Ortsansicht von Mayrhofen, Tirol
APA/EXPA/JFK
Coronavirus

Tirol wartet auf weiteren Fahrplan

Angesichts der Ausbreitung der CoV-Variante B.1.351 in Tirol soll am Sonntagabend eine Entscheidung über den weiteren Fahrplan für das Bundesland fallen. Im Raum steht eine Isolation einzelner Gebiete oder ganz Tirols. Noch wurde keine Option ausgeschlossen. Ob es überhaupt am Sonntag zu einem Ergebnis kommt, ist unklar. Möglich wäre auch, dass die Entscheidung vertagt wird.

Zuletzt war sogar eine Isolation bzw. Quarantäne oder eine Lockdown-Verlängerung für Tirol im Raum gestanden. Die „Kronen Zeitung“ berichtete etwa, dass Reisen von Tirol „in ein anderes Bundesland nur noch in Ausnahmefällen“ möglich sein könnten. Das Aufsuchen des Zweitwohnsitzes sei – anders als die Fahrt zur Arbeit oder in Krankheitsfällen – kein Grund. Und: „Skifahren soll ebenfalls nur mehr im eigenen Bundesland erlaubt sein.“ Laut oe24 sei ein „Einreiseverbot für Zweitwohnsitze geplant“.

Bei der Tiroler Regierungsspitze sorgte der „Krone“-Bericht für Verstimmung. „Solche Pläne sind dem Büro des Landeshauptmannes (Günther Platter, ÖVP, Anm.) weder bekannt noch sind sie abgestimmt“, hieß es gegenüber der APA. Zudem betonte Platters Büro, dass Tirol auch am Sonntag erneut eine „deutlich rückläufige Corona-Infektionszahl“ aufweisen werde. Das Bundeskanzleramt verwies hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise auf das Gesundheitsministerium.

„Aktionsplan für Tirol“

Nach wie vor liefen offenbar Gespräche zwischen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Tirols Landeshauptmann Platter. Anschober (Grüne) hatte bereits am Freitag – in Abstimmung mit Landeshauptmann Platter – einen „Aktionsplan für Tirol“ angekündigt.

Dieser umfasste vor allem Massentests im Bezirk Schwaz, verschärftes und erweitertes Contact-Tracing sowie Sonderschutz für Alters- und Pflegeheime. Wie die APA erfuhr, soll es bei der Ankündigung Anschobers, dass bis Sonntagabend „Bilanz“ gezogen und dann eine Entscheidung bekanntgegeben wird, bleiben. Platter hatte eine Abschottung bisher mehrfach abgelehnt.

Anschober zu Quarantäne: „Auch andere Ansätze möglich“

Im Interview mit der „Presse“ meinte Anschober: „Es geht nicht nur um die Frage einer Quarantäne, auch andere Ansätze sind möglich.“ Man könne die Testungen noch weiter verstärken und regionale Maßnahmen setzen, führte der Minister aus. Angesprochen darauf, dass Platter eine Isolation Tirols präventiv ausgeschlossen habe, sagte Anschober der „Presse“, dass Platter „ziemlichen Druck aus der Bevölkerung“ habe.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Helmut Fohringer
Gesundheitsminister Anschober hält auch „andere Ansätze“ als eine Quarantäne für Tirol für möglich

Gegenüber ATV schloss Anschober eine Weisung für einen Lockdown in einem Bundesland jedenfalls nicht aus: „Das Steuerungszentrum in dieser Republik, was die Begrenzung der Pandemie betrifft, ist das Gesundheitsministerium.“ Eine zentrale Rolle bei der Frage, ob es zu Verschärfungen kommt, spielt der Rat von Experten und Expertinnen – eine einheitliche Linie gab es zuletzt noch nicht.

Kammern machen vor Entscheidung mobil

Unterdessen machten die schwarzen Präsidenten von Arbeiter-, Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer sowie alle Tiroler ÖVP-Nationalratsabgeordneten mobil, sprachen sich gegen Verschärfungen aus und forderten dieselben „bedachtsamen Öffnungsschritte“ für Tirol analog zum Bund.

„Die Zahlen geben weder eine Verlängerung noch eine Abschottung Tirols her. Es kann doch nicht sein, dass man die Tiroler bestraft, weil wir hier schneller und vorsichtiger als andere agiert haben. Wir waren die Ersten, die zu sequenzieren begonnen haben, und nun darf uns daraus kein Strick gedreht werden“, sagte Landwirtschaftskammer-Präsident Abg. Josef Hechenberger.

