Abstimmung im US-Senat
AP/Senate Television
Impeachment-Prozess

Freispruch für Trump

In seinem zweiten Impeachment-Prozess ist der frühere US-Präsident Donald Trump am Samstag – wie erwartet – im Senat freigesprochen worden. Zwar stimmte eine Mehrheit von 57 zu 43 Senatoren und Senatorinnen für einen Schuldspruch – unter ihnen sieben Republikaner. Die für eine Verurteilung notwendige Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen wurde aber klar verfehlt.

Der demokratische Abgeordnete und Führer der Anklage, Jamie Raskin, forderte zuvor in seinem Schlussplädoyer einen Schuldspruch für Trump wegen der „Anstiftung zum Aufruhr“ und einen Ausschluss von künftigen öffentlichen Ämtern auf Bundesebene. Trump habe keine Reue gezeigt, sondern sich an der Gewalt „ergötzt“. Es handle sich um eine gravierende Missachtung seines Amtseids, so Raskin. Die Demokraten wollten mit einem Schuldspruch erreichen, dass es Trump nicht mehr möglich gewesen wäre, sich bei der Wahl 2024 erneut um die Präsidentschaft zu bewerben. Das hat Trump bisher nicht ausgeschlossen.

Trumps Verteidiger Michael van der Veen stellte diesen im Schlussplädoyer als unschuldig dar: „Zu keinem Zeitpunkt haben Sie etwas gehört, das jemals als Ermutigung oder Zustimmung zu einem Aufruhr durch Herrn Trump ausgelegt werden könnte.“ Trump habe zu keiner Zeit zu Gewalt aufgerufen. Nur ein kleiner Teil der Teilnehmer der Proteste sei gewalttätig geworden.

Jamie Raskin
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Anklageführer Raskin hatte einen Schuldspruch für Trump gefordert

Das sieht wohl auch der amtierende US-Präsident Joe Biden anders. Er denke an jene, die beim Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner ihr Leben verloren hätten, sagte der Demokrat am Samstagabend nach dem Freispruch Trumps. „Dieses traurige Kapitel unserer Geschichte erinnert uns daran, wie zerbrechlich die Demokratie ist“, sagte Biden. Gewalt und Extremismus hätten keinen Platz in den Vereinigten Staaten.

Trump: „Unsere Bewegung hat jetzt erst angefangen“

Trump selbst begrüßte den Freispruch des Senats gegen ihn. Es sei nun eine „neue Phase in der größten Hexenjagd in der Geschichte unseres Landes“. Seine politische Bewegung stehe erst am Anfang. Er freue sich auf die „unglaubliche gemeinsame Reise, für unser ganzes Volk amerikanische Größe zu erreichen“, erklärte Trump am Samstag in einer Stellungnahme.

„Unsere historische, patriotische und schöne Bewegung, Amerika wieder großartig zu machen, hat jetzt erst angefangen“, erklärte der Republikaner. „So etwas hat es noch nie gegeben!“ Trump dankte den republikanischen Senatoren für den Freispruch. Die Demokraten hätten versucht, den Rechtsstaat zu untergraben, sagte er.

Schumer: Freispruch „eine Schande“

Wohl auch wegen der geringen Erfolgsaussicht auf eine Verurteilung Trumps hat der Senat das Verfahren in Rekordzeit abgeschlossen. Es galt aber schon im Vorfeld als sehr unwahrscheinlich, dass es ausreichend Stimmen für einen Schuldspruch geben würde.

Der Demokrat Chuck Schumer bezeichnete den Freispruch als „Schande“: „Das Versäumnis, Donald Trump zu verurteilen, wird als Schande in die Geschichte des Senats der Vereinigten Staaten eingehen.“ Auch der einflussreiche Anführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell sieht Trump moralisch für die Erstürmung des Kapitols durch seine Anhänger verantwortlich. Trump habe die Erstürmung „orchestriert“ und habe seine Pflichten als Präsident „schändlich“ verletzt. Dennoch stimmte McConnell gegen eine Verurteilung Trumps, weil er das Verfahren nach dem Ende von Trumps Amtszeit für verfassungswidrig hielt.

