Ein Schild mit Lockdown-Abverkaugfs-Angeboten
APA/Barbara Gindl
Handel öffnet

Mit Rabattschlacht aus dem Lockdown

Nach einer sechswöchigen Zwangspause dürfen nun wieder alle Geschäfte – wenn auch mit Einschränkungen – öffnen. Wie sich bereits im Vorfeld abzeichnete, geht das Ende des coronavirusbedingten Lockdowns wohl mit einer beispiellosen Rabattschlacht einher. Branchenvertreter sprechen von einem lang herbeigesehnten Hoffnungsschimmer – und verweisen auf die für Geschäfte vorgeschriebenen CoV-Maßnahmen, womit etwa laut Handelsverband „einem sicheren Einkaufserlebnis nichts im Wege steht“.

Ob mit „Alles zum halben Preis“, „Riesen-Lockdown-Ausverkauf“ oder „Größter Abverkauf aller Zeiten“: Aufrufe für die anstehende Schnäppchenjagd kamen im Vorfeld etwa vom Mode-, Sportartikel- und Elektronikhandel. Der Hintergrund sind übervolle Lager – und die auslaufende Saison.

Wie Wirtschaftskammer-Handelsobmann Rainer Trefelik dazu sagte, wird es „ohne Rabatte nicht gehen“. Nachdem der Großteil der heimischen Geschäfte seit Weihnachten nicht offen hatte, werden laut Trefelik viele Kunden aber auch noch Waren umtauschen und Gutscheine einlösen. Zudem könnten Händler etwa im Möbel- und Elektronikartikelbereich auf Nachziehkäufe hoffen.

Ausverkauf im Handel
ORF.at/Roland Winkler
Nach sechs Wochen Zwangspause öffnen viele Geschäfte mit saftigen Rabatten

„Da braucht sich keiner aufregen“

Wie Trefelik rechnet auch Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will mit teilweise „massiven Rabatten“: „Die Preise werden purzeln, weil die Lager prallvoll sind mit Winter- und Weihnachtsware und die neue Frühlings- und Jahresware angekauft werden muss.“ Unter anderem der Modebereich gehe „in Ware unter“, so Trefelik: „Da braucht sich keiner aufregen, dass wir mit Rabatten arbeiten.“ Viele Händler müssten Teile ihres Sortiments nach dem wochenlangen Lockdown mit hohen Preisnachlässen abverkaufen, um wieder Geld in die Kassen zu bekommen.

Der Handelsverband erwartet, dass dem Handel auch im Lockdown „light“ noch zwischen 250 und 300 Millionen Euro Umsatz wöchentlich verloren gehen, weil die Kundenfrequenz durch Hygieneeinschränkungen und die bis vorerst Ende Februar gesperrte Gastronomie deutlich niedriger sein wird als in Vorkrisenzeiten. Dazu kommt die Sorge vor einem neuerlichen harten Lockdown. „Wenn wir nach kurzer Zeit wieder schließen müssten, dann wäre es eine doppelte Katastrophe“, sagte Will mit Blick auf die Ausbreitung von Coronavirus-Mutationen.

Man hoffe „auf eine dauerhafte Öffnung, denn einen vierten harten Lockdown würden viele Händler wirtschaftlich nicht überleben“, teilte der Handelsverband am Sonntag per Aussendung mit. Gegen eine neuerliche Schließung sprechen diesem zufolge aber auch „diverse wissenschaftliche Studien“. Der Handel sei „kein Corona-Hotspot, dafür sind die Aufenthaltsdauern zu gering und der Kundenkontakt zu lose“.

Lockdown seit 26. Dezember

In Österreich durften seit 26. Dezember nur Geschäfte für den täglichen Bedarf, unter anderem Supermärkte, Apotheken, Drogeriemärkte und Trafiken, offen haben. Im dritten Lockdown war es den restlichen Händlern aber erlaubt, Vorbestellung und Abholung („Click & Collect“) anzubieten. Rund 22.500 stationäre Händler und damit Geschäfte mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als neun Millionen Quadratmetern hatten für die Kundschaft verschlossen.

Verschärfte Hygienemaßnahmen

Seit 25. Jänner gibt es eine FFP2-Maskenpflicht in Geschäften des täglichen Bedarfs, mit der Öffnung am Montag gilt sie für den gesamten Handel. Die von der WKÖ zum 4. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung veröffentlichten Informationen für den Handel verweisen unter anderem auch auf einen Abstand von mindestens zwei Metern gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Zudem dürfen „maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich sein, dass pro Kunde 20 Quadratmeter zur Verfügung stehen“.

