SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
APA/Herbert Neubauer
„Zahnlos“

Opposition kritisiert Maßnahmen für Tirol

Die Opposition hat scharfe Kritik an den Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der CoV-Variante B.1.351 in Tirol geübt. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nannte das Vorgehen des Bundes am Mittwoch „zögerlich“ und „zahnlos“. Die FPÖ dagegen forderte, alle Maßnahmen „unverzüglich“ aufzuheben. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ließ indes offen, ob es zu Nachschärfungen kommen wird.

„Diese Maßnahmen der Bundesregierung für Tirol werden nicht verhindern, was schon längst hätte verhindert werden müssen“, warf Rendi-Wagner der Regierung bei einer Pressekonferenz vor, „dem neuen Virus Tür und Tor zu öffnen“. Die Parteichefin würde ein forscheres Vorgehen begrüßen und forderte eine zumindest zweiwöchige regionale Quarantäne in besonders betroffenen Bezirken und Massentests.

Scharfe Kritik übte Rendi-Wagner auch am fehlenden Überblick über die Verbreitung der CoV-Varianten in Österreich. Einen ersten Bericht darüber hatte die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) am Dienstag erstellt. Der der APA vorliegende, aber noch nicht offiziell veröffentlichte Bericht weist für Tirol bisher 162 Fälle der erstmals in Südafrika entdeckten Variante B.1.351 auf, in anderen Bundesländern nur vier.

Die Regierung nannte am Dienstag die Zahl von 293 B.1.351-Fällen in Tirol. Rendi-Wagner kritisierte, dass es immer noch keinen Überblick in Echtzeit über die Verbreitung der Virusvarianten gibt. Fachleute hätten bereits vor Wochen vor B.1.351 gewarnt, trotzdem habe die Regierung abgewartet, verhandelt und über Zahlen gestritten.

Anschober: Engmaschiges Testen wichtig

Gesundheitsminister Anschober sagte am Mittwoch nach dem Ministerrat, es komme jetzt vor allem auf besonders engmaschiges Testen an. Da gebe es auch eine ganze enge Zusammenarbeit mit Tirol. Mittwochabend werde eine erste Bilanz gezogen: „Sollte es zusätzlichen Handlungsbedarf geben, werden wir uns mit dem Land Tirol verständigen.“

Insgesamt ist Anschober der Meinung, dass sich die Strategie mit Rein- und Raustesten bewähre. So würden beispielsweise über einen Friseurbesuch jene gewonnen, die bisher keine Tests absolviert hätten. Überlegungen, die Tirolerinnen und Tiroler mit besser gegen B.1.351 wirkenden Impfstoffen zu versorgen, hat Anschober nicht. Das sei „überhaupt kein Thema“. Derzeit gelte die ganze Konzentration darauf, diese Variante einzudämmen. Alle anderen Fragen seien zweitrangig.

Weitere Maßnahmen für Bezirk Schwaz

Im Bezirk, wo besonders viele B.1.351-Fälle verzeichnet wurden, soll es unterdessen weitere Maßnahmen geben. Das Land hat einen Sechspunkteplan vorgestellt, der unter anderem Gurgeltests für zu Hause, Impfpriorisierungen und Distanzunterricht vorsieht – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Rendi-Wagner: Öffnungsschritte „Spiel mit dem Feuer“

Als „Spiel mit dem Feuer“ abgelehnt werden von Rendi-Wagner die diese Woche in Kraft getretenen österreichweiten Öffnungsschritte. Die Infektionen und das Risiko seien nach wie vor zu hoch. Die SPÖ-Chefin warf der Regierung vor, mit der „Daueröffnungsdiskussion“ zur „Corona-Müdigkeit“ der Menschen beigetragen zu haben. Hier brauche es eine „klare Kommunikation und konsequente Linie“.

SPÖ kritisiert langsames Vorgehen

Neben einigen Fachleuten kritisiert auch die Opposition die Reaktionen der Regierung auf die CoV-Varianten. SPÖ-Chefin Rendi-Wagner zufolge wurde zu lange gestritten und verhandelt.

