Anwalt M. im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Carina Kainz
U-Ausschuss

„Ibiza“-Anwalt wird befragt

Neben dem mutmaßlichen Organisator des „Ibiza“-Videos, Julian H., gilt der Wiener Anwalt Ramin M. als Schlüsselfigur in jener Affäre, die ÖVP-FPÖ zu Fall gebracht hat. So war es ebenjener Anwalt, der das Video schon vor der Veröffentlichung um sehr viel Geld Parteivertretern angeboten hat. Derzeit wird er von den Abgeordneten befragt.

Nach der Belehrung durch Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl verzichtete Ramin M. auf eine einleitende Stellungnahme. M. hat eigenen Angaben nach keine Kenntnisse über eine Einflussnahme auf Managemententscheidungen innerhalb der Casinos Austria AG (CASAG). Gegen M. wird ermittelt, weshalb er auch auf sein Recht, die Aussage zu verweigern, pochte. „Ich könnte mich selbst belasten“, so der Anwalt. Pöschl war mit einer pauschalen Entschlagung zu einem Untersuchungsgegenstand nicht einverstanden und forderte eine Präzisierung.

„Ich fühle mich außerstande, auf die Frage zu antworten“, sagte M. Der Verfahrensrichter stellte anschließend klar: „Das ist ganz was anderes als eine Entschlagung.“ Wenn M. keine Kenntnis über Vorgänge habe, dann sei das eine Antwort, so Pöschl. Aber eine Entschlagung müsse konkret sein. M. entschlug sich allerdings erneut, woraufhin sich FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker einschaltete: „Das wird die ganze Befragung so weitergehen“, dagegen müsse man etwas tun. ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl pflichtete Hafenecker bei.

Als Journalist sieht sich M. nicht – auch wenn er das „Ibiza-Video“ vor der Befragung als ein „investigativ-journalistisches Projekt“ bezeichnet hatte. Die Frage, ob er jemals persönlich mit dem mutmaßlichen „Ibiza“-Hintermann H. gesprochen hatte oder ob er bestimmte FPÖ- und SPÖ-Politiker kennt, ließ M. unbeantwortet. Er könne sich selbst belasten, so die Auskunftsperson in Richtung ÖVP-Fraktionschef Gerstl. Auch auf Fragen über kolportierte Treffen mit mehreren Personen musste sich Gerstl mit Entschlagungen vonseiten M.s begnügen.

Treffen mit mehreren Parteivertretern

Bereits in den jüngsten U-Ausschuss-Sitzungen hatten ehemalige Berater und Mitarbeiter der SPÖ geschildert, wie ihnen der Wiener Anwalt das „Ibiza“-Video im Zuge des Nationalratswahlkampfes 2017 schmackhaft habe machen wollen. Der SPÖ-Werber Nikolaus P. etwa berichtete von einem Treffen mit dem Anwalt im Wiener Cafe Mozart, wo ihm M. von einem Mandanten erzählt habe, der über belastendes Material gegen den späteren FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache verfüge.

Auch der SPÖ-Kampagnenleiter im Wahlkampf 2017, Johannes V., berichtete im Ausschuss von einem Treffen in einem Cafe. Während bei P. das Treffen mit dem Anwalt via Facebook-Messenger vereinbart wurde, trafen sich der Ex-SPÖ-Kampagnenleiter und der Anwalt zufällig, wie Ersterer angab. Mit dem Offert – also belastendes Material gegen Strache zu haben – soll er bei beiden abgeblitzt sein, wie unisono berichtet wurde. Verlangt haben soll der Anwalt für das Material jedenfalls eine „siebenstellige Summe“.

Erste Ideen

Generell wird der Ausschuss wohl erörtern wollen, wie es zum Ansatz kam, Strache mit verdeckten Aufnahmen aufs Eis zu führen. In zuletzt veröffentlichten Interviews hatte Julian H. angegeben, erste Ideen gemeinsam mit Anwalt M. im Sommer 2016 gehabt zu haben. Sicherheitsberater H. sprach von „amateurhaften“ Erstversuchen, weshalb man schließlich begonnen habe, über den Strache-Vertrauten (Ex-FPÖ-Klubchef) Johann Gudenus und mit Hilfe der falschen Oligarchennichte Zugang zum FPÖ-Chef zu bekommen.

