AstraZeneca/Oxford Covid-19 Impfung
APA/AFP/Nikolay Doychinov
AstraZeneca und B.1.351

Hoffen auf Wirkung bei schweren Verläufen

Am Wochenende ist bekanntgeworden, dass der Impfstoff von AstraZeneca bei der erstmals in Südafrika nachgewiesenen CoV-Mutation B.1.351 bei milden Infektionen nur begrenzten Schutz bieten dürfte. Südafrika stoppte daraufhin die Verteilung des Vakzins – und auch in anderen Ländern stellt sich nun die Frage, wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Impfpläne auswirken könnten. Viele Staaten zeigten sich trotzdem zuversichtlich.

Eine Studie der südafrikanischen Universität Witwatersrand und der britischen Universität Oxford hatte ergeben, dass der AstraZeneca-Wirkstoff milde und moderate Infektionen mit der neuen Variante nur zu zehn Prozent verhindert. Das Vakzin wirke jedoch womöglich gegen schwere Verläufe, erklärte Sarah Gilbert von der Universität Oxford, die an der Entwicklung des Impfstoffs beteiligt war. Auch bei der ursprünglichen CoV-Variante habe sich eine hohe Wirksamkeit gezeigt.

In der Studie heißt es, keiner der 2.000 Studienteilnehmer habe schwerwiegende Covid-19-Symptome entwickelt. Allerdings lag das Durchschnittsalter bei 31 Jahren – schwere Verläufe sind bei Jungen per se unwahrscheinlicher. Für eine abschließende Beurteilung über den Schutz gegen schwere Erkrankungen bei einer Infektion mit der B.1.351-Variante lägen derzeit noch nicht genug Daten vor, so Gilbert.

Virus werde „Wege finden“

Eigentlich wollte Südafrika ab Mitte Februar Gesundheitspersonal mit dem AstraZeneca-Wirkstoff impfen. Eine Million Dosen hatte das schwer vom Coronavirus getroffene Land bereits erhalten. Doch nun wurden die Impfungen vorübergehend gestoppt. „Diese Studie bestätigt, dass das pandemische Coronavirus wie erwartet Wege finden wird, sich in geimpften Bevölkerungsgruppen auszubreiten“, sagte Andrew Pollard, Leiter der Impfstoffgruppe der Uni Oxford, die den Impfstoff zusammen mit AstraZeneca entwickelt hat.

Südafrika stoppt AstraZeneca-Impfungen

Beim Wirk

Allerdings betonte auch Pollard, dass die Chancen gut seien, dass der Impfstoff das Gesundheitssystem entlasten könnte. Zuversichtlich zeigten sich in dieser Hinsicht auch Großbritannien, Australien, Deutschland und Frankreich. „Es gibt keine Beweise dafür, dass dieser Impfstoff nicht in der Lage ist, Krankenhausaufenthalte sowie schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle zu verhindern“, sagte der britische Gesundheitsstaatssekretär Edward Argar dem TV-Sender Sky. Das sei letztlich, was man von den Impfstoffen erwarte. Auch Premier Boris Johnson stellte sich hinter das britisch-schwedische Unternehmen AstraZeneca.

Menschen in einem Spital in Südafrika warten auf ihre Impfung
AP/Jerome Delay
Die Infektionszahlen in Südafrika wurden zuletzt von der neuen Variante angetrieben

Australien will das Vakzin in den kommenden Tagen zulassen. Gesundheitsminister Greg Hunt betonte, es gebe keinen Hinweis darauf, dass der Impfstoff bei schweren Verläufen nicht wirke, und genau darauf käme es an. Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Veran ließ sich am Montag selbst mit dem AstraZeneca-Wirkstoff impfen. Auch er unterstrich sein Vertrauen in den Impfstoff, betonte aber auch, dass man die Verbreitung von Varianten verhindern müsse.

Relevante Frage für Österreich

Für Österreich könnte die Wirksamkeit von AstraZeneca bei der Variante durchaus ein Knackpunkt werden – vor allem in Hinblick auf Tirol. Laut dem Virologen Andreas Bergthaler sind in dem Bundesland bisher mindestens 293 per Ganz- oder Teilgenomsequenzierung bestätigte Proben der Variante B.1.351 aufgetaucht. In anderen Bundesländern waren es nur neun. Die von Tirol angegebene Zahl von acht Fällen konnten die Fachleute nicht nachvollziehen.

