Der österreichische Finanzminister Gernot Blümel
APA/Helmut Fohringer
Hausdurchsuchung

Blümel Beschuldigter in Causa Casinos

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat am Donnerstag gegenüber der APA bestätigt, dass er als Beschuldigter in den Ermittlungen zu Casinos Austria und Novomatic geführt wird. Es folgte nach Angaben aus Blümels Büro eine Hausdurchsuchung beim Minister zu Hause. Die Opposition forderte geschlossen den Rücktritt des Finanzministers.

Er kenne nun nach einem Gespräch mit der Staatsanwaltschaft die Vorwürfe, „diese lassen sich in wenigen Worten aufklären“, so Blümel. Offenbar geht es um potenzielle Parteispenden des Glücksspielunternehmens Novomatic an die ÖVP. „Es wurden keine Spenden von Novomatic angenommen“, so Blümel. Der Finanzminister hatte eigenen Angaben zufolge von seinem Beschuldigtenstatus aus den Medien erfahren, nunmehr gab es ein Gespräch mit dem Staatsanwalt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Der Finanzminister sprach nach seinem Termin bei der WKStA von einem „guten Gespräch“ mit dem Staatsanwalt. „Ich bin froh, dass das Gespräch nun stattgefunden hat. Jetzt kenne ich die Vorwürfe, und diese lassen sich in wenigen Worten aufklären“, meinte Blümel in einer schriftlichen Stellungnahme.

WKStA bestätigt mehrere Hausdurchsuchungen

In einer Pressemitteilung bestätigte die WKStA die Ermittlungen gegen Blümel und zwei weitere Beschuldigte wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Bestechung. „Im Zuge dieser Ermittlungen fanden heute Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten in Privat- und Unternehmensräumlichkeiten statt“, heißt es in der Mitteilung. Es bestehe der Verdacht, dass „ein Verantwortlicher eines Glücksspielunternehmens Spenden an eine politische Partei im Gegenzug für die Unterstützung von Amtsträgern der Republik Österreich bei einer dem Unternehmen drohenden Steuernachforderung im Ausland angeboten“ habe.

Nach Recherchen des ORF und des Nachrichtenmagazins „profil“ hegte die WKStA Verdacht, der damalige Novomatic-Chef Harald Neumann habe Blümel bzw. der ÖVP 2017 eine Spende angeboten – im Abtausch dafür sollte Blümel dem Glücksspielkonzern bei der Lösung von Problemen in Italien zur Hand gehen. Ihren Ausgang nahm die Hausdurchsuchung mit einer SMS aus dem Juli 2017, in der Neumann bei Blümel um einen Termin im Außenministerium ersuchte – und zwar beim damaligen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Damals war Blümel Stadtrat in Wien. Am 12. Juli 2017 schrieb Neumann an Blümel: „Bräuchte kurzen Termin bei Kurz. 1) wegen Spende 2) wegen des Problems, das wir in Italien haben.“ Neumann trat im Februar 2020 als Novomatic-Vorstand zurück und gab familiäre Gründe als Auslöser an.

Anwalt: Spende „karitative Sache“

Tatsächlich hatte die Novomatic im ersten Halbjahr 2017 ein Problem mit den italienischen Finanzbehörden. Wie dem Halbjahresfinanzbericht der Novomatic zu entnehmen ist, hatte die italienische Tochter Novomatic Italia S.p.a. am 5. April 2017 Besuch von der italienische Steuerpolizei. Diese monierte, dass die Italien-Tochter Lizenzgebühren an die Novomatic Gaming Industries GmbH bezahlt und damit ihre Steuergrundlage in Italien minimiert habe.

Ein rechtskräftiger Steuerbescheid lag bei der Erstellung des Halbjahresfinanzberichts noch nicht vor. In der Folge musste Novomatic aber etwas mehr als 20 Millionen Euro Steuern in Italien nachzahlen. Neumann ist derzeit im Ausland. „Bei der Spende handelte es sich nach Erinnerung meines Mandanten um eine karitative Sache, völlig losgelöst von dem Italien-Thema“, sagte Neumanns Anwalt Norbert Wess.