Aufregung wegen Debatte über Zeugenvorladung

Dem Urteil waren chaotische Stunden vorausgegangen. Denn kurzzeitig hatte es nach einer Verlängerung des Verfahrens ausgesehen, weil der Senat der Vorladung von Zeugen zugestimmt hatte. Raskin hatte Samstagvormittag (Ortszeit) noch für Überraschung gesorgt. Er wollte die republikanische Abgeordnete Jaime Herrera Beutler als Zeugin vorladen.

US-Senat
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Der Vorstoß, beim Impeachment-Prozess eine Zeugin vorzuladen, sorgte im Senat für Chaos

Diese hatte noch am Freitag erklärt, der republikanische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, habe ihr gesagt, dass Trump während der Kapitol-Erstürmung vom 6. Jänner in einem Telefonat Hilferufe ignoriert habe. Das belastet den damaligen Präsidenten zusätzlich.

Denn während McCarthy der Schilderung zufolge Trump in dem Gespräch mit Nachdruck aufforderte, einzuschreiten und seine Anhänger sofort zur Umkehr aufzufordern, soll Trump sich gleichgültig gezeigt haben. Beutler war eine von nur zehn republikanischen Abgeordneten, die gemeinsam mit den Demokraten für das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump stimmten. Diese Äußerungen zu dem Telefonat waren für die Anklage von Bedeutung, da sie Trump nicht nur die Anstiftung zum Sturm auf das Kapitol vorwarfen, sondern auch, dass er nicht eingriff, als das Ausmaß der Gewalt deutlich wurde.

Schriftliche Erklärung statt Vorladung

Doch die demokratischen Ankläger verzichteten auf eine Befragung von Zeugen. Beide Seiten einigten sich letztlich darauf, eine schriftliche Erklärung von Beutler formell als Beweisdokument aufzunehmen.

Jaime Herrera Beutler
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Die Anklage wollte die republikanische Abgeordnete Beutler als Zeugin vorladen

Trumps Verteidiger van der Veen zeigte sich wenig begeistert über die Vorladung von Zeugen. Falls Zeugen geladen würden, brauche er „mehr als 100 Aussagen, nicht nur eine“. Zudem drohten Trumps Anwälte damit, auch die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi vorzuladen. Sie sollte dazu befragt werden, warum die Sicherheitsvorkehrungen vor dem Kapitol-Sturm nicht erhöht worden seien.

Anklage präsentierte bisher unbekannte Videos

In den Tagen zuvor hatte die Anklage und die Verteidigung Gelegenheit, ihre Argumente vorzubringen. Die Ankläger präsentierten Mittwoch und Donnerstag ihre Beweisführung gegen Trump und zeigten dabei verstörende, bisher unbekannte Videoaufnahmen. Damit zeichneten sie minutiös den Angriff auf das Kapitol nach.

In ihrer Anklage machten sie den Ex-Präsidenten direkt für die Erstürmung des Kapitols mit fünf Toten verantwortlich.

„Absurde und monströse Lüge“

Am Freitag wiesen Trumps Verteidiger die Vorwürfe mit harschen Attacken gegen die Demokraten zurück. Die Anklage gegen Trump sei ein „ungerechter und eklatant verfassungswidriger Akt der politischen Rache“, meinte etwa van der Veen im Senat. Es sei eine „absurde und monströse Lüge“, dass Trump vor der Erstürmung des Kapitols in Washington am 6. Jänner zu Gewalt angestiftet habe.

Die Trump-Verteidiger argumentierten damit, dass der gesamte Prozess verfassungswidrig sei, weil der Senat einem Ex-Präsidenten keinen Prozess machen könne. Dieser Linie stimmen die meisten Verfassungsrechtler nicht zu. Von den insgesamt 16 Stunden, die ihnen für ihre Ausführungen zustanden, nahmen Trumps Anwälte nur rund drei Stunden in Anspruch.

Es war bereits das zweite Amtsenthebungsverfahren, dem sich Trump stellen musste. Im ersten musste er sich in der Ukraine-Affäre wegen Machtmissbrauchs und der Behinderung von Kongressermittlungen verantworten. Im Februar 2020 wurde er am Ende jedoch vom Senat von allen Vorwürfen freigesprochen. Mit Ausnahme des Ex-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney stellten sich dabei alle republikanischen Senatoren hinter den Amtsinhaber.