Tirols Landeshauptmann Günther Platter
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CoV-Mutationen

Platter erteilt Isolation Tirols Absage

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat einer möglichen Isolation Tirols aufgrund der Ausbreitung der Coronavirus-Variante B.1.351 am Donnerstag eine Absage erteilt. „Das gibt die Datenlage nicht her“, sagte Platter im Tiroler Landtag. Kurz zuvor bezeichnete Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) die Lage in Tirol als „ernst“. Selbst die Abschottung des gesamten Bundeslandes werde einem Bericht zufolge geprüft.

Laut Platter muss man „natürlich immer auf der Hut sein“. Dennoch müsse darauf geachtet werden, „dass die Verhältnismäßigkeit gegeben ist“. Eine zunächst in Südafrika aufgetretene CoV-Mutation wurde bisher 75-mal identifiziert – nur fünf Betroffene galten noch als aktive Fälle. In den vergangenen drei Tagen habe man sich mit Experten beraten, wobei beschlossen wurde, dass die Kontaktnachverfolgung und das Testen intensiviert werden sollen, so Platter.

Zudem werde „täglich evaluiert“, welche Auffälligkeiten es gebe. Schließlich könne man in Tirol auf eine gute Datenlage zurückgreifen, nachdem seit Jänner – als die ersten Mutationsfälle in Jochberg aufgetaucht waren – alle PCR-Proben sequenziert werden. „Ich behaupte, wir sind das erste Bundesland, das mit diesen Sequenzierungen begonnen hat“, sagte Platter.

Reporterin Sybille Brunner vor dem Innsbrucker Kongress

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat einer Isolation des Landes – trotz der Gefahr durch Virusmutationen – bereits eine Absage erteilt. Wie begründet er das? Sybille Brunner berichtet.

Massentests und mehr Personal für Kontaktverfolgung

Wie der Tiroler Landeshauptmann mit Verweis auf ein Treffen mit den Klubobleuten der im Landtag vertretenen Parteien noch sagte, werde die nunmehrige Vorgangsweise von allen „durchaus akzeptiert“. Erneut verwies er auf die bereits am Mittwoch genannten Vorhaben wie Massentests „insbesondere im Bezirk Schwaz und Umgebung“.

In puncto Kontaktnachverfolgung werde das Personal aufgestockt und die Polizei eingebunden. „Außerdem testen wir alle K1-Personen ohne Symptome und alle K2-Personen mit einem PCR-Test, der dann sequenziert wird“, so Platter, der auch eine Nachschärfung der Sicherheits- und Hygienekonzepte in den Alters- und Pflegeheimen ankündigte – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Regierung prüft alle Optionen

Nach Angaben von Gesundheitsminister Anschober habe das Land Tirol ein „sehr straffes Fünfpunkteprogramm aufgestellt, mit dem die Situation genau untersucht werden soll“. Die Regierung prüfe derzeit mit Experten dennoch alle Optionen, wie die APA mit Verweis auf mit der Sache vertraute Kreise am Vormittag berichtete. Neben verschärften Maßnahmen für einzelne Gebiete werde auch eine Abschottung des ganzen Bundeslandes nicht ausgeschlossen.

Virologin schlägt Alarm

Eine Entscheidung wird am Tag vor der bisher für ganz Österreich angekündigten Lockdown-Lockerung am Montag erwartet. „Diese paar Tage abzuwarten ist notwendig“, sagte Anschober. Er habe den Eindruck, dass Tirol „selbstverständlich“ der Ernst der Lage klar sei. Am Sonntag ist laut Anschober der „Tag der Bilanz“, dem wolle er nicht vorausgreifen und weder etwas vorhersagen noch ausschließen.

Die Virologin Dorothee von Laer von der Meduni Innsbruck vertrat in Interviews bereits am Mittwoch die Ansicht, dass das Bundesland angesichts des Auftretens neuer lokaler Coronavirus-Varianten für einen Monat isoliert werden müsse. Die Beraterin der Bundesregierung übte in diesem Zusammenhang auch Kritik am Land Tirol im Umgang mit den Mutationen und warnte vor einem „zweiten Ischgl“.

