Menschen vor der Frankfurter Oper
AP/Michael Probst
Bis 7. März

Deutschland verlängert Lockdown erneut

Zwar sind die Zahlen merklich besser als etwa in Österreich. Dennoch wird der Lockdown in Deutschland bis zum 7. März verlängert. Das gab die deutsche Regierung nach Beratungen mit den Ländern am Dienstag bekannt. Bereits sechs Tage vor dem Handel dürfen allerdings die Friseure wieder aufsperren. Und über die Öffnung der Schulen sollen die Länder überhaupt selbstständig entscheiden.

Drei Wochen muss sich noch gedulden, wer in Deutschland einen neuen Haarschnitt möchte. Mit 1. März dürfen in Österreichs Nachbarland wieder die Friseurgeschäfte aufsperren. Der Einzelhandel, aber auch Museen und Galerien müssen sich noch etwas länger gedulden. Ihre Öffnung ist nun für 7. März angepeilt. Das beschlossen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am Mittwoch bei ihren Beratungen über das weitere Vorgehen in der Pandemie.

Bund und Länder verweisen in ihrem Beschluss auf die sich besonders schnell ausbreitenden Virusmutationen. Diese erforderten erhebliche zusätzliche Anstrengungen, um die Infektionszahlen wieder zu senken. „Daher müssen die Kontaktbeschränkungen in den nächsten Wochen grundsätzlich beibehalten werden.“ Auch die bestehenden anderen Beschlüsse wie etwa die Schließung eines Großteils des Einzelhandels, von Restaurants, Kneipen, Museen und Theatern sollen weiter gültig bleiben.

7-Tage-Inzidenz von höchsten 35

Einen nächsten größeren Öffnungsschritt soll es erst bei einer stabilen 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner geben. Dann sollen der Einzelhandel, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen wieder aufmachen können. Derzeit liegt die 7-Tage-Inzidenz im Schnitt des gesamten Bundesgebiets bei 68, in einigen Regionen aber auch ein Stück höher.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel
Reuters/Michael Sohn
Merkel präsentierte am Mittwochabend die Einigung auf eine Verlängerung des Lockdowns

Dass der Lockdown trotz sinkender Infektionszahlen vorerst noch nicht beendet wird, begründete die Bund-Länder-Runde vor allem mit dem Risiko, das von einer Verbreitung von neuen ansteckenderen Varianten des SARS-CoV-2-Virus ausgeht. Das Kanzleramt hätte die ursprünglich bis zum kommenden Sonntag geltenden Einschränkungen für Handel, Gastronomie, Amateursport und Kultur deshalb gerne bis zum 14. März beibehalten. Das geht aus einem früheren Entwurf hervor, der vor der Sitzung kursierte. Dieser Zeitraum war den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten aber zu lang.

Schulen und Kindergärten Ländersache

Nicht bundesweit geregelt wird die Öffnung der Schulen und Kindergärten. „Die Länder werden das in eigener Verantwortung entscheiden“, hieß es dazu Mittwochabend von Merkel. Sie habe bestimmte eigene Vorstellungen gehabt, sagte Merkel, aber im Föderalismus gebe es tief verankerte Länderzuständigkeiten, und das seien Schule und Kindergärten. Sie hätte sich jedoch eine Öffnung der Bildungseinrichtungen um den 1. März herum gewünscht, so die Kanzlerin.

Der Beschluss von Bund und Ländern stellt dazu fest, dass Schulen und Kindergärten als erster Bereich schrittweise wieder geöffnet werden sollen. „Die Länder entscheiden im Rahmen ihrer Kultushoheit über die schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht und die Ausweitung des Angebots der Kindertagesbetreuung“, heißt es in dem Dokument. Berlin plane diesen Schritt für den 22. Februar, sagte der Regierende Bürgermeister der Stadt, Michael Müller (SPD), Mittwochabend. Auch andere Bundesländer orientierten sich an diesem Termin, so der aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK).

