Finanzminister Gernot Blümel
APA/Helmut Fohringer
Korruptionsexperte

Blümel vor „langer Durststrecke“

In den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) weist dieser alle Vorwürfe zurück. Auch die ÖVP steht fest hinter ihrem Finanzminister und äußert in einer parlamentarischen Anfrage Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Leicht dürfte die kommende Zeit für Blümel aber nicht werden, sagte zuletzt auch der Korruptionsexperte und ehemalige Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler.

„Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass auch einem Minister die Unschuldsvermutung zugutezukommen hat. Das heißt, solange er nicht verurteilt ist, gilt er als unschuldig, und dann hat er auch sein Amt auszuüben, aber wie schwer ihm das gemacht wird, das muss er sich im Klaren sein“, sagte Fiedler am Samstag in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“.

Blümel hat als Finanzminister die Aufsicht über das Glücksspiel, ist zugleich aber auch Beschuldigter in einem diesbezüglichen Verfahren. Er müsse sich klar darüber sein, dass er „im Brennglas der Öffentlichkeit steht“, so Fiedler. „Das sind keine juristischen Argumente, sondern das sind Fakten, mit denen er sich auseinanderzusetzen hat. Und da wird er vermutlich eine lange Durststrecke durchzuhalten haben, wenn er sich entschließt, im Amte zu bleiben.“

Frage nach Haltung der Partei

Eine Frage ist für Fiedler aber auch, wie sich die eigene Partei zu einem Minister verhalte, der aktuell als Beschuldigter geführt werde. „Hält sie das für tragbar oder ist sie der Meinung, dass ein solcher Minister der Partei schadet“, sagte der ehemalige Rechnungshof-Präsident.

Der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler, Präsident des Beirats Transparency International Österreich
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Der ehemalige Rechnungshof-Präsident (hier auf einem Archivbild aus 2012) erwartet für Blümel keine leichte Zeit

Im Falle der ÖVP ist diese Frage freilich zurzeit recht klar zu beantworten. In allen Aussagen steht die Partei fest hinter ihrem Finanzminister – und verweist etwa auf Ermittlungen gegen Politiker in der Vergangenheit, etwa gegen den damaligen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Diese Vergleiche seien auch zulässig, meint Fiedler. Der gegenständliche Fall unterscheide sich von Ermittlungen wie gegen Faymann allerdings durch die Hausdurchsuchung. Die sei zwar ein zulässiger Ermittlungsschritt, habe in der Öffentlichkeit aber einen „ganz anderen Stellenwert“. Man dürfe aber nicht die Meinung vertreten, dass jeder, bei dem eine Hausdurchsuchung stattgefunden habe, schuldig sei. „Das wäre falsch“, so Fiedler.

ÖVP stellt parlamentarische Anfrage an Justizministerium

Die Hausdurchsuchung wird nun jedenfalls auch Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage der ÖVP an das Justizministerium. Darin will die Abgeordnete Michaela Steinacker Genaues zur Vorgehensweise der WKStA wissen – und wirft der Behörde zugleich auch Fehler vor. „Wer trägt für die Verfehlungen die Verantwortung, und was sind die Konsequenzen?“, wird etwa gefragt.

Der ÖVP-Klub will – vom Ressort des grünen Regierungspartners – unter anderem wissen, wie der Beschuldigtenstatus von Blümel vorher in die Medien gelangen konnte, ob Beschuldigtenrechte des Ministers verletzt worden seien und wer allenfalls dafür verantwortlich sei. Auch die Beschuldigungen selbst werden in der Anfrage erneut zurückgewiesen und als unwahr bezeichnet: „Ist es nicht problematisch, dass die Basis für die Ermittlungen und die Hausdurchsuchung ein Termin und eine Spende sind, obwohl es weder eine Spende noch einen Termin gegeben hat?“