Dass auch die Linie der SPÖ in dieser Frage nicht einheitlich ist, ficht Rendi-Wagner nicht an. So hatte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die Öffnungsschritte der Regierung mitgetragen, und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker hatte zuletzt sogar eine noch weitgehendere Öffnung an vier Tagen pro Woche gefordert. „Die politische Verantwortung für die Öffnungen trägt die Bundesregierung und niemand anderer“, wies die SPÖ-Chefin die Frage nach einer Doppelstrategie der SPÖ in dieser Sache zurück.

FPÖ: „Alles aufsperren“ in Tirol

Die FPÖ sprach sich am Mittwoch dagegen gegen die Ernennung Tirols zur „Testspflichtzone“ aus. „Liebe Tirolerinnen und Tiroler, liebe Landsleute, wir sperren alles auf“, richtete sich Nationalrat Peter Wurm in einer Aussendung an die Bevölkerung. Er forderte Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) auf, „unverzüglich“ alle CoV-Maßnahmen aufzuheben. Außerdem schlug Wurm vor, dass die Tiroler Schützen die Polizei bei den Kontrollen unterstützen könnten.

„Alle Covid-19-Maßnahmen wie etwa die Maskenpflicht sollen fortan nur noch auf freiwilliger Basis passieren. Die Entscheidung, unser Land Tirol abzuriegeln, ist völlig unverständlich und basiert auf keinerlei Verhältnismäßigkeit oder logischen, auf nachvollziehbarer Datenlage basierenden Fakten“, so Wurm. Vor allem die „schwer angeschlagene“ Gastronomie und Hotellerie solle ihre Pforten wieder öffnen dürfen, fügte er hinzu.

FPÖ-Bundesparteichef Norbert Hofer
APA/Roland Schlager
Hofer forderte erneut einen neuen Impfplan für Österreich

FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer bekräftigte unterdessen die Forderung seiner Partei nach einem neuen Impfplan. Er begründete das damit, dass der Impfstoff von AstraZeneca bei der Virusvariante B.1.351 nur eine sehr geringe Wirksamkeit habe. Hofer glaubt auch nicht, dass die Verbreitung dieser Variante auf ganz Österreich durch die verpflichtenden Ausreisetests aus Tirol gestoppt werden kann.

Stationäre und mobile Kontrollen geplant

Das Prozedere bei den am Freitag startenden verpflichtenden negativen Tests bei der Ausreise aus Tirol nimmt indes Formen an. Rund 1.000 Polizistinnen und Polizisten und 600 Bundesheerangehörige sollen im Einsatz sein, hieß es vom Innenministerium, der Landespolizeidirektion Tirol und dem Bundesheer. Es würden sowohl an stationären als auch mobilen Standorten Kontrollen an allen Landesgrenzen durchgeführt.

Das Planen des Einsatzkonzeptes sei ein „Großauftrag“ für die Landespolizeidirektion Tirol, sagte Pressesprecher Stefan Eder. Sowohl das Straßennetz als auch die Züge und der Flughafen sollen kontrolliert werden. Wie die Kontrollen genau aussehen werden, konnte man seitens der Tirol Polizei noch nicht sagen. Man warte auf die Verordnung. Unterstützung wird die Tiroler Polizei von Kolleginnen und Kollegen aus Vorarlberg und Salzburg sowie von den Bildungszentren bekommen. Bei Kontrollen in Zügen erhält die Polizei Unterstützung vom Bundesheer.

Von der Leyen: „Das Wichtigste ist Sequenzierung“

Am Mittwoch äußerte sich auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Ausbreitung von B.1.351 in Tirol. „Das Wichtigste ist Sequenzierung“, sagte von der Leyen. Auf die Frage, ob sie Vertrauen in die Bundesregierung im Umgang mit der Lage in dem Bundesland habe, antwortete von der Leyen: „Ich habe großes Vertrauen in alle unsere Mitgliedsstaaten.“ Denn sie wisse, mit „welcher Ernsthaftigkeit die Staats- und Regierungschefs schon seit Wochen das Thema der Sequenzierung verfolgen“, so die EU-Kommissionspräsidentin in Brüssel.