Kinder auf dem Gang einer Schule
Reuters/Leonhard Foeger
Semesterbeginn

Praxistest für neue Schulregeln

Mit Montag kehren die Schüler und Schülerinnen in Wien und Niederösterreich in die Schulen zurück – zumindest teilweise. Mit wöchentlichen Tests gibt es in den Volksschulen vollständigen Präsenzunterricht, in den anderen Schulen Schichtbetrieb. ÖVP-Bildungsminster Heinz Faßmann verteidigte am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ die Vorgangsweise. Einige Fragen werden sich aber wohl erst in der Praxis klären.

Die Regeln wurden zudem am Freitag noch mit mehreren Ausnahmen überarbeitet. Faßmann warb im Vorfeld auch für Toleranz, wenn es nicht beim erstem Mal reibungslos funktioniert". Die Rückkehr in den Präsenzunterricht mit der Begleitung durch Coronavirus-Selbsttests sei „ein Riesenprojekt“, dem Bildungsminister zufolge habe man aber ein „ordendliches Konzept entworfen“.

Angesichts von Berichten aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie und aus der Bildungspsychologie, die auf deutlich negative Auswirkungen der Schulabsenz hinweisen, sowie vielfach stark belasteter Eltern, sei die Rückkehr „dringend notwendig“. „Ich bin froh, dass wir wieder Schule haben“, wie Faßmann dazu in der „Pressesstunde“ sagte.

Schulöffnung trotz hoher 7-Tage-Inzidenz

An den Volksschulen und in den ersten vier Schulstufen der Sonderschule sind alle getesteten Schüler an allen fünf Tagen der Woche in der Schule. An den anderen Schulen gibt es eine Teilung der Klassen in zwei gleich große Gruppen: Gruppe A hat am Montag und Dienstag Unterricht in der Schule, Gruppe B am Mittwoch und Donnerstag – und in der Woche darauf umgekehrt).

Arbeitsaufträge für zu Hause

Für die Tage, an denen man nicht in der Schule ist, erhält man Arbeitsaufträge oder Hausübungen – bei Bedarf Unterstützung gibt es durch vom Unterricht in der Schule freigestellte Lehrkräfte, zum Beispiel Angehörige von Risikogruppen und Schwangere. Am Freitag gibt es für alle Schüler Fernunterricht, entweder ebenfalls mit Arbeitsaufträgen oder durch stundenplanmäßigen Unterricht via Videokonferenz.

Für einzelne Schulstufen oder Klassen an Oberstufen und Sonderschulen kann die Bildungsdirektion allerdings Ausnahmen genehmigen. Als Beispiel werden in einem Erlass etwa Internatsschulen und lehrgangsmäßig organisierte Berufsschulen genannt – dort kann etwa (mit entsprechenden Tests) wochenweise unterrichtet werden. Am Freitag muss dort nicht unbedingt Distance-Learning stattfinden – stattdessen darf Unterricht in kleinen Gruppen auf dem Programm stehen, beispielsweise fachpraktischer Unterricht.

Betreuungsangebot von Schulen abhängig

Wohl auf die einzelnen Schulen wird es ankommen, wie das Betreuungsangebot für jene Kinder aussieht, die das benötigen und die an diesen Tagen keinen Präsenzunterricht haben. Ein solches Angebot soll es laut Ministerium an den AHS-Unterstufen, Mittelschulen und Sonderschulen geben. Elternvertreter machten darauf aufmerksam, dass besonders auch Familien mit mehreren schulpflichtigen Kindern, die in unterschiedlichen Schichten Präsenzunterricht haben, vor Betreuungsproblemen stehen.

Hier wird es auf die personellen und räumlichen Ressourcen der Schulen ankommen. Zu hören ist da von unterschiedlichen Modellen: Kleingruppen, wo es Platz und Lehrpersonal dafür gibt – aber auch Zusammenlegungen über mehrere Klassen und Schulstufen, was aus medizinischer Sicht wohl nicht im Sinne der Prävention sein kann. Aus einigen Schulen hört man auch, die betreuten Kinder würden am Unterricht quasi als Zuhörer teilnehmen – allerdings bekämen sie dann den Stoff eigentlich zweimal präsentiert.

Laut Ministerium werde auch Nachmittagsbetreuung angeboten – für jene Schüler, die sich zu Schulbeginn dafür angemeldet haben und auch aufgrund eines negativen Testergebnisses am Präsenzunterricht teilnehmen dürfen. An Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht gibt es außerdem die Vorgabe, dass der Unterricht nach Möglichkeit am Vormittag und die Betreuung am Nachmittag durchgeführt wird, was eigentlich dem Schulkonzept widerspricht.

Kein Aufenthalt in der Schule ohne Test

Für den meisten Gesprächsstoff sorgen aber die Testungen. Montag und Mittwoch sind an den Schulen Testtage: Nur wer dann einen „Anterio-Nasal-Tests“ – vulgo „Nasenbohrertests“ – durchführt, darf am Präsenzunterricht teilnehmen. Man habe alle Schulleitungen kontaktiert, so Faßmann, die Bildungsdirektionen Wien und Niederösterreich würden die Standorte derzeit mit Videokonferenzen vorbereiten, Schulärzte würden sich beteiligen und Gemeinden Personal für Fragen abstellen. Eltern, die dem Ablauf skeptisch gegenüberstehen, können beim ersten Termin dabei sein.

