Chick Corea
Reuters/Lucy Nicholson
1941–2021

Jazzlegende Chick Corea ist tot

Der legendäre Jazzpianist Chick Corea ist tot. Der Musiker und Komponist starb im Alter von 79 Jahren an einer Krebserkrankung, wie am Donnerstag auf seiner offiziellen Facebook-Seite mitgeteilt wurde. Die Erkrankung mit einer seltenen Krebsart sei erst vor sehr kurzer Zeit diagnostiziert worden. Er starb bereits am Dienstag.

Der 1941 in Chelsea im US-Bundesstaat Massachusetts als Armando Anthony Corea geborene Musiker galt als einer der bedeutendsten Vertreter des Rockjazz und nahm Dutzende Alben auf. In seiner langen Karriere gewann der Pianist und Keyboardspieler 23 Grammys und wurde insgesamt 67-mal nominiert. Er gewann mehr Jazz-Grammys als jeder andere Musiker.

Kritiker und Leser des international renommierten Jazzblattes „Downbeat“ wählten ihn Dutzende Male auf Platz eins: als Komponisten, Pianisten, Bandleader und in der Kategorie „Bestes Album“.

Chick Corea bei den Grammy Awards
APA/AFP/Robyn Beck
Chick Corea auf der Bühne

„Die Welt braucht mehr Künstler“

„Er war ein geliebter Ehemann, Vater und Großvater und für so viele ein großartiger Mentor und Freund. Durch seine Arbeit und die Jahrzehnte, die er damit verbracht hat, die Welt zu bereisen, hat er das Leben von Millionen Menschen berührt und inspiriert“, hieß es von seiner Prduktionsfirma gegenüber dem Sender NPR.

In der Stellungnahme wurde auch eine letzte Botschaft Coreas übermittelt: Die Welt brauche mehr Künstler, wurde er darin zitiert. Er dankte seinen Weggefährten. Und weiter: „Meine Mission war es immer, die Freude am Gestalten zu bringen, wo immer ich konnte, und das mit all den Künstlern zu tun, die ich so sehr bewundere – das war der Reichtum meines Lebens.“

Enormer Output

Coreas musikalischer Output war enorm: Seit 1968 veröffentlichte er allein rund 60 Alben unter seinen Namen, dazu kamen Dutzende mit diversen Formationen, musikalischen Partnern und als Gastmusiker. Auch stilistisch war er auf keine Genre zu reduzieren und sprengte damit auch die Grenzen des Jazz. Bis 2015 veröffentlichte er damit mehrere Alben pro Jahr, erst dann ließ sein Veröffentlichungsdrang etwas nach. Gleichzeitig war Corea Dauergast auf allen Jazzfestivals dieser Welt. Auch in Österreich war er häufiger und gern gesehener Gast.

Miles Davis als Mentor

Nachdem der Sohn eines Trompeters und Bassisten bereits mit vier Jahren am Klavier gesessen und früh Unterricht genossen hatte, spielte er in jungen Jahren mit Saxofonlegende Stan Getz und Dizzy Gillespie zusammen. Herbie Hancock und Thelonious Monk durchströmten seine Musik ebenso wie Einflüsse aus Lateinamerika. Startrompeter Miles Davis erkannte Coreas Talent und nahm ihn statt Hancock mit auf Tour – mit dem Corea später allerdings auch noch eine Welttournee hinlegen sollte.

Corea stand als Mitglied des Miles Davis Quintetts neben anderen Größen wie dem Saxofonisten Wayne Shorter am Anfang des „Fusion“, als der Jazz sich mit wegweisenden Alben wie Davis’ „In a Silent Way“ (1969) und „Bitches Brew“ (1970) Einflüssen aus dem Rock, Funk und anderen Genres zu öffnen begann. Er selbst debütierte nebenher 1968 unter eigenem Namen mit einer Trioformation mit „Now He Sings, Now He Sobs“.

