Landschaftsaufnahme mit Pfarrkirche von Kematen in Tirol
ORF.at/Zita Klimek
B.1.351 in Tirol

Land legt „Maßnahmenpaket“ vor

Nach einem nächtlichen Verhandlungsmarathon gehen die Gespräche zwischen dem Land Tirol und dem Gesundheitsministerium über mögliche strengere Maßnahmen wegen der CoV-Mutation B.1.351 weiter. Das Land legte am Montag ein „Maßnahmenpaket“ zur Eindämmung der Virusvariante vor. Dem Bund dürfte das aber nicht weit genug gehen.

Einen Durchbruch bei den Verhandlungen bedeutet das per Aussendung verkündete „Maßnahmenpaket“ nicht. Man nehme dieses Paket nun alleine in Angriff, hieß es aus dem Büro von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) gegenüber der APA: Hinsichtlich dieser Punkte gebe es Konsens mit dem Bund. Darüber hinaus gab man sich gegenüber dem Bund bzw. dem Gesundheitsministerium weiter gesprächsbereit. Ob man sich aktuell aber noch im Verhandlungsstadium befinde oder diese unterbrochen seien, wollte das Land nicht kommentieren.

Das „Maßnahmenpaket“ umfasst neun Punkte. Die Benutzung von Seilbahnen soll künftig nur noch – analog zu der Regelung für körpernahe Dienstleister – mit negativem Antigen-Test erlaubt sein. Die Einhaltung der Covid-19-Schutzmaßnahmen soll strenger überwacht werden – das betrifft Ausgangsbeschränkungen, Abstands- und Maskenpflicht und auch die Überprüfung von Zweitwohnsitzen.

Aufruf zur freiwilligen Mobilitätsbeschränkung

Die Mobilität der Tiroler Bevölkerung in Österreich soll eingeschränkt werden – allerdings auf freiwilliger Basis: Die Tirolerinnen und Tiroler werden aufgerufen, „unnötige Fahrten zu vermeiden“, heißt es im Paket. An den Grenzen zum Ausland soll die neue Einreiseverordnung durch Polizei und Bundesheer kontrolliert werden. „Das Land Tirol ersucht die beiden zuständigen Ministerien um Unterstützung“, heißt es dazu.

Weiters sollen in Bezirken mit hoher 7-Tage-Inzidenz flächendeckende PCR-Tests angeboten werden. „Jeder positive PCR-Test wird in Tirol bereits bisher auf einen Mutationsverdacht untersucht“, so das Land. Kontaktpersonen von Fällen, in denen Mutationsverdacht vorliegt, sollen nur nach einem negativen PCR-Test aus der Quarantäne entlassen werden. Zudem will das Land die Alters- und Pflegeheime besser schützen und die Bevölkerung über die Virusmutation B.1.351 sensibilisieren. Ebenfalls angekündigt wird die „tägliche Evaluierung und laufende Abstimmung“ über die Lage zwischen Bund und Land.

„Krone“: Reisebeschränkung angedacht

Die geplanten Schritte dürften dem Bund nicht weit genug gehen. Wie die „Krone“ (Onlineausgabe) berichtete, gibt es derzeit Überlegungen, Reisen von und nach Tirol zu beschränken. Offizielle Bestätigung gibt es dafür vorerst keine, ein Dementi aber ebenso wenig. Angedacht werde etwa eine Reisebeschränkung bzw. eine Warnung vor Reisen von und nach Tirol. Ausnahmen könnte es nur aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen geben, hieß es.

Fachleute für rasche Schritte

Tirol ist einer der europaweiten Hotspots der CoV-Mutation B.1.351. Die Virusvariante, erstmals entdeckt in Südafrika, dürfte ansteckender sein und kann der Antikörperantwort des menschlichen Immunsystems zumindest teilweise entkommen – was unter anderem die Wirksamkeit der bisher erhältlichen CoV-Impfstoffe mindern kann.

Expertinnen und Experten fordern daher rasche Maßnahmen, um eine Ausbreitung von B.1.351 in ganz Österreich zu verhindern. Die Gespräche darüber zwischen Ministerium und Land dürften am Sonntag sowie in der Nacht auf Montag sehr turbulent verlaufen sein.

Stimmung am Tiefpunkt

Die Stimmung zwischen Bund und Land dürfte inzwischen am Tiefpunkt sein. Das von Platters Parteifreund Sebastian Kurz (ÖVP) geführte Kanzleramt hielt sich übers Wochenende auffällig zurück und verwies lediglich auf den Gesundheitsminister als Hauptverhandler.