Das neue Konzept zur Schulöffnung

Der Montag sei in gewissem Sinne auch ein Übergangstag, so Faßmann. Das gelte vor allem für Volksschulen, wo wahrscheinlich noch nicht alle Kinder mit den notwendigen Einverständniserklärungen ausgestattet sein werden. Falls die Eltern mitkommen, könnten diese dann auch gleich an Ort und Stelle ausgefüllt werden. Kinder, die den Test nicht mitmachten, könnten am Montag noch in einem eigenen Raum unter Aufsicht oder ausnahmsweise mit Nasen-Mund-Schutz in der Klasse bleiben, hieß es aus dem Ministerium.

In den Tagen danach gelte: Kein Aufenthalt in der Schule ohne negativen Test. Ausnahme von der Testverpflichtung gibt es für Schüler, die in den letzten sechs Monaten eine Covid-19-Erkrankung durchgemacht haben oder einen Antikörper-Nachweis erbringen.

„Nicht mit zweierlei Maß messen“

Dass diese Tests zwar grundsätzlich freiwillig sind, aber anders als ursprünglich angekündigt nur getestete Schüler am Präsenzunterricht teilnehmen dürfen, verteidigte Faßmann: Bei einer Inzidenz von 100 sei ein Präsenzunterricht unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes nicht anders möglich.

Bei den Test- und Maskenvorgaben für Schüler und Lehrer strebt Faßmann eine Vereinheitlichung an. Als Hintergrund der bisherigen Vorgangsweise verwies Faßmann auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten und aus zwei Minsterien kommende Verordnungen.

Derzeit müssen Lehrer nur einmal pro Woche am Berufsgruppentest teilnehmen, Volksschüler allerdings zweimal die Selbsttests durchführen. Außerdem können Lehrer, die den Test verweigern, mit FFP2-Maske unterrichten, während Schüler ohne Test nicht in die Schule kommen dürfen und Schüler über 14 auch dann eine FFP2-Maske tragen müssen, wenn sie getestet sind. „Wir dürfen hier nicht mit zweierlei Maß messen“, sagte Faßmann. Er sei dazu gerade im Austausch mit dem Gesundheitsministerium, um die entsprechenden Verordnungen anzupassen.

Expertenkritik von mehreren Seiten

Kritik an dem Test an sich kommt von Experten: Die Antigen-Tests taugen nur als „grobes Sicherheitsnetz“, betont Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien. „Es ist wichtig, dass Kinder, Jugendliche und Eltern wissen, dass ein negatives Testergebnis überhaupt kein Freibrief ist“, warnt Wagner vor einem falschen Sicherheitsgefühl. Es stimme, dass deren Genauigkeit nicht perfekt sei, sagte dazu Faßmann. Aber: „Wäre es besser, gar nicht zu testen?“

Der Public-Health-Experte Martin Sprenger wiederum rechnet vor, dass bei einer solchen Massentestung sehr viele falsch positive Ergebnisse die Folge wären, die für Verunsicherung und unnötige Aufregung sorgen würden.

Wagner sieht das nicht als Problem: „Das ist eine Art Vortest, ein erstes Screening.“ Hier sei es wichtig, Schulen und Eltern zu beruhigen und ihnen zu vermitteln, dass erst der PCR-Test ein endgültiges Ergebnis liefert. Wagners „Gurgelstudie“, die vom Ministerium ausgesetzt wurde, soll mit 1. März wieder starten.

Elternverbände bekritteln Modalitäten

Wünsche gab es bis zuletzt zu den Testmodalitäten: Elternverbände an den Pflichtschulen forderten eine Gleichbehandlung von Schülern und Pädagogen bei der Zahl der wöchentlichen Tests: Es sei unverantwortlich, Volksschülern zweimal wöchentlich Tests vorzuschreiben und gleichzeitig „den Lehrkräften nur alle sieben Tage ein negatives Testergebnis abzuverlangen“, hieß es in einer Aussendung. Außerdem sei es „unfair“, dass sich die Pädagogen im Rahmen ihrer Berufsgruppen-Testungen vom Tragen einer FFP2-Maske freitesten können, Oberstufenschüler aber nicht. Kritik gibt es auch daran, dass die Lehrer die Tests an den Schulen abwickeln sollen. Diese seien kein medizinisches Personal.

Lehrer beklagen späte Informationen

Lehrervertreter verlangen wiederum – neben einem raschen Impfangebot – die Möglichkeit, die „Nasenbohrer-Tests“ an den Schulen „für das sogenannte ‚FreitTesten‘ von Lehrerinnen und Lehrern im Rahmen des Berufsgruppengesetzes“ anzuerkennen. Lehrervertreter kritisierten bereits am Donnerstag zudem die Informationspolitik des Bildungsministeriums. Er könne nicht nachvollziehen, dass man so lange warten müsse auf Verordnung, Erlass und Kommunikationsmittel, so der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG).

Die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen sah sogar einen sicheren Schulstart in Wien und Niederösterreich in Gefahr. Die am Donnerstag ausgeschickten Informationen des Ministeriums würden keine einzige der relevanten Fragen beantworten. Kritisiert wurde zudem, dass Erziehungsberechtigte zu den ersten Testungen am Montag eingeladen wurden, obwohl zur Pandemiebekämpfung Sozialkontakte ungetesteter Personen zu vermeiden seien.