Zudem werden in der parlamentarischen Anfrage Formulierungen in den Akten als „den parteipolitischen Diktionen der Sozialdemokratie bzw. der Freiheitlichen Partei“ entsprechend bezeichnet, etwa jene von der „Machtübernahme“ durch Sebastian Kurz. Veranstaltungen, bei denen teilweise bis zu hundert Personen anwesend gewesen seien, würden außerdem dargestellt, „als ob es sich dabei um Vieraugengespräche bzw. vertrauliche Einzelgespräche gehandelt hätte“. Und nicht zuletzt will der ÖVP-Klub von der Justiz wissen, wie diese weiter vorgehe, nachdem Blümel „innerhalb von 48 Stunden sämtliche Vorwürfe als falsch darlegen konnte“.

Blümel weist Vorwürfe von sich

Der Finanzminister war noch vor dem Wochenende in die Offensive gegangen. In einer Pressekonferenz – und später auch noch einem Interview mit der ZIB2 – dementierte er am Freitag die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, wonach sich die Novomatic gegen Spenden an die ÖVP eine Gefälligkeit erkauft hätte.

In einer eidesstattlichen Erklärung schloss er aus, dass von der Novomatic in seiner Zeit weder Spendengelder an die ÖVP Wien noch an ÖVP-nahe Vereine geflossen seien. „Ich will und muss Verleumdungen entgegentreten“, sagte Blümel. „Wer etwas anderes behauptet, wird von mir geklagt werden.“ Umgehungskonstruktionen schloss Blümel jedenfalls für die Wiener ÖVP aus: „Ich kann das für meinen Bereich mit Sicherheit ausschließen.“

Finanzminister Blümel: „Haben keine Novomatic-Spenden erhalten“

Im ZIB2-Interview nimmt Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zu den Vorwürfen gegen ihn in der Causa Novomatic Stellung.

Blümel sagte, er „wisse“, dass sich die Causa aufklären werde. „Sie können mir glauben, dass ich größtes Interesse habe, dass das rasch und umfänglich passiert“, so Blümel. Eine Unvereinbarkeit mit seiner Tätigkeit als Finanzminister, der auch für das Glücksspiel zuständig sei, gebe es nicht, außerdem sei im Regierungsprogramm festgelegt, dass dieses einer weisungsfreien Behörde überantwortet werden solle.

Novomatic-Mail zu Parteispenden

Noch ist das freilich nicht der Fall. Das verleiht auch einer weiteren E-Mail des Glücksspielkonzerns Novomatic Brisanz, das am Samstag durch Recherchen von „profil“ und ZIB2 bekanntwurde. Am 2. Juni 2017 schrieb der damalige Vorstandschef Harald Neumann in Bezug auf eine entsprechende Diskussion zu Parteispenden in Deutschland: „Die Konzernrichtlinie hatte die Absicht, dass keine verdeckten Zahlungen an Parteien in all unseren Ländern vorgenommen werden dürfen! Ich halte nichts davon gesetzlich erlaubte und transparente Zahlungen an Parteien gänzlich zu unterbinden!“

„Wir werden dies in einigen Ländern machen müssen und sollten uns nicht durch unsere Richtlinien einschränken“, schrieb Neumann weiter und: „Dh wir ändern die Richtlinie in der Form, dass diese Zahlungen nur dann stattfinden dürfen, wenn sie im gesetzlichen Rahmen und transparent vorgenommen werden! Eine Meldung (und nicht Genehmigung) an das Compliance Komitee soll aber bleiben.“

Filzmaier: „Fortgesetzte Tragikkomödie“

All das dürfte die kommende Zeit für Blümel nicht einfach machen, wie bereits Donnerstagabend auch der Politologe Peter Filzmaier in der ZIB2 darlegte. Die juristische Unschuldsvermutung für Blümel sei richtig und wichtig, sagte Filzmaier. Er verwies allerdings darauf, dass das Finanzministerium für die Glücksspielaufsicht zuständig ist. Bei einem Vorwurf der Bestechlichkeit durch einen Glücksspielkonzern stehe die Frage der Unvereinbarkeit und der Handlungsfähigkeit im Raum.

