF) zur Impfsituation auf dem Balkan

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz berichtet über die Impfsituation auf dem Balkan, speziell in Serbien.

Nun liegt das Land bei der Impfrate in Europa hinter Großbritannien auf Platz zwei, wie Reuters meldet. Verimpft wird „Sputnik V“ auch im serbischen Landesteil von Bosnien und Herzegowina, der Republika Srpska. 2.000 Dosen wurden in die serbisch dominierte Region geliefert, es war die erste Lieferung nach Bosnien überhaupt.

Chinas „Impfdiplomatie“

Das eng mit Russland verbundene Serbien hatte wenig Auswahl, als sich anderswo als in der EU nach Impfstoff umzusehen. Über COVAX, das globale Verteilungsprogramm der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der EU und Frankreichs, sind laut Angaben aus Belgrad bisher gar keine Lieferungen angekommen. COVAX soll weltweit einen gleichmäßigen und gerechten Zugang zu den Impfstoffen gewährleisten. Auch der Stoff von Biontech und Pfizer wurde nicht via COVAX nach Serbien geliefert, sondern auf eigenes Betreiben des Landes.

In der EU herrscht nun ein Streit über Lieferungen und Bevorzugungen. Sowohl „Sputnik V“ als auch das Präparat von Sinopharm sind in der EU nicht zugelassen. Nun glänzt vor allem China in dem europäischen Land durch seine Strategie der „Impfdiplomatie“. Durch großzügige und rasche Lieferungen erhöht die Volksrepublik ihren Einfluss in Serbien. Bereits vor einem Jahr hatte Vucic gesagt, es gebe „keine europäische Solidarität“. Nur China könne Serbien im Kampf gegen das Virus helfen. Bei der ersten Lieferung war Vucic persönlich dabei und zelebrierte die Freundschaft zwischen Belgrad und Peking. Die Zulassung des chinesischen Vakzins erfolgte erst zwei Tage nach der Anlieferung.

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic
Reuters/Marko Djurica
Vucic nahm im Jänner die erste Lieferung aus China persönlich auf dem Nikola-Tesla-Flughafen in Empfang

EU „in Hintergrund gedrängt“

Auch wenn die EU seit vielen Jahren Serbiens wichtigste Handelspartnerin und Investorin ist und zudem das serbische Gesundheitssystem unterstütze, werde „sie nun in den Hintergrund gedrängt“, so der serbische Politologe Stefan Vladisavljev in einem Beitrag für das Magazin „The Diplomat“. „Einmal mehr steht Serbien zwischen West und Ost. Während der EU-Beitritt Serbiens erklärtes außenpolitisches Ziel bleibt, wird die Zusammenarbeit mit östlichen Partnern aktiv verfolgt und verbessert.“ Serbiens Entscheidung, China um Impfstoff zu bitten, sei nicht nur Teil der Pandemiebekämpfung, sondern auch Gegenstand seiner Außenpolitik, so Vladisavljev.

In Serbien werden auch chinesische Arbeitnehmer geimpft, die seit Jahren beim Bau von Infrastrukturprojekten beschäftigt sind. Solche Projekte werden oft von chinesischen Firmen umgesetzt mit Hilfe von Darlehen, die Serbien von chinesischen Banken erhielt. Auch in Kupferminen und Fabriken sind Chinesen beschäftigt, als Ergebnis chinesischer Direktinvestitionen in Serbien.

Auch Chinas Technologieriese Huawei ist beteiligt. Der Konzern eröffnete in Belgrad voriges Jahr ein Innovationszentrum für digitale Transformation, bereits 2017 wurde eine Vereinbarung zur strategischen Kooperation mit dem serbischen Innenministerium unterzeichnet. Hunderte Gesichtserkennungskameras in Belgrad wurden vereinbart. Beim künftigen Ausbau des 5G-Netzes in Serbien wird Huawei das Rückgrat bilden.

Kritik und Gegenkritik

Aus der EU gibt es Kritik an Chinas Einflussnahme in Serbien. Eine parteiübergreifende Gruppe von EU-Parlamentariern schrieb im Jänner einen Brief an Erweiterungskommissar Oliver Varhely, in dem die Sorge darüber zum Ausdruck kommt.

In Serbien sieht man die Lage anders. Statt Unterstützung in Form von Impfstoffen komme Kritik aus der EU. „Ich glaube, Serbien war eines der wenigen Länder, die den Kauf und Vertrieb von Impfstoffen als Gesundheitsproblem und nicht als politisches Problem betrachteten. Deshalb sind wir erfolgreich“, sagte Premierministerin Ana Brnabic.