Blümel: „Falsche Vorwürfe“

Im Zuge der Hausdurchsuchung habe er „alle notwendigen Unterlagen und elektronischen Geräte zur Verfügung gestellt“, sagte Blümel. „Ich bin jederzeit bereit, alles weitere Notwendige beizutragen, um eine schnelle Aufklärung zu ermöglichen und die falschen Vorwürfe zu widerlegen.“ Die Razzia muss bereits länger geplant gewesen sein, für eine Hausdurchsuchung braucht es nämlich eine richterliche Anordnung. Wie der „Standard“ berichtete, soll die WKStA deshalb auch nicht glücklich gewesen sein, dass Blümels Beschuldigtenstatus vor zwei Tagen medial bekanntwurde.

Wolfgang Gerstl (ÖVP)
ORF.at/Carina Kainz
Gerstl (ÖVP) sagte im Rahmen des „Ibiza“-U-Ausschusses, er habe vollstes Vertrauen in die Justiz

Spendenliste „öffentlich und für jeden einsehbar“

Nach Informationen der APA geht es um Hilfsansuchen von Novomatic an die Politik wegen Problemen im Ausland sowie potenzielle Spenden an die ÖVP. „Spenden von Glücksspielunternehmen hätten und haben wir nie angenommen, schon gar nicht, wenn noch zusätzlich eine Gegenleistung im Raum stünde“, so Blümel. „Anliegen von österreichischen Unternehmen im Ausland werden täglich an die Politik herangetragen und sind selbstverständlich, wenn es im Sinne des Einsatzes für österreichische Arbeitsplätze geht.“ Die Spendenlisten der ÖVP-Bundespartei und der ÖVP Wien seien „öffentlich und für jeden einsehbar“, versicherte Blümel am Donnerstag.

Dass Blümel als Beschuldigter geführt wird, war vor zwei Tagen öffentlich geworden. Ein „Dossier“-Journalist hatte eine aktuelle Auflistung der im Casinos-Akt als Beschuldigte geführten Personen auf Twitter verbreitet. Eine offizielle Bestätigung gab es nicht, die WKStA gab dazu keine Auskunft. Blümels Anwalt hatte daraufhin bei der Staatsanwaltschaft urgiert, wie denn nun der Status sei. Laut Strafprozessordnung müssen Beschuldigte zeitnah von Ermittlungen informiert werden.

Ermittlungen gegen mehrere Politiker und Vorstände

Kern der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind die Bestellung des Ex-FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvorstand und mögliche Absprachen im Hintergrund. Es besteht der Verdacht, Novomatic habe sich für die Bestellung von Sidlo zum Casinos-Finanzchef nur deshalb eingesetzt, weil im Gegenzug die FPÖ ein Entgegenkommen bei der Vergabe von Lizenzen versprochen habe.

Novomatic war damals einer der drei bestimmenden Aktionäre der Casinos Austria AG, verkaufte seinen Anteil unterdessen an den nunmehrigen tschechischen Mehrheitseigentümer Sazka Group. Die Staatsholding ÖBAG hält 33,24 Prozent an dem Glücksspielkonzern.

Hausdurchsuchung bei Blümel

Blümel bestätigte, dass er als Beschuldigter in der Causa Casinos geführt wird.

Blümel war zu dieser Zeit der ÖVP-FPÖ-Koalition Kanzleramtsminister von Kurz. Ermittelt wird unter anderen auch gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Ex-Novomatic-Chef Neumann. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

SPÖ: „Türkisen Skandalreigen beenden“

Die Opposition sah Blümel schon am Dienstag rücktrittsreif und wiederholte ihre Kritik am Donnerstag. Der SPÖ-Finanzsprecher und Fraktionsführer im „Ibiza“-U-Ausschuss, Kai Jan Krainer, sagte, dass man nicht gleichzeitig Beschuldigter und oberster Aufseher im Glücksspielbereich sein könne. Eine Hausdurchsuchung bei einem amtierenden Minister sei „etwas ganz Seltenes“, in jedem anderen „zivilisierten Land“ würde der Finanzminister seinen Hut nehmen, so Krainer.

Kai Jan Krainer (SPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Carina Kainz
Krainer (SPÖ) und Hafenecker (FPÖ) forderten im Zuge des U-Ausschusses den Rücktritt Blümels

„Es ist völlig klar: Finanzminister Blümel kann keinen Tag länger im Amt sein", ergänzte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried. Er appellierte zudem an Kanzler Kurz. „Kurz muss handeln und Blümel zum Rücktritt bringen oder dem Bundespräsidenten seine Entlassung vorschlagen“, so Leichtfried in einer Aussendung. Auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch forderte in einer Aussendung den „sofortigen Rücktritt“ Blümels und rief Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf den Plan, „den türkisen Skandalreigen“ zu beenden.