Die Virusvarianten seien aktuell „immer noch die Ausnahme in Österreich“, hieß es auf Anfrage von ORF.at. Hinweise auf eine geringere Effektivität der Vakzine auf CoV-Varianten wie B.1.351 würden derzeit untersucht: „Es kann angenommen werden, dass Personen, die ausnahmsweise trotz Impfung an Covid-19 erkranken, auch in diesen Fällen einen milderen Krankheitsverlauf durchmachen und Komplikationen sowie Todesfälle vermieden werden können. Daher wird auch in der derzeitigen Situation der aktuelle Impfplan weiter verfolgt.“ Es sei besser, geimpft zu sein als nicht geimpft zu sein, hieß es zudem.

36.000 Dosen in Österreich

Die erste Lieferung des AstraZeneca-Impfstoffes traf in der Nacht auf Samstag in Österreich ein. Zunächst waren es 36.000 Dosen, am Freitag wird die nächste Lieferung erwartet. Bis Ende März wird mit rund 700.000 Dosen von AstraZeneca gerechnet. Der AstraZeneca-Impfstoff soll zunächst an Menschen unter 65 Jahre verimpft werden. Grund ist, dass zur Beurteilung der Impfeffektivität ab 65 Jahren bisher keine ausreichenden Daten vorliegen.

Für heftigen Streit hatte in den vergangenen Wochen zudem die Ankündigung des Herstellers gesorgt, die EU nur mit einem Bruchteil der vereinbarten Menge an Impfdosen beliefern zu können. Nach heftigem Protest aus Brüssel erhöhte AstraZeneca seine zunächst reduzierte Liefermenge wieder, blieb aber dennoch weit hinter der ursprünglich zugesagten Menge zurück.

WHO will weiter beraten

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt einem Medienbericht zufolge den Einsatz des AstraZeneca-Vakzins bei Erwachsenen in allen Altersgruppen. Das berichtete der „Daily Telegraph“. Außerdem befürworte die WHO die Strategie, wonach die zweite Impfung bis zu zwölf Wochen verschoben werden könne. Zuvor hatten die WHO und die Covax-Initiative davor gewarnt, das Vakzin vorzeitig abzuschreiben.

„Das sind auf jeden Fall beunruhigende Nachrichten“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus nach Beratungen am Montag. Er will sich am Dienstag mit den Experten der Strategiegruppe der WHO (SAGE) treffen, um Empfehlungen im Umgang mit dem Impfstoff zu besprechen.

Die Variante B.1.351 hatte sich auch in den Tests anderer Impfstoffhersteller als resistenter erwiesen. Eine mögliche Anpassung der Vakzine an die Variante läuft bei mehreren Unternehmen bereits auf Hochtouren. Gut wirken soll das AstraZeneca-Vakzin indes gegen die zuerst in Großbritannien entdeckte Coronavirus-Variante B.1.1.7 – mehr dazu in science.ORF.at.

Biontech und Pfizer betonten Wirkung

Indes teilten Biontech und Pfizer mit, dass ihr Impfstoff laut neuen Untersuchungen gegen beide Varianten wirksam sei. Die Unternehmen beriefen sich auf eine Laborstudie, deren Daten nun im Fachblatt „Nature Medicine“ veröffentlicht wurden. Es habe sich gezeigt, dass das Blut von 20 geimpften Menschen die Schlüsselmutationen der Varianten aus Großbritannien und Südafrika neutralisiere, in dem Blut also ausreichend neutralisierende Antikörper waren.

Ende Jänner waren die Daten der Untersuchung von Pfizer und der University of Texas erstmals bekanntgeworden. Damals hatten Biontech und Pfizer betont, die Ergebnisse deuteten nicht auf die Notwendigkeit eines neuen Impfstoffs gegen die neu auftretenden Varianten hin. Mittlerweile haben auch externe Experten die Ergebnisse begutachtet, sodass es nun zu der Veröffentlichung in dem Fachblatt kam. Dort heißt es unter anderem, nun brauche es klinische Daten, um noch mehr über die Wirkung des Impfstoffs gegen Virusvarianten zu lernen.

Virologen: Herdenimmunität wird unwahrscheinlicher

Mehrere Virologen und Virologinnen nahmen die Studie laut dem „Guardian“ allerdings auch zum Anlass, um ein generelles Überdenken der Impfstrategien einzufordern. Die Varianten würden das Erreichen einer Herdenimmunität durch großflächiges Durchimpfen zusehends unwahrscheinlicher machen, sagte etwa Shabir Madhi von der Universität Witwatersrand. Stattdessen gelte es, die verletzlichsten Gruppen zu schützen.

Dem pflichtete Ravi Gupta von der Universität Cambridge bei. Es sei pragmatisch, die besten Impfstoffe für die verletzlichsten Personengruppen einzusetzen. Damit könne die Sterblichkeit reduziert werden. Um die Übertragung ganz zu unterbinden, brauche es sehr rasch große Mengen an Impfdosen – diese seien aktuell aber nicht verfügbar.