Änderung des Impfplans angedacht

Mehr Sicherheit in Klassenzimmern und Kindergärten sollen vermehrte Schnelltests bringen. Außerdem wurden die Gesundheitsminister beauftragt zu prüfen, ob Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher früher als bisher vorgesehen geimpft werden können. Merkel habe darauf hingewiesen, dass gerade Erzieher keine Möglichkeit hätten, die notwendigen Abstände einzuhalten, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

Die meisten Kindergärten und Schulen in Deutschland sind seit Mitte Dezember geschlossen bzw. nur in stark eingeschränktem Betrieb. Für Abschlussklassen gibt es Ausnahmen und für Kindergartenkinder und Schülerinnen und Schüler in der Volksschule Betreuungsangebote, wenn Eltern keine anderen Möglichkeiten haben. Die Länder handhaben das unterschiedlich streng. In Niedersachsen findet seit Jänner an Grundschulen auch bereits in eingeschränkter Form Unterricht statt. Sachsen hatte bereits am Dienstag beschlossen, in der kommenden Woche den Grundschul- und Kindergartenbetrieb wieder aufzunehmen.

Bedeutung der Friseure für „Körperhygiene“

Die vorzeitige Öffnung von Friseurbetrieben soll „unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts mit Reservierungen sowie unter Nutzung medizinischer Masken“ zulässig sein. Zur Begründung heißt es in dem Beschluss: „Vor dem Hintergrund der Bedeutung von Friseuren für die Körperhygiene und der jetzt bereits seit Längerem bestehenden Schließung erscheint es erforderlich, die Inanspruchnahme zu ermöglichen, da erhebliche Teile der Bevölkerung, insbesondere ältere Menschen, auf diese angewiesen sind.“

FDP-Vize sieht „offenen Rechtsbruch“

Scharfe Kritik kam noch Mittwochabend von der Oppositionspartei FDP. „Dass wir die Maßnahmen, die die Ministerpräsidentenkonferenz für eine 200er-Inzidenz eingeführt hat, nahezu unverändert bis zum Inzidenzwert von 35 beibehalten sollen, ist unverantwortlich und ein offener Rechtsbruch“, sagte der Bundestagsvizepräsident und stellvertretender FDP-Chef Wolfgang Kubicki dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die verfassungsmäßigen Kompetenzen gerieten „komplett unter die Räder“.

Dass plötzlich die Ministerpräsidentenkonferenz über die Impfreihenfolge befinden solle, sei „evident verfassungswidrig“, sagte Kubicki. „Dies gehört eindeutig in die Zuständigkeit des Bundestages.“ Er kritisierte zudem, „dass auf einmal die infektionsschutzrechtlich verankerten Inzidenz-Schwellenwerte keine Rolle mehr spielen“. Das zeige „eine Ignoranz gegenüber dem Gesetzgeber, die mit Sicherheit gerichtliche Auseinandersetzungen provozieren wird“.

Kritik aus der Wirtschaft

Auch die Reaktionen von Wirtschaftsvertretern fielen erwartungsgemäß kritisch aus. Der Handwerksverband warnte, dass der verlängerte Lockdown viele Unternehmen „in die Knie zwingen“ werde. Der Deutsche Reiseverband (DRV) beklagte, dass die Branche de facto schon ein Jahr „ohne Perspektive“ im Lockdown sei. Viele Unternehmen stünden „kurz vor der Insolvenz“.

Der „blanke Horror“ ist die Lockdown-Verlängerung auch für den Textilhandel. „Per Ende Februar dürften sich die Verluste des Winter-Lockdowns in den Textil-, Schuh- und Lederwarengeschäften damit auf rund 15 Mrd. Euro aufsummiert haben“, teilte der Hauptgeschäftsführer des BTE Handelsverbands Textil, Rolf Pangels, in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Handelsverband Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE) am Mittwochabend mit.