Als seien all diese Namen nicht genug, begann Corea musikalisch auch Ausflüge in andere Genres, etwa im brasilianisch angehauchten Album „Light As a Feather“, auf dem er mit „500 Miles High“ und „Spain“ brillierte. Ob mit E-Gitarrist Bill Connors, Flamenco-Klängen auf dem Album „My Spanish Heart“ oder seinem rockigen Elektro-Jazz der 80er und 90er Jahre: Nicht zu Unrecht taufte er sein 1992 gegründetes Label Stretch Records, das Grenzen verschieben und Kreativität an die Stelle von Genres stellen sollte.

Chick Corea mit seiner Frau Gayle
Reuters/Mike Blake
Corea mit seiner Ehefrau, der Sängerin und Keyboarderin Gayle Moran

Mitbegründer des Jazzrock

Return to Forever war die Band, die Chick Corea in den 1970er Jahren berühmt machte. Mit der Formation galt er als Mitbegründer des Jazzrock. Er fusionierte Jazz, Rock, brasilianische und andere Latino-Elemente, nahm sogar Anleihen bei Musicals und erntete viel Applaus. Fast vier Jahrzehnte später kehrte der ruhelose Geist wieder zu seinen Anfängen zurück: Er und zwei seiner Mitstreiter von damals, Stanley Clarke und Lenny White, brachten Return to Forever zurück ins Leben.

Den gern kolportierten Gegensatz von klassischer Musik und Jazz verkehrte Corea mit seinem Spiel oft ins Gegenteil, etwa mit seinem Album „The Mozart Sessions“, das er mit Bobby McFerrin und dem Saint Paul Chamber Orchestra aus Minnesota aufnahm. Unvergessen dürfte die Aufführung seines zweiten Klavierkonzerts „The Continents“ im Wiener Mozartjahr 2006 bleiben. Im November 2017 begeisterte Corea zuletzt seine Fans auch hierzulande im Wiener Konzerthaus, der vorletzten Station seiner damaligen World Tour. Er war bekannt dafür, dass er nach einem gelungenen Konzert oft stundenlang allein weiterspielte.

„Regelwerk des Jazz umgeschrieben“

Corea sei „unbestritten einer der unglaublichsten Jazz-Innovatoren aller Zeiten“, schrieb die Grammy-Akademie nach dem Bekanntwerden seines Todes auf Twitter. Er habe über fünf Jahrzehnte das Regelwerk des Jazz umgeschrieben, hieß es weiter.

„Durch seine Arbeit und die Jahrzehnte, die er damit verbracht hat, die Welt zu bereisen, hat er das Leben von Millionen Menschen berührt und inspiriert“, sagte seine Familie in ihrer Stellungnahme. Der britische Künstler Yusuf (auch bekannt als Cat Stevens) bezeichnete Corea als einen der „innovativsten Musiker“, mit denen er jemals gearbeitet habe.

Die Schlagzeugerin Sheila E. schrieb auf Twitter: „Mit seiner Musik änderte dieser Mann mein Leben“, sie habe die Gelegenheit gehabt, öfter mit ihm zu spielen, und bezeichnete ihn als Teil ihrer Familie. „Chick, wir werden dich vermissen, deine Musik und dein strahlendes Licht werden für immer weiterleben.“

Der Hip-Hop-Produzent Q-Tip (ehemals A Tribe Called Quest) nannte Corea einen der bedeutendsten „Pianisten, Keyboardspieler und Songwriter aller Zeiten“. Coreas Musik hatte wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Hip-Hop, Künstler wie Eric B. & Rakim, Biz Markie, Busta Rhymes bis hin zu Madlib und Flying Lotus nahmen Anleihen an seinen Aufnahmen.

Mit Scientology in den Schlagzeilen

Abseits seiner Musik geriet Corea nur wegen seiner Zugehörigkeit zu Scientology in die Schlagzeilen. Seine Musik sei von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard beeinflusst, sagte er öfter, der Name taucht auch regelmäßig in den Danksagungen auf seinen Alben auf.

Als die Landesregierung des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg seinen Auftritt bei der Leichtathletik-WM 1993 in Stuttgart wegen der Scientology-Verbindung ablehnte, zog der US-Musiker vor Gericht. Er erhob Klage gegen die „Verletzung (seiner) Menschenrechte“, wurde aber vom Gericht abgewiesen.