FPÖ: „Das wird er nicht aushalten“

Auch FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker forderte im Rahmen des „Ibiza“-U-Ausschusses den Rücktritt Blümels: „Es gibt für mich keine Option, das wird er nicht aushalten.“ Die Entscheidung liege wohl nicht mehr bei Blümel, es sei wohl Sache von Kanzler Kurz. Hafenecker bezeichnete die Regierung als „krachend gescheitert“.

Als „besorgniserregenden Entwicklung, die für Erschütterungen in der Republik“ sorge, beschrieb indes FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer die Lage. Er rief Van der Bellen auf, Kurz zu einem „klärenden Gespräch“ zu bitten. Schon am Dienstag forderte die FPÖ den Rücktritt der gesamten türkis-grünen Regierung.

NEOS: „Das geht sich nicht mehr aus“

NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger ließ unterdessen via Aussendung wissen: „Das geht sich nicht mehr aus.“ „Ein Finanzminister, bei dem in der Causa Glücksspiel eine Hausdurchsuchung stattfindet, kann nicht mehr länger Finanzminister bleiben und muss die Konsequenzen ziehen“, so Meinl-Reisinger. „Der Finanzminister muss zurücktreten.“

Stephanie Krisper
ORF.at/Lukas Krummholz
Für Krisper (NEOS) ist der Verdacht genug, dass Blümel zurücktritt

„Allein der fundierte Verdacht, Blümel habe von Novomatic ,Hilfsansuchen’ und Geld für die ÖVP entgegengenommen, reicht, dass er noch heute sein Amt zurücklegen muss“, so auch Stephanie Krisper, NEOS-Fraktionsführerin im „Ibiza“-U-Ausschuss. Sie spielte weiters auf den Untersuchungsausschuss und Blümels Auftritt Ende Juni 2020 an, bei dem er Erinnerungslücken offenbart und gesagt hatte, er besitze keinen Laptop. „In keinem zivilisierten Land der Welt kann man Beschuldigter im größten Korruptionsverfahren der Gegenwart und gleichzeitig Finanzminister sein“, so Krisper.

NEOS-Generalsekretär Nikola Donig ergänzte: „Was bei Ministerin Aschbacher gut und richtig war, muss bei Blümel erst recht gelten.“ Christine Aschbacher (ÖVP) war aufgrund eines Plagiatsskandals als Arbeitsministerin Anfang des Jahres zurückgetreten. Es gehe nicht nur um das Ansehen der Politik und der Regierung, sondern vor allem auch um das Vertrauen der Bevölkerung in einen Minister, so Donig, „der die Verantwortung für Hunderte Milliarden an Steuergeld und Hilfszahlungen trägt“.

Keine Rücktrittsforderung von Grünen

Der grüne Koalitionspartner schloss sich den Rücktrittforderungen vorerst nicht an. „Minister Blümel muss unverzüglich alles dazu beitragen, um die Vorwürfe zu klären, und vollumfassend mit den ermittelnden Behörden kooperieren“, sagte die grüne Klubchefin Sigrid Maurer in einem Statement am Donnerstagnachmittag. Sie erinnerte aber daran, dass die Hausdurchsuchung „nach Bewilligung durch ein unabhängiges Gericht“ durchgeführt worden sei. „Offenbar gibt es einen begründeten Verdacht, der dies rechtfertigt. Jetzt ist die Staatsanwaltschaft am Zug“, so Maurer.

Wolfgang Gerstl, ÖVP-Fraktionsführer im „Ibiza“-U-Ausschuss, sprach von „nicht nachvollziehbaren Vorwürfen“. „Seitdem Kurz Kanzler ist, hat die ÖVP keine Spenden von Glücksspiel-, Waffen- und Tabakkonzernen angenommen“, so Gerstl – weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Alle Spenden, die es gegeben habe, seien öffentlich einsehbar. Als die Causa ihren Anfang nahm, war Kurz noch Außenminister. Die Frage, ob vielleicht Geld an ÖVP-Vorfeldorganisationen bzw. an ÖVP-nahe Vereine geflossen sei, wollte Gerstl nicht kommentieren: „Ich kann dazu nichts sagen.“ Nur so viel: Er habe volles Vertrauen in die Justiz.