Anwalt M. im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Anwalt M. im U-Ausschuss

„Kein Journalist“ und „nie in Ibiza“

Ein mutmaßlich zentraler Akteur der Erstellung des „Ibiza-Videos“ ist am Mittwoch im U-Ausschuss Rede und Antwort gestanden. Es handelt sich um den Wiener Anwalt Ramin M. Er versuchte bereits vor Veröffentlichung des Videos, mehreren parteinahen Personen um viel Geld belastendes Material anzutragen. Als „Journalist“ sieht er sich nicht, auch sei er nie in Ibiza gewesen. Generell verwies er x-fach auf die „Gefahr der Selbstbelastung“.

Bereits bei der Erstbefragung durch Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl zeigte sich, dass M. in vielen Fragen wohl von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch machen wird. Er verwies auf seinen Status als Verdächtiger, „breite Ermittlungen“ der Staatsanwaltschaft sowie ein Disziplinarverfahren vor der Anwaltskammer, weswegen er sich mit Antworten nicht selbst belasten wolle, wie er angab. M. zählte die Ermittlungsverfahren auf, die gegen ihn geführt werden, unter anderem wegen Verdachts auf Verleumdung und Betrug – für M. gilt die Unschuldsvermutung.

ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl ortete eingangs ein Entziehen von Fragebeantwortungen – er ersuchte den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) um Klärung und erinnerte an die Möglichkeit der Verhängung von Beugestrafen. Auch FPÖ-Fraktionsführer Christan Hafenecker äußerte rasch sein Unverständnis für die Entschlagungen („Das kann nicht so bleiben“). Doch der Ärger über ausbleibende Antworten M.s blieb: „Wir sind da kein Kasperlverein, dem man irgendwelche Gschichtln rüberschiebt“.

Anwalt M. im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Anwalt M. bei der Ankunft vor dem Ausschusslokal – das mediale Interesse ist vergleichsweise hoch

Doch blieben Fragen zu M.s Kenntnis verschiedener Personen mit dem Hinweis „auf die Gefahr der Selbstbelastung“ unbeantwortet – so verhielt es sich bei R., dem früheren Bodyguard von Heinz-Christian Strache (hier verwies er auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht – der Ex-Bodyguard war M.s Klient), beim Drahtzieher Julian H., beim Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus und vielen weiteren. Auch wurde mit M. darüber diskutiert, was er unter „investigativem Journalismus“ verstehe. M.s Anwalt hatte in Interviews zur Motivlage zur Videoerstellung ja von einem „zivilgesellschaftlich motivierten Projekt“ gesprochen.

Christian Hafenecker (FPÖ) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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FPÖ-Fraktionsführer Hafenecker (hier im Vorfeld der Befragung) ärgerte sich über ausbleibende Antworten: „Sind hier kein Kasperlverein“

„Bin kein Journalist“

Zur Definition von „investigativem Journalismus“ verwies M. auf den Duden: Das sei eine Form des Journalismus, die mit intensiver Recherchearbeit zu tun habe, so der Anwalt. Gerstl wollte wissen, ob er sich als Journalist verstanden habe. „Ich bin kein Journalist, nein, ich war nie als Journalist tätig.“ Ob er jemals in Ibiza war, wurde er gefragt. Die Antwort: „Nein“. Auch die Fragen, ob er den damaligen Kanzleramtsminister unter Kanzler Christian Kern (SPÖ), Thomas Drozda, und andere Personen kenne, denen er das Video angeblich angeboten habe, beantwortete die Auskunftsperson nicht.

„Siebenstellige Summe“

Bereits in den vergangenen Sitzungen hatten ehemalige Berater der SPÖ geschildert, wie ihnen der Wiener Anwalt das „Ibiza-Video“ im Zuge des Nationalratswahlkampfes 2017 schmackhaft habe machen wollen. Er soll damit jedes Mal abgeblitzt sein, wie der SPÖ-nahe Werber Nikolaus P. und auch der rote Kampagnenleiter im Wahlkampf 2017, Johannes V., berichteten.