Filzmaier sah eine „fortgesetzte Tragikomödie: die Parteien und das liebe Geld“. Das komödiantische Element sei dabei, dass einfach via Textnachricht lobbyiert werde. Es fehlten nach wie vor Sanktionen für Parteienvertreter, wenn sie Spenden an die Partei oder parteinahe Vereine nicht angeben. Der Rechnungshof könne nach wie vor nicht überprüfen, was in den Konten der Parteien geschehe.

Problem für Handlungsfähigkeit

Auch Ex-Staatsanwalt Georg Krakow, Vorstandsmitglied von Transparency International, forderte mehr Handhabe gegen verdeckte Parteispenden, eine Reform des Korruptionsstrafrechts und effektivere Kontrollen durch den Rechnungshof. Dafür brauche es auch eine Änderung des Parteiengesetzes, forderte Krakow am Freitag im Ö1-Morgenjournal.

Die Frage, wann bei Ermittlungen ein Rücktritt angebracht sei, ist laut dem ehemaligen Kabinettschef im Justizministerium allerdings „gar nicht einfach zu beantworten“. Es komme darauf an, „wie sehr sich ein Tatverdacht schon verdichtet hat“. Nur eine Anzeige oder ein Ermittlungsverfahren allein würden nicht reichen. Es gelte die Unschuldsvermutung, so Krakow. Sehr wohl könnte eine Ermittlung aber die Handlungsfähigkeit eines Regierungsmitglieds einschränken. „Insbesondere dann, wenn die Ermittlungen im Zusammenhang stehen mit Zuständigkeiten, die ein politischer Funktionsträger aktuell hat, weil natürlich alle ganz genau auf diese Zuständigkeit schauen werden und wie er diesbezüglich agiert“, sagte der Anwalt.

Opposition lädt Blümel vor Nationalrat

Ganz besonders gilt das für die Opposition. SPÖ, FPÖ und NEOS forderten am Freitag, dass Blümel – zumindest auf Zeit – sein Amt zurücklege. Zugleich rief die Opposition die Kanzlerpartei auf, alle Spenden auch an ÖVP-nahe Vereine offenzulegen. Konkret beantragten die drei Oppositionsparteien gemeinsam eine Sondersitzung des Nationalrats, die am Dienstag stattfinden wird. SPÖ, Freiheitliche und NEOS verlangen, dass der Ressortchef „angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe“ gegen ihn Rede und Antwort steht.

Schwierige Situation für Grüne

Der grüne Koalitionspartner äußerte sich nach Blümels Stellungnahme am Freitag bisher nicht mehr zu der Causa. Noch am Freitagvormittag hatte Klubchefin Sigrid Maurer von Blümel Aufklärung zu möglichen Spenden an ÖVP-nahe Vereine gefordert. Erst dann könne man seine Amtsfähigkeit beurteilen. Ob Blümels eidesstattliche Erklärung den Grünen reicht, blieb bis Samstag allerdings offen.

Politberater Thomas Hofer sprach am Freitag im Ö1-Morgenjournal von einer schweren Krise, die die gesamte ÖVP beeinflusse. Die Grünen könnten das laut Hofer „mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen“. Lachend, da jetzt „quasi die ÖVP derzeit das Bummerl hat und nicht wie beim Thema Abschiebungen die Grünen massiv unter Druck sind“, so Hofer.

Man dürfe aber nicht vergessen, dass die Grünen in der Regierung sind und, wenn jetzt ein Misstrauensantrag gegen den Finanzminister komme, die Grünen ihm klarerweise zur Aufrechterhaltung der Koalition wieder „die Stange halten müssten“. Das sei etwas, worin SPÖ und NEOS als Oppositionsparteien den Grünen bei einem ihrer Kernthemen – Stichwort Transparenz, Stichwort Antikorruption – Zielgruppen streitig machen könnten „und die Grünen nicht so agieren können, wie wenn sie noch in Opposition wären“, so Hofer.