Tiroler Stadt Schwaz vom Berg aus gesehen
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Experten skeptisch

In Tirol ergriffene Maßnahmen „nicht optimal“

Die von der Bundesregierung für Tirol verordneten Maßnahmen zur Eindämmung der als „südafrikanische Variante“ bekannten Coronavirus-Mutation B.1.351 kommen aus Expertensicht womöglich zu spät bzw. gehen nicht weit genug. Der Virologe Andreas Bergthaler von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sprach von einem Schritt in die richtige Richtung. Wie Bergthaler ortete auch Gerald Gartlehner von der Donau-Uni Krems Nachschärfungsbedarf. Deutlich schärfer fiel die Kritik von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner aus.

Da Tirol schon länger als B.1.351-Hotspot bekannt sei, habe man in Österreich einiges an Zeit verschwendet, sagte der Epidemiologe und Experte für evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität am Dienstagabend im „Report“. Aus epidemiologischer Sicht vergeude Österreich aber wohl noch immer Zeit, „weil die Maßnahmen, die nun gesetzt wurden, ja auch nicht optimal sind, um eine Ausbreitung wirklich verhindern zu können“, sagte Gartlehner.

Der Experte, Mitglied der Coronavirus-Ampelkommission, sagte, eine Quarantäne für all jene Gebiete, in denen die CoV-Mutation vermehrt auftritt, wäre eine „wahrscheinlich“ weit wirksamere Maßnahme. Neben Massentests sei auch eine Impfpriorität für die dortige Bevölkerung überlegenswert. Notwendig dafür sei freilich ein Impfstoff, der auch gegen diese Mutation hilft.

Epidemiologe Gartlehner zu den Maßnahmen für Tirol

Epidemiologe Gerald Gartlehner erklärt, ob die Maßnahmen der Regierung ausreichen, um eine weitere Verbreitung der mutierten Virusvarianten einzudämmen.

„Regional nachschärfen“

Bergthaler sprach in der ZIB2 ebenfalls von „wohl zu spät“ erlassenen Maßnahmen, die man „noch regional nachschärfen müsste“. Grundsätzlich könne man über Tirol sagen: „Es gibt Licht und Schatten.“ Geht es nach dem Experten vom ÖAW-Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM), seien die Tiroler etwa bezüglich CoV-Nachverfolgung an sich „sehr gut aufgestellt“.

„Das erklärt auch unter Umständen die hohe Anzahl der Fälle mit, weil sie sehr viele Kontaktpersonen, K1 und K2, gefunden haben“, sagte Bergthaler. „Gleichzeitig werden natürlich trotzdem ständig einzelne Personen da entwischen in diesem Netzwerk.“ Aus diesem Grund sei es wichtig, dass man derzeit konkret im Bezirk Schwaz, wo eine große Anzahl von B.1.351-Mutationen nachgewiesen wurde, „noch engmaschiger nachschaut“.

Virologe Bergthaler in der ZIB2

Ab Freitag kann man Tirol nur mit einem negativen Coronavirus-Test verlassen. Virologe Andreas Bergthaler von der Akademie der Wissenschaften bezeichnete diese Maßnahme als Schritt in die richtige Richtung, betonte jedoch, dass sie zu spät erfolge und seiner Meinung nach regionale Nachschärfungen nötig seien.

So wie Gartlehner verwies auch Bergthaler auf die befürchtete schlechtere Wirksamkeit des Vakzins von AstraZeneca gegen die CoV-Mutation B.1.351. Diese sei Bergthaler zufolge „in Österreich noch nicht breitflächig angekommen“. Dem Experten zufolge sei das mit ein Grund, warum die von Österreich verfolgte Impfstrategie noch nicht infrage gestellt werden müsse, aber: „Darum haben wir auch die Diskussion bezüglich der Situation in Tirol.“

Klimek: „Besser spät als nie“

„Besser spät als nie“, kommentierte der Komplexitätsforscher Peter Klimek die angekündigten Maßnahmen. „Sehr überraschend“ sei gewesen, „dass man die Erfahrungen aus dem letzten Jahr nicht mitgenommen hat, um da früher zu reagieren.“ Die nun „mehr oder weniger beherzte Entscheidung“ nach längerem Bund-Länder-Match bringe hoffentlich einen Lerneffekt, da weitere Varianten kommen würden.

Scharfe Kritik von Rendi-Wagner

Deutlicher fiel die Kritik der Expertin und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wanger aus: Das Vorgehen der Regierung sei „zahnlos“ und „zögerlich“. „Diese Maßnahmen der Bundesregierung für Tirol werden nicht verhindern, was schon längst hätte verhindert werden müssen“, warf Rendi-Wagner der Regierung am Mittwoch vor, „dem neuen Virus Tür und Tor zu öffnen.“ Sie forderte eine zumindest zweiwöchige regionale Quarantäne in besonders betroffenen Bezirken und Massentests.

Ausreise nur mit negativem Test

Angesichts der starken Ausbreitung der Mutation in Teilen Tirols wird das Bundesland mit Ausnahme von Osttirol ab Freitag für zehn Tage zur Testpflichtzone. Wer das Bundesland verlassen will, muss dann einen negativen Test vorweisen, der nicht älter als 48 Stunden ist. Das gab Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zusammen mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag in einer Pressekonferenz bekannt.

„Das ist eine zeitlich befristete, aber notwendige Maßnahme, um die Ausbreitung so gut wie möglich zu verhindern“, sagte Kurz. In Tirol gibt es derzeit laut Angaben des Kanzleramts insgesamt 400 B.1.351-Verdachtsfälle. 293 Fälle wurden bisher in Tirol bestätigt.