Verlangt haben soll der Anwalt dafür eine „siebenstellige Summe“. Auch zu P. und V. erhielt der Ausschuss von M. praktisch keine Angaben – mit V. sei er einmal in Berlin gewesen, weitere Angaben machte er mit dem Hinweis auf anwaltliche Verschwiegenheitspflicht dazu nicht. Generell drehten sich viele Fragen darum, wem das Material angeboten wurde bzw. wer Kenntnis davon hatte. Der FPÖ habe er das Video nicht angeboten, wie M. angab.

Wolfgang Pöschl im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl fürchtete schon zu Beginn, dass der Ausschuss von M. kaum Antworten erhalten wird

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer (SPÖ) legte M. im Zuge seiner Befragung eine ergänzende Beschuldigtenäußerung vor, die im Ermittlungsakt steht. Darin geht es um Kontakte, die M. zu ÖVP-nahen Personen bzw. einem ÖVP-Anwalt hatte und mit ÖVP-Berater Daniel K., dabei sei es um belastendes Material gegen Strache gegangen. Im März 2015 sei er auch bei Andreas Holzer gewesen, dem heutigen Leiter der „SoKo Ibiza“. Das alles habe er so bei den Ermittlern deponiert, bestätigte M.

Straches Haarbüschel

Ferner äußerte Krainer sein Unverständnis darüber, warum die Macher des „Ibiza-Videos“ nur jenen Parteien Material angeboten haben sollen, von denen man gewusst habe, dass sie nicht viel Geld zur Verfügung haben (er meinte damit vor allem seine Partei). Krainer verwies in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass die ÖVP hohe Summen an Spenden eingesammelt hatte.

Und: Aus den Unterlagen wisse man, dass die ÖVP den Wunsch hatte, an Haarbüschel von Strache (zum Nachweis etwaigen Drogenkonsums, Strache bestritt ihn stets, Anm.) heranzukommen. Von einem Angebot an die ÖVP wisse man nichts, so M. Hintergrund: M.s Klient, der damalige Bodyguard Straches, soll dessen Haare über einen Friseur beschafft haben.

Krainer führte später aus, dass ein ÖVP-naher Anwalt und „eine zweite sehr ÖVP-nahe Person“ Geld für belastendes Material geboten hätten, M. habe in seiner Aussage von „40.000 bis 70.000 Euro“ gesprochen. Laut Krainer war das einige Male, dass M. von einer Partei Geld geboten worden sei. M. sagte dazu freilich nichts. Gerstl wiederum schon: Die ÖVP-nahen Personen hätten das bestritten.

„Rechte Politik“

NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter bezog seine Fragen auf die zuletzt erschienenen Interviews mit H., der ein Gespräch mit einem Journalisten erwähnte, ohne diesen namentlich zu nennen. M. gab sich dazu wortkarg, auch lieferte er keine Angabe zur Frage, ob er Journalisten aus dem Umfeld der ÖVP kenne. Auf die Frage, ob er sich mit „rechter Politik“ beschäftige (der Drahtzieher H. hatte diesen Begriff verwendet), sagte M., dass er darüber gesprochen und sich darüber Gedanken gemacht habe („Bin politisch interessiert“).

„Habe mich diesem Ausschuss nicht aufgedrängt“

Krainer sorgte gegen Ende der Befragung noch für Lacher, als er M. unter Verweis auf die weit überwiegenden Entschlagungen fragte, ob er sonst noch irgendetwas beitragen oder sagen wolle. M. dazu: „Nein, ich habe mich diesem Ausschuss ja auch nicht aufgedrängt.“ Das Befragungsfazit von ÖVP-Fraktionsführer Gerstl fiel recht schroff auf: M. habe einen Entschlagungsrekord geschafft, die Auskunftsperson müsse offenbar schuldhaftes Verhalten angehäuft haben, wie er sinngemäß sagte. „So geschwitzt wie Sie hat hier noch niemand“.

Das wollten SPÖ und NEOS nicht so stehen lassen: Krainer und NEOS-Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper forderten Sobotka auf, gegen die „Unterstellungen“ Gerstls einzuschreiten. „Wollen Sie ihm nicht Feedback geben“, fragte Krainer Sobotka. Dieser wollte sich „das anschauen“, unmittelbar verzichtete er aber auf eine Reaktion auf Gerstls Aussagen – schließlich sei das eine politische Stellungnahme Gerstls gewesen, wie sie „hier leider Gottes immer wieder“ stattfänden.