„Jetzt ist es wirklich genug“

„Die Menschen im Lande haben über Monate alle Maßnahmen geduldig über sich ergehen lassen – jetzt ist es aber wirklich genug“, meinte AK-Chef Erwin Zangerl in Richtung Türkis-Grün in Wien. Am Samstag beklagte er bereits, dass aus Tirol ähnlich wie im früheren Mittelalter eine „Lepra-Insel“ gemacht werde.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Walser ließ wissen, eine Abschottung wäre ein „Schlag unter die Gürtellinie“ und würde das Vertrauen in die Entscheidungsträger zerstören. „Wenn morgen (Sonntag, Anm.) nur ansatzweise irgendetwas aus dem Gesundheitsministerium kommen sollte, dann werden sie uns am Montag richtig kennenlernen“, drohte er bereits am Samstag.

Tirol wartet auf Entscheidung

Am Sonntag soll geklärt werden, ob es für Tirol strengere Maßnahmen als für den Rest Österreichs geben soll. Auch eine Isolation des Bundeslandes schließt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) nicht aus. Der Widerstand dagegen ist in Tirol groß.

Und schließlich stimmten auch die Tiroler ÖVP-Nationalräte Kira Grünberg, Alexandra Tanda, Rebecca Kirchbaumer, Franz Hörl und Hermann Gahr in den Chor ein und ließen die Parteifreunde und den Koalitionspartner im Bund wissen: „Wir stehen zu unserem Land und lehnen überschießende und sachlich nicht begründbare Schikanen ab.“ Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger wollte hingegen vor allem Zangerl und Walser die vehemente Kritik Richtung Bund nicht abnehmen.

Acht aktive Mutationsfälle in Tirol

In Tirol sind bisher 165 Fälle der B.1.351-Coronavirus-Mutation, die erstmals in Südafrika entdeckt worden war, bestätigt. Der Großteil der Mutationen wurde im Nachhinein festgestellt, teilte das Land Tirol Samstagabend mit. Von diesen 165 Fällen waren noch acht Personen aktiv positiv. Neben den bestätigten Fällen gibt es noch etliche Verdachtsfälle, die gemäß den von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) vorgegebenen Standards noch abgeklärt werden.

Der Schwerpunkt der bestätigten Mutationsfälle liege nach wie vor im Bezirk Schwaz und Umgebung. Im Bezirk wurde im Zuge der Massentests bisher über 1.500 Testungen durchgeführt (bei rund 4.000 Anmeldungen) – für sieben Personen lag dabei ein positives Ergebnis vor. Die positiven Antigen-Fälle werden nun mit einem PCR-Test überprüft.

Jedes positive PCR-Ergebnis werde dann auf „Auffälligkeiten untersucht“. „Wir nehmen die Situation aktuell sehr ernst und setzen ein eigenes Maßnahmenpaket um – je mehr Tests vorliegen, desto genauer kann die Lage beurteilt werden“, sagte dazu der Leiter des Tiroler CoV-Einsatzstabes, Elmar Rizzoli. Die 7-Tage-Inzidenz lag Samstagabend laut den Daten der AGES in Tirol mit 99,7 unter dem Österreich-Schnitt von 105,0.

Massen-PCR-Tests in fünf Osttiroler Gemeinden

Aufgrund eines überdurchschnittlich hohen Infektionsgeschehens ist über das Wochenende auch die Bevölkerung in den Osttiroler Gemeinden Matrei in Osttirol, Nußdorf-Debant, Kals am Großglockner, Oberlienz und St. Johann im Walde aufgerufen, sich vorsorglich einem kostenlosen PCR-Test zu unterziehen. Ergebnisse liegen derzeit noch nicht vor – mehr dazu in tirol.ORF.at .

Anschober: „Lockdown hat sich abgenützt“

Zu Spekulationen, dass die am Montag anstehende Lockdown-Lockerung aufgrund der Ausbreitung der CoV-Mutationen abgesagt sei, meinte Anschober gegenüber der „Kronen Zeitung“: „Der Lockdown hat sich abgenützt. Wir brauchen so etwas wie eine Perspektive. Durch erste Öffnungsschritte und gleichzeitig Sicherheit durch Verschärfungen.“ Hinsichtlich Verschärfungen verwies er auf die Einreiseverordnung und eine Ausweitung der FFP2-Maskenpflicht.

Dass es bis Ostern zu weiteren Lockerungen oder auch einem viertem Lockdown komme, schloss Anschober im „Presse“-Interview nicht aus. „Es gibt einige Fragezeichen“, so der Gesundheitsminister.