Tirols WK-Präsident drängt auf Öffnung

Tirols Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Walser übte scharfe Kritik wegen einer möglichen Isolation Tirols.

Am Wochenende hatte eine schwarze Phalanx aus Tirol gegen Verschärfungen mobilgemacht. Die schwarzen Präsidenten von Arbeiter-, Landwirtschafts- und Wirtschaftskammer sowie alle Tiroler ÖVP-Nationalratsabgeordneten sprachen sich in einer gemeinsamen Aussendung gegen diese aus und forderten dieselben „bedachtsamen Öffnungsschritte“ für Tirol wie für den Bund.

Experte: 300 bestätigte B.1.351-Fälle in Tirol

Offenbar trennt schon die Interpretation der Mutationszahlen die beiden Seiten Bund und Land. Tirol gibt an, die Situation im Griff zu haben, und verweist immer wieder auf rückläufige Infiziertenzahlen sowie die momentane Eingrenzbarkeit der Mutationsfälle. Zudem würden derzeit ohnehin nur acht aktiv positive B.1.351-Fälle vorliegen. Insgesamt meldete das Bundesland 165 bestätigte Fälle. Bei 230 weiteren Fällen liege ein Mutationsverdacht vor.

Die vom Land Tirol genannte Zahl von nur acht aktiven B.1.351-Fällen hält der Genetiker Andreas Bergthaler für unrealistisch. Mindestens 293 per Ganz- oder Teilgenomsequenzierung bestätigte Proben seien bisher in Tirol aufgetaucht, sagte Bergthaler der APA.

Ein klares Bild zum Verlauf der Infektionen in Tirol lasse sich zurzeit trotzdem nur schwer herauslesen. „Man muss aber sehr wohl vermuten, dass man weiterhin kontinuierlich positive Fälle der Südafrika-Variante findet. Das ist kein abgeschlossenes Infektionsgeschehen. Was aber nicht klar ist, ist der Trend – ob es also mehr oder weniger wird“, sagte Bergthaler.

Dass es nun aber nur acht gesichert nachgewiesene aktive Fälle mit der Variante gibt, sei dementsprechend unwahrscheinlich, weil man eben mit der Erbgutaufschlüsselung Tage bis Wochen hinterherhinke. Bergthalers Informationsstand nach gibt es derzeit rund 200 Verdachtsfälle auf die Variante. Allein zwischen 1. und 4. Februar wurden dem Vernehmen nach mehr als 70 potenzielle Fälle entdeckt.

Kritik der Opposition

Kritik kam am Montag von der SPÖ: „Wo ist jetzt eigentlich der ach so harte Krisenmanager Sebastian Kurz?“, fragte Gesundheitssprecher Philip Kucher. „Monatelang inszenierte er sich als Kapitän eines Schiffes, aber kaum gibt es parteiinternen Gegenwind, gibt er das Ruder aus der Hand und versteckt sich unter Deck“, so Kucher. Er warf dem Kanzler „tatenloses, beinahe schon ohnmächtig anmutendes Zusehen und Aus-der-Verantwortung-Stehlen“ vor. Die gefährlichere südafrikanische Mutation dürfe sich unterdessen offenbar „munter weiterverbreiten“.

FPÖ-Chef Norbert Hofer warf der Regierung vor, die „Tirol-Frage" verschlafen zu haben. Seit mehreren Tagen herrsche im Gesundheitsministerium ein „rasender Stillstand“, während von Tiroler ÖVP-Granden eine Warnung nach der anderen in Richtung Wien abgefeuert werde. „Die Causa Tirol zeigt, wie schwach die Rolle des Gesundheitsministers in der Krisenbewältigung ist. Obwohl die offenbar ansteckendere Südafrika-Mutation schon vor rund zwei Wochen im Westen nachgewiesen wurde, ist rein gar nichts passiert“, so Hofer. Jetzt noch über die Abriegelung des gesamten Bundeslandes zu beraten, sei sinnlos, „zumal sich das Virus wohl schon längst über die Landesgrenzen hinaus verbreitet hat“.

Bayern: Grenzschließungen nicht auszuschließen

Trotz der großen Sorge in Deutschland wegen der CoV-Lage in Tirol hält Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek Grenzschließungen weiter für noch nicht angemessen. „Grenzschließungen kann man als Ultima Ratio nicht ausschließen. Aber zunächst gilt es, den Grenzverkehr auf das notwendigste Maß zu reduzieren“, sagte der CSU-Politiker. Ziel müsse es sei, die Infektionsketten über die Grenzen hinweg zu brechen, dazu müsse jeglicher Austausch hinterfragt werden.