Polizist an der Grenze
Reuters/Christian Hartmann
Gespräche laufen

Verwirrung um Pendlerverkehr nach Bayern

Pendlerinnen und Pendler, die von Tirol nach Deutschland fahren müssen, können doch noch nicht aufatmen. Eine bayerische Landesverordnung, die am Samstagnachmittag bekanntgeworden war, sollte eigentlich ein Schlupfloch ermöglichen und Pendlerverkehr doch zulassen. Samstagabend hieß es dann, dass diese Verordnung möglicherweise wegen strengerer Bestimmungen auf Bundesebene wirkungslos bleiben könnte.

Berlin möchte die Ausnahmen enger fassen als München. Pendler seien bei den Ausnahmen dieser Bundesbestimmungen nicht angeführt, sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion München gegenüber der APA. Es laufen noch Gespräche, so der Sprecher, am Sonntag könne man mehr dazu sagen. Hintergrund der offenen Pendlerfrage sind die neuen deutschen Einreisebestimmungen.

Die Pendlerfrage ist zwischen München und Berlin umstritten, berichtete die dpa Samstagabend. Es könnte laut einem Sprecher des deutschen Gesundheitsministeriums zu einer bundesgesetzlichen Einreiseregelung kommen, die die bayerische Verordnung nur eingeschränkt zur Wirkung kommen lasse.

Deutschland: Strenge Einreisebeschränkungen für Tirol

Ab Sonntag macht Bayern ernst mit den strengen Einreisebeschränkungen aus Tirol. Ein paar Ausnahmen gibt es für ganz wenige Menschen jetzt doch. Aber im wesentlichen darf so gut wie niemand über die Grenze nach Deutschland – selbst dann nicht, wenn ein negativer CoV-Test vorgelegt werden kann.

Wenige Ausnahmen

Ab Sonntag gelten Tirol, Tschechien und die Slowakei für Deutschland als „Virusmutationsgebiete“, aus denen nur noch Deutsche, Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland sowie deren Angehörige einreisen dürfen. Weitere Ausnahmen gibt es für Erntehelfer, Gesundheitspersonal sowie dringende humanitäre Fälle, etwa bei einem Todesfall. Für alle anderen Personen, auch Pendler, geht der deutsche Grenzbalken nicht einmal bei Vorlage eines negativen Coronavirus-Tests in die Höhe. Auch Lastwagenfahrer und sonstiges Transportpersonal im Güterverkehr sind von dem Verbot ausgenommen. Sie müssen einen negativen CoV-Testnachweis mitführen, der nicht älter als 48 Stunden ist.

Außerdem dürfen nur Lenker nach Deutschland einreisen, die sich bereits im Vorfeld registriert haben. Um Rückstaus in Tirol zu vermeiden, soll Lkw-Verkehr ab Sonntag bereits am Brenner kontrolliert werden. Es dürfen nur die Transit-Lkws nach Tirol fahren, welche die Bedingungen für die Weiterfahrt nach Deutschland erfüllen – mehr dazu in tirol.ORF.at.

ZIB-Korrespondentin Schwarz zu neuen deutschen Regeln

Birgit Schwarz, ZIB-Korrespondentin in Deutschland, erläutert die Hintergründe der Einreisebeschränkungen für Tirol.

Gegen die Regelung, dass auch Lkw-Fahrer einen CoV-Test vorweisen müssen, der nicht älter als 48 Stunden alt ist, intervenierte die Slowakei in Deutschland. Diese Maßnahme werde große Probleme verursachen und sei in der Praxis kaum erfüllbar, hieß es aus Bratislava.

Bayern will Schlupfloch ermöglichen

Samstagnachmittag hatte es geheißen, dass Bayern Pendlerverkehr aus Tirol zulassen wird. Personen, „deren Tätigkeit für die Aufrechterhaltung betrieblicher Abläufe dringend erforderlich und unabdingbar ist“, dürfen nach dieser am Sonntag in Kraft tretenden bayerischen Landesverordnung einreisen. Die bayerischen Behörden verlangen jedoch eine entsprechende Bescheinigung des Arbeitgebers oder Auftraggebers.

Diese Bescheinigung sei ab Mittwoch „bei jeder Einreise mitzuführen“ und auf Verlangen vorzulegen, heißt es in der bayerischen Verordnung zur Änderung der Einreise-Quarantäneverordnung. Damit würde sich zu Beginn der Arbeitswoche für jene Tiroler Pendler, die an ihren bayerischen Arbeitsorten unabkömmlich sind, nichts ändern. Sie hätten nämlich noch zwei Arbeitstage Zeit, die entsprechende Bescheinigung bei ihrem Arbeitgeber in Deutschland einzuholen. In der Bundesverordnung sind diese Ausnahmen aber nicht vorgesehen.

Einen Hinweis auf die bayerische Verordnung enthielten am Samstag auch die offiziellen Reisehinweise des Wiener Außenamts. Darin heißt es wörtlich, die „ab 14.02.2021 gültige novellierte bayerische Einreise-Quarantäneverordnung beinhaltet die Möglichkeit zum Pendeln aus Virusvariantengebieten“. Nach APA-Informationen ist diese Bestimmung aber wegen der strengeren deutschen Verordnung gegenstandslos.

Forderungen aus Tirol

Schon zuvor hatte es Forderungen und Unmutsäußerungen aus Tirol gegeben. Denn durch die deutsche Einstufung Tirols als „Mutationsgebiet“ sind ab Sonntag die Grenzen zu Deutschland für die allermeisten Reisenden dicht. Bereits Freitagabend forderten Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und seine Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) für diese Menschen eine Ausnahme. Platter forderte noch am Samstag eine Lösung für alle Pendler. „Ein Verhindern der grenzüberschreitenden Erwerbstätigkeit kann und darf nicht das Ziel eines gemeinsamen Europas sein“, sagte der Landeshauptmann.