Abgefragt werden wohl weitere Angaben H.s in den jüngsten Interviews. Denn Ziel des versuchten Videoverkaufs sei es H. zufolge gewesen, den von M. vertretenen Leibwächter Straches finanziell abzusichern, der bereits seit 2015 versucht habe, belastendes Material über den FPÖ-Chef an potenzielle Interessenten weiterzuvermitteln. Aus seinen Beständen stammen auch die Aufnahmen von Sporttaschen mit mutmaßlich aus Osteuropa stammendem Bargeld in Straches Auto.

Wer kann vom Video gewusst haben?

Auch wird M. wohl gefragt werden, wer schon vor der Veröffentlichung von der Existenz des Videos gewusst haben könnte. So hatte der mutmaßliche Drahtzieher H. etwa angegeben, dass er die Hofburg vorab über die Veröffentlichung informiert habe. Dort wurde rasch dementiert – bestätigt wurde nur eine E-Mail mit „vagen Andeutungen über eine bevorstehende Veröffentlichung zum Thema Korruption“, die man routinemäßig ad acta gelegt habe, wie es aus der Hofburg hieß.

In den jüngsten Interviews hatte H. angegeben, erstaunt gewesen zu ein, wie einfach es gewesen sei, Strache im Sommer 2017 in die Finca auf Ibiza zu locken – zumal Gudenus nach Angaben des Detektivs schon zuvor vor einer drohenden Videofalle gewarnt worden sei – und zwar aus dem Umfeld des ÖVP-Chefs und nunmehrigen Kanzlers Sebastian Kurz, dessen Partei wohl über einen Journalisten von den Plänen erfahren habe, wie H. mutmaßte. Letzteres dementieren sowohl Gudenus als auch die ÖVP.

Wie aus einem Amtsvermerk der Staatsanwaltschaft Wien von Ende Jänner hervorgeht, war M. zusammen mit H. maßgeblich in die Anbahnung eines vorgetäuschten Immobiliendeals mit Gudenus in einem Wiener Hotel eingebunden und „zeichnet für die ab August 2017 stattgefundenen Veräußerungsversuche des sog. ‚Ibiza-Videos‘ verantwortlich“. Der Rechtsanwalt wird daher von den Ermittlern und Ermittlerinnen verdächtigt, einen Tatbeitrag geleistet zu haben.

Schwierige Zusammenarbeit der Ermittler im Fokus

Aber auch die Ermittlerseite, im Speziellen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) kommt am Mittwoch ein weiteres Mal zu Wort. Staatsanwältin Christine Jilek, die für Teile der Ermittlungen in der „Ibiza“-Causa wie etwa die „Schredderaffäre“ zuständig war, ist jedoch nicht mehr bei der WKStA aktiv. Die Ermittlerin hat das Handtuch geworfen. Über die nicht friktionsfreie Zusammenarbeit mit anderen Behörden soll sie bei ihrer Befragung auch Auskunft geben.

Neben Anwalt M. und Jilek ist auch eine Beamtin des Finanzministeriums geladen. Sofern es die erwartet langen Befragungen der beiden Erstgenannten zulassen, wird auch sie am Mittwoch noch angehört. Die Beamtin ist für „Beteiligungen und Liegenschaften“ im Ressort verantwortlich. Ein Thema bei ihrer Befragung dürften ein weiteres Mal Privatisierungen staatlicher Betriebe sein. Konkret könnte es unter anderem um die Post und die Austrian Real Estate (ARE) gehen.

ÖVP lud weitere SPÖ-nahe Auskunftspersonen

Passend zum Videoangebot des Anwalts sollen dann am Donnerstag – auf Begehren der ÖVP – mehrere Sozialdemokraten befragt werden, darunter der Sohn von Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ). Auch angehört wird ein Rechtsanwalt – er und der Sohn Kerns haben sich in der Parteigruppe „Sektion ohne Namen“ engagiert. Die ÖVP hatten die Ladungen mit Recherchen begründet, die gezeigt hätten, dass auch sie schon sehr früh über die Existenz des „Ibiza“-Videos informiert und möglicherweise noch tiefer involviert gewesen seien.

Die übrigen Parteien werden den Ladungen der SPÖ-nahen Auskunftspersonen wohl kaum etwas abgewinnen können, zumal sich der Erkenntnisgewinn für die Aufklärungsarbeit wohl stark in Grenzen halten dürfte. Weiters geladen ist der Geschäftsführer der WH Media GmbH, Marcin K. – er war früher Pressesprecher von Ex-Kanzler Werner Faymann (SPÖ).