In dem von der Wirtschaftskammer veröffentlichten „Maßnahmenkatalog für sicheres Aufsperren im Handel“ finden sich weitgehendere Maßnahmen, darunter auch die Empfehlung an Kunden, auch bei Warteschlangen im öffentlichen Raum FFP2-Masken zu tragen. Zudem sollten „Hotspot-Geschäfte bei großem Kundenandrang“ ohnehin Vorkehrungen treffen, um etwaige „Menschenschlangen zu limitieren“. Dazu kommen weitere Empfehlungen, um eine „Entzerrung der Kundenströme zu gewährleisten“, und in diesem Zusammenhang auch ein Appell zur Einschränkung von Rabattaktionen und Eröffnungsangeboten.

„Lagerdruck ist hoch“

WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik verweist im ORF-III-Interview auf einen sehr hohen „Lagerdruck“ – an Rabattaktionen werde wohl kein Weg vorbeiführen.

Mehr Essen, kaum Gewand und Schuhe

Wie aus zuletzt veröffentlichten Statistik-Austria-Daten hervorgeht, hat die Coronavirus-Krise den heimischen Handel zweigeteilt. Während der Lebensmittelhandel im vergangenen Jahr reale Umsatzzuwächse von sieben Prozent erzielte, brachen die Absätze im Handel abseits der Grundversorgung im Schnitt um 3,9 Prozent ein. Besonders schwer traf es den Bekleidungs- und Schuhhandel mit realen Umsatzrückgängen von durchschnittlich mehr als einem Fünftel (22,4 Prozent).

Zu den Gewinnern zählte neben dem Lebensmittelhandel auch der Versand- und Interneteinzelhandel mit realen Umsatzzuwächsen von fast 17 Prozent. Auch Möbel, Heimwerkerbedarf und Elektrowaren waren im Gesamtjahr 2020 sehr gefragt, sodass die Geschäfte im Schnitt (real) etwa vier Prozent mehr umsetzten.

In Apotheken und im Kosmetikhandel gingen die Umsätze in diesem Zeitraum leicht um 1,8 Prozent zurück. Sportartikelhändler und Buchgeschäfte, die die Statistik im „sonstigen Einzelhandel“ zusammenfasst, mussten ebenfalls reale Umsatzrückgänge von 4,8 Prozent hinnehmen. Laut vorläufigen Daten der Statistik Austria erzielten die Einzelhandelsunternehmen im vergangenen Jahr eine nominelle Umsatzsteigerung von 0,1 Prozent, unter Berücksichtigung der Preisentwicklung aber einen Rückgang von 0,3 Prozent.

Abgeschriebene Saison

Bereits weitehend abgeschrieben hat die Saison indes der touristische Sportartikelhandel. „Ohne Auslandstourismus gehen die Umsätze der Händler gegen null“, wie Michael Nendwich, WKÖ-Vorsitzender für den Berufszweig Sportartikelhandel, per Aussendung mitteilte. „Wirtschaftlich zu retten ist diese Wintersaison 2020/2021 für die touristischen Sportartikelhändler nicht mehr“, so Nendwich, der in diesem Zusammenhang von einem bereits eingetretenen „Worst-Case-Szenario“ sprach.

Geht es nach dem Handelsexperten der KMU Forschung Austria, Wolfgang Ziniel, seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie derzeit ohhnehin für den gesamten heimischen Handel noch schwer absehbar. So habe bereits vor der Pandemie rund ein Drittel der Händler in ihrem Geschäftsabschluss einen Verlust ausgewiesen: „Entwicklungen, die vor Corona begonnen haben, werden sich nun ganz besonders zuspitzen“.

WIFO: Kein Konsumboom erwartet

Josef Baumgartner vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) rechnet ungeachtet der im vergangenen Jahr von den Österreicherinnen und Österreichern zusätzlich angesparten Gelder in Höhe von rund 17 Milliarden Euro nun auch keinen „Konsumboom“. Vielmehr erwartet Baumgartner eher ein normales Ausgabeverhalten, soweit es die Umstände – Stichwort Kundenbeschränkung, Masken- und Testpflicht – zuließen.

Auch laut Ernst Gittenberger vom Institut für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) wird es kein „verfrühtes Frühlingserwachen“ geben. Geschlossene Gastronomie und Maskenpflicht würden sich negativ auf Kauferlebnis, Verweildauer und Ausgaben auswirken, so der Handelsexperte. Zudem würden die hohe Sparquote, hohe Arbeitslosigkeit und die allgemeine Verunsicherung der Konsumenten eher dagegen sprechen.