Ingrid Felipe und Günther Platter
APA/EXPA/Erich Spiess
Die Tiroler Landesregierung fordert Ausnahmen für Pendler, …

Am Samstag meldete sich auch der Tiroler ÖGB-Chef Philip Wohlgemuth verärgert zu Wort. Die De-facto-Grenzschließung sei ein „Affront gegenüber Pendlern“, sagte er. Vom Tiroler FPÖ-Obmann Markus Abwerzger hieß es, die Grenzschließung sei untragbar und ein Affront gegenüber der Tiroler Bevölkerung – mehr dazu in tirol.ORF.at. Platter bezeichnete die jüngsten Äußerungen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als „letztklassig“. Er habe sich lange zurückgehalten, so Platter, „aber so geht’s nicht“. Söder hatte bei der Einstufung Tirols als Mutationsgebiet gemeint, dass er „kein zweites Ischgl“ erleben wolle.

Seehofer wies EU-Kritik zurück

Doch die deutsche Bundesregierung hatte sich noch zu Beginn des Wochenendes unnachgiebig gegeben. Freitagabend versuchte die EU-Kommission mit Berlin eine Ausnahmeregel für pendelnde Menschen zu erreichen. Die Behörde in Brüssel erinnerte daran, dass die EU-Staaten sich erst kürzlich auf gemeinsame Empfehlungen für das Reisen in CoV-Zeiten geeinigt hätten. Man erwarte, dass alle Länder danach handelten. Grenzschließungen und pauschale Reiseverbote sollten vermieden werden. Zumindest für unverzichtbare Reisen sowie für Grenzpendler sollten Ausnahmen zugelassen werden, so die Kommission.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer
Reuters/Michael Sohn
… der deutsche Innenminister will von solchen Ausnahmen nichts wissen

Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) reagierte auf die EU-Kritik mit wenig Verständnis: „Jetzt reicht’s! Die EU-Kommission hat bei der Impfstoffbeschaffung in den letzten Monaten genug Fehler gemacht“, sagte der CSU-Politiker der „Bild“-Zeitung (Samstag-Ausgabe). „Die EU-Kommission sollte uns unterstützen und nicht durch wohlfeile Hinweise Knüppel zwischen die Beine werfen.“

„Viele Anfragen“ an Polizei

Vonseiten der deutschen Bundespolizei hieß es am Samstag, es gebe „viele Anfragen von Bürgern, die unsicher sind und wissen wollen, wie es weitergeht“. Die Polizei erfülle vor allem ihren grenzpolizeilichen Auftrag, unter anderem die Überprüfung der Schlepperkriminalität. Die mit FFP2-Masken und Handschuhen ausgerüsteten Beamten kontrollieren aber seit Tagen auch verschärft die Einhaltung der CoV-Regeln.

Auf den wichtigen Nebenstrecken seien provisorisch stationäre Kontrollen eingerichtet worden, sagte Scharf. „Es ist nicht so, dass wir jedes Auto anhalten, aber wir schauen in jedes Fahrzeug hinein.“ Von Sonntag an wird das voraussichtlich etwas anders aussehen. „Sehr wahrscheinlich werden wir bei jedem Fahrzeug überprüfen, ob ein negatives Testergebnis vorliegt.“

Innerösterreichische Kontrollen angelaufen

Kontrollen für Menschen, die aus Tirol ausreisen, gibt es freilich auch bei Reisen innerhalb Österreichs. Seit Freitag darf Tirol nur verlassen, wer einen gültigen negativen CoV-Test mit sich führt. Die bisherigen Kontrollen seien „problemlos“ verlaufen, hieß es dazu am Samstag von der Exekutive. Von 16.145 Personen sei 459 die Ausreise untersagt worden, weil sie keinen negativen Test vorweisen konnten.

Grenzkontrolle durch das österreichische Bundesheer am Pass Thurn
APA/EXPA/JFK
An der innerösterreichischen Grenze zu Tirol wird seit Freitag kontrolliert

An den 44 Kontrollbereichen auf Tirols Straßen, am Flughafen und bei Flugfeldern sowie im Bahnverkehr wurden 10.508 Fahrzeuge kontrolliert. Im Einsatz waren durchgehend rund 430 Kräfte von Polizei und Bundesheer. Es sei dabei – bis auf „geringfügige Wartezeiten auf der A12 beim Grenzübergang Kufstein/Kiefersfelden“ – zu keinen Staubildungen gekommen. Insgesamt verliefen die Überprüfungen laut Exekutive ruhig und mit „hoher Akzeptanz“, nur vereinzelt sei es zu „Unmutsäußerungen“ gekommen – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Die meisten Reisenden hatten einen Test dabei, ansonsten hätten sich die vier mobilen Teststationen an den Grenzen zu Salzburg in Waidring, Hochfilzen und Pass Thurn sowie am Übergang nach Vorarlberg in Pettneu am Arlberg bewährt. Über 500 Tests wurden dort durchgeführt, wovon kein einziger ein positives Ergebnis hervorbrachte. Sollte jemand ohne Test erwischt werden, drohen Strafen in Höhe von bis zu 1.450 Euro. Ausgenommen von der Testpflicht ist Osttirol, auch Kinder bis zehn Jahre müssen keinen Test vorweisen. Die Regelung gilt für zehn Tage bis zum 21. Februar. Nötig ist ein Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, das gilt auch für Pendler.