Ex-US-Vizepräsident Mike Pence wird aus dem Kapitol evakuiert
AP/Senate Television
Vorwürfe untermauert

Verstörende Videos in Trump-Impeachment

Mit verstörenden, bisher unbekannten Videoaufnahmen und einer minutiösen Nacherzählung des gewaltsamen Angriffs auf das US-Kapitol haben die Ankläger im Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump am Mittwoch ihre Vorwürfe gegen den früheren US-Präsidenten untermauert.

Sie beschuldigten ihn, mit seinen Wahlbetrugsbehauptungen über Monate hinweg den Boden für den Angriff bereitet und den Gewaltausbruch schließlich gezielt angezettelt zu haben. Die Anklagevertreter präsentierten im Senat dramatische und zum Teil zuvor unveröffentlichte Videoszenen von der Erstürmung des Kongresssitzes durch Trump-Anhänger Anfang Jänner.

Anhänger des abgewählten Präsidenten hatten am 6. Jänner gewaltsam das Kapitol gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg von Trumps Amtsnachfolger Joe Biden offiziell zu bestätigen. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist.

Überwachungsvideo

Videos von Überwachungskameras werden im US-Senat von der Abgeordneten Stacey Plaskett gezeigt.

„Wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft“

Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Er sagte unter anderem: „Wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet Ihr kein Land mehr haben.“

Die Demokraten werfen ihm daher „Anstiftung zum Aufruhr“ vor und haben im Repräsentantenhaus ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Geführt und entschieden wird dieses Verfahren im Senat. Die Kongresskammer nimmt dabei die Rolle eines Gerichts ein.

Ankläger verwenden Trumps Tweets gegen ihn

Die Anklagevertreter aus dem US-Repräsentantenhaus begannen am Mittwoch damit, ihre Argumente in der Sache vorzutragen. Sie präsentierten Unmengen an Material, um ihre Anschuldigungen zu belegen. Ein großer Teil waren öffentliche Aussagen von Trump selbst: Tweets, Interviews, Videobotschaften, Wahlkampfauftritte und jene Kundgebung am 6. Jänner.

Mit eindringlichen Videoaufnahmen zeichneten die Ankläger außerdem minutengenau den Angriff auf das Kapitol nach: mit wackligen Videos aus den Reihen der Randalierer, die Sicherheitsbarrikaden überrannten, mit roher Gewalt in das Kapitol eindrangen, Sicherheitsleute attackierten, Büros und Sitzungssäle verwüsteten. Mit Polizeifunk-Mitschnitten, in denen Beamte verzweifelt um Verstärkung riefen. Mit Aufnahmen von Körperkameras von Polizisten, die niedergeschlagen wurden. Mit Aufnahmen von Sicherheitskameras aus dem Inneren des Kongressgebäudes, die zeigten, wie sich der Mob im Kapitol ausbreitete und sich Abgeordnete, Senatoren und Mitarbeiter in Sicherheit brachten.

Aufständische kamen Pence sehr nahe

Immer wieder verwiesen die Ankläger darauf, wie nahe die Randalierer Abgeordneten und Senatoren im Kongress kamen – auch dem damaligen Vizepräsidenten Mike Pence. Videoaufnahmen zeigten zum Beispiel, wie Senator Mitt Romney nach der Warnung eines Polizisten gerade noch rechtzeitig umkehren und vor den Eindringlingen fliehen konnte.

Die Abgeordnete Stacey Plaskett aus dem Anklägerteam sagte, der Mob habe Jagd gemacht auf einzelne Politiker, unter anderen auf Pence und die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Plaskett betonte, wenn die Angreifer Pelosi gefunden hätten, dann hätten sie sie getötet.

Stacey Plaskett
AP/Senate Television
Stacey Plaskett, eine der Anklägerinnen, bei ihrem Vortrag im Senat

Berichte über persönliches Erleben

Mitglieder des Anklageteams berichteten auch erneut von ihrem persönlichen Erleben jenes Tages. Die Abgeordnete Madeleine Dean erzählte, wie sie mit anderen Parlamentariern im Plenum des Repräsentantenhaus festgesessen sei, als Randalierer gegen die Tür des Sitzungssaales gehämmert hätten. „Ich werde dieses Geräusch nie vergessen“, sagte sie unter Tränen. „Zu dieser Attacke wäre es nie gekommen ohne Donald Trump.“

Menge „in Raserei versetzt“

Die Ankläger beschuldigten Trump, er habe schon lange vor der Präsidentschaftswahl im November damit begonnen, Misstrauen zu säen und seine Anhänger aufzustacheln. Sie legten dar, wie Trump über Monate die Argumentation aufbaute, er könne die Wahl nur unter einer Voraussetzung verlieren: wenn es zu großangelegtem Betrug komme. Nach der Wahl habe Trump einen Feldzug gegen seine Niederlage gestartet, der schließlich im Gewaltausbruch am Kapitol gegipfelt sei.

Der leitende Ankläger Jamie Raskin sagte, Trump habe seine Anhänger gezielt zu den Protesten geschickt, bereits im Voraus zu Gewalt ermutigt und die Menge am Tag der Attacke „in Raserei versetzt“. Die Randale habe der damalige Präsident mit Enthusiasmus verfolgt. „Er hat es sich im Fernsehen angeschaut wie eine Reality-Show.“ Ein weiterer Ankläger, der Abgeordnete Joaquin Castro, sagte, Trump habe alle Menschen im Kapitol schlicht „dem Tod überlassen“.

Mehrheit für Verurteilung unwahrscheinlich

Mit dem Impeachment-Verfahren wollen die Demokraten Trump auch nach seinem Abschied aus dem Weißen Haus zur Rechenschaft ziehen und zugleich erreichen, dass er für künftige Ämter auf Bundesebene gesperrt wird. Voraussetzung wäre aber, dass der Republikaner in dem Impeachment-Verfahren verurteilt wird. Die dafür nötige Zweidrittelmehrheit im Senat ist derzeit nicht absehbar.

Verfahren für Verteidiger rechtswidrig

Trumps Anwälte weisen die Vorwürfe der Ankläger zurück und bezeichnen das Verfahren gegen den Ex-Präsidenten als verfassungswidrig. Trump hatte den klaren Sieg Bidens bei der Präsidentschaftswahl am 3. November nicht anerkannt. Beweise für eine Manipulation legte er bis heute nicht vor. Sein Lager scheiterte mit Dutzenden Klagen. Trump hat seine Niederlage immer noch nicht eingestanden.