Sorge wegen Mutationen in Tirol

Rund ein Jahr nachdem der Skiort Ischgl als Covid-19-Hotspot international für Aufsehen gesorgt hat, gibt nun eine in Tirol gehäuft auftretende Coronavirus-Mutation Anlass zur Sorge.

„Klar ist, dass wir ein Problem haben“

Nach Informationen der APA sind nicht alle Experten, welche die Regierung beraten, der Meinung der Virologin. Es würden unterschiedliche Zahlen vorliegen, die nun geprüft werden müssten. So soll es entgegen der Aussage von Laers keine eigene Tirol-Mutation der Variante B.1.351 geben. Die Regierung sei sich aber der Problematik bewusst.

Klar sei, „dass wir ein Problem haben“, sagte der Virologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. „Augenscheinlich“ sei die auffallende Häufung der „südafrikanischen Variante“ in Tirol. Vergleichbare Fälle gebe es in Europa nur wenige, so Bergthaler.

Was die weitere Vorgangsweise betrifft, muss man sich laut Bergthaler noch genau anschauen, ob und wie man regional auf die Situation einwirken könne. Die Frage, ob eine Abschottung des gesamten Bundeslandes notwendig und sinnvoll sei, ließ er mit Verweis auf „noch nicht im ausreichenden Maße“ vorliegende Daten offen.

„Keine gute Idee“

„Wir sind nicht auf einer Insel, wo wir über so etwas reden könnten und wo es Sinn machen würde“, sagte indes der Innsbrucker Infektiologe und Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss. Der Mediziner, der auch dem Beraterstab im Gesundheitsministerium angehört, kann auch mit einer etwaigen Verlängerung des Lockdowns nichts anfangen. „Das ist keine gute Idee“, wie Weiss laut APA dazu sagt.

Ralf Herwig von HG Pharma, jenem Labor, das den Großteil der Tiroler PCR-Proben auswertet, sagte, es gebe derzeit keine exponentielle Steigerung bei den Mutationsfällen, vielmehr sei die Kurve tendenziell rückläufig. Seiner Meinung nach sei es derzeit nicht gerechtfertigt, Tirol abzuriegeln, sagte Herwig zur APA.

Erinnerung an Frühjahr 2020

Tirol war während der ersten Coronavirus-Welle bereits für mehrere Wochen weitgehend abgeschottet: Von Mitte März bis Anfang April 2020 wurden alle 279 Gemeinden des Bundeslandes unter Quarantäne gestellt und die Grenzen geschlossen. Diese Vollquarantäne war jedoch rechtswidrig, erkannte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Mitte Jänner.

Die am 20. März vergangenen Jahres erlassenen Verordnungen, die das Überschreiten des eigenen Gemeindegebiets verboten hatten, wurden rückwirkend aufgehoben. Ab dem 5. April seien die Bestimmungen jedoch durch das Epidemiegesetz gedeckt gewesen, hieß es. Gekippt wurde zudem das Verbot des Verlassens des eigenen Wohnsitzes. Dieses war laut VfGH ebenfalls gesetzwidrig.

SPÖ: „Bis Sonntag zu warten ist keine Option“

Kritik an der von Anschober angekündigten Vorgangsweise kam von der SPÖ. „Bis Sonntag zu warten ist keine Option“, so SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher, der per Aussendung Anschober aufforderte, angesichts der Lage in Tirol „endlich aktiv zu werden“. Der Gesundheitsminister müsse Platter „sofort per Weisung zum Handeln verpflichten und alle nötigen Schutzmaßnahmen vorgeben“.

Wenn das der Landeshauptmann nicht tue, sei der Gesundheitsminister gefordert, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried. Dieser wollte in einer Pressekonferenz aber nicht beurteilen, ob eine Isolierung Tirols nötig sei. Allerdings erinnerte er daran, dass es eigentlich eine Coronavirus-Ampel gebe, um auf solche Dinge reagieren zu können.