Bundespolizei kontrolliert Reisende an der Autobahn A93 bei Kiefersfelden in Richtung Deutschland
APA/dpa/Angelika Warmuth
Deutsches Einreiseverbot

Weiter Ringen um Tiroler Pendler

Mit Sonntag ist das Einreiseverbot für Tiroler nach Deutschland in Kraft getreten. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte bereits an, dass die Regeln streng kontrolliert werden. Offen ist aber weiterhin, wie es für Grenzpendler zwischen Tirol und Deutschland weitergeht. Noch ist unklar, ob und wie der deutsche Bund die am Samstag präsentierte bayrische Ausnahmeregelung akzeptiert.

„Wer nicht zu einer der wenigen Ausnahmen gehört, kann nicht einreisen“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. Er rechne mit Verzögerungen. „Durch die Kontrollen kann es hier und da zu Wartezeiten kommen. Die Bundespolizei wird den Verkehr nicht einfach durchwinken.“ Mit der Bundespolizei sei aber besprochen, die Kontrollen der Lage angepasst durchzuführen, um größere Rückstaus zu vermeiden. Einreisende müssten einen negativen Coronavirus-Test vorlegen. Das gelte auch für alle Lastwagenfahrer, hieß es. Befürchtete Staus an Grenzübergängen blieben vorerst aus.

Wegen der neuen deutschen Einreiseregeln will Tirol schon ab Sonntag den Lastwagenverkehr aus Italien im Vorfeld kontrollieren und drosseln, um einen extremen Rückstau und einen Verkehrskollaps im Inntal zu verhindern. „Wir lassen es nicht zu, dass Tirol der Parkplatz Europas wird. Aus diesem Grund wird in Abstimmung mit dem Bund eine Verordnung erlassen, die uns Kontrollen bereits am Brenner ermöglicht“, erklärten Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe (Grüne) – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Deutschland: Strenge Einreisebeschränkungen für Tirol

Ab Sonntag macht Bayern ernst mit den strengen Einreisebeschränkungen aus Tirol. Ein paar Ausnahmen gibt es für ganz wenige Menschen jetzt doch. Aber im Wesentlichen darf so gut wie niemand über die Grenze nach Deutschland – selbst dann nicht, wenn ein negativer CoV-Test vorgelegt werden kann.

Nach Angaben der deutschen Bundesregierung dürfen ab Sonntag aus Tschechien und weiten Teilen Tirols nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland einreisen. Tschechien und Tirol gelten als Virusvarianten-Gebiete. Ausnahmen bei der Einreise gibt es für Gesundheitspersonal, Lastwagenfahrer und sonstiges Transportpersonal im Güterverkehr.

Verwirrung um bayrische Ausnahmen

In den betroffenen Regionen auf der anderen Seite der Grenze rief das Vorgehen Deutschlands Kritik hervor. Vor allem, dass die Regeln keine Ausnahmen für Pendler vorsahen, stieß auf Unverständnis und Protest. Am Samstag teilte dann Bayern mit, dass es für Pendlerinnen und Pendler doch Sonderregeln geben werde. Menschen, „deren Tätigkeit für die Aufrechterhaltung betrieblicher Abläufe dringend erforderlich und unabdingbar ist“, dürfen nach einer am Sonntag in Kraft tretenden bayerischen Landesverordnung einreisen. Die bayerischen Behörden verlangen eine entsprechende Bescheinigung des Arbeitgebers oder Auftraggebers.

ZIB-Korrespondentin Schwarz zu neuen deutschen Regeln

Birgit Schwarz, ZIB-Korrespondentin in Deutschland, erläutert die Hintergründe der Einreisebeschränkungen für Tirol.

Nur kurze Zeit nach Bekanntgabe der neuen Verordnung hieß es am Samstag aber, dass die Ausnahmen durch die bundesweiten deutschen Regeln nicht gedeckt wären. Pendler seien bei den Ausnahmen der Bundesbestimmungen nicht angeführt, sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion München. Laut einem Sprecher des deutschen Gesundheitsministeriums könnte es zu einer bundesgesetzlichen Einreiseregelung kommen, mit der die bayerische Verordnung nur eingeschränkt zur Wirkung komme.

Slowakei interveniert wegen Lastwagenfahrern

Forderungen kamen im Vorfeld aber nicht nur aus der Tiroler Politik. Der slowakische Außenminister Ivan Korcok intervenierte bei Deutschlands Außenminister Heiko Maas gegen Reisebeschränkungen für Lastwagenfahrer. Wie das Außenministerium in Bratislava am Samstag auf seiner Website mitteilte, ging es dabei um die Vorschrift, an der Grenze einen höchstens 48 Stunden alten Coronavirus-Test vorzuweisen, um nach Deutschland einreisen zu dürfen.

„Diese Maßnahme wird riesige Probleme verursachen und ist für unsere Lastwagenfahrer in der Praxis kaum erfüllbar“, erklärte Korcok seinem deutschen Amtskollegen nach Angaben seines Ministeriums. Die Slowakei habe deshalb eine diplomatische Note nach Berlin geschickt.

Autoindustrie befürchtet Produktionsstopp

Auch die deutsche Autoindustrie sah durch die Testpflicht gröbere Probleme auf die Branche zukommen. Durch die zu erwartenden Probleme an den Grenzübergängen werde die Automobilproduktion ab Montagmittag größtenteils zum Erliegen kommen, teilte ein Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) am Sonntag in Berlin mit. „Die Werke in Ingolstadt, Regensburg, Dingolfing, Zwickau und Leipzig sind als erste betroffen.“ Die Autoindustrie fordert, bis zum Aufbau ausreichender Testkapazitäten an den Grenzen, mindestens aber für die nächsten vier Tage, auf eine ärztliche Testbestätigung zu verzichten und ersatzweise Selbstschnelltests für Fahrer zuzulassen.

Verweis auf hohe Inzidenz in tschechischer Grenzregion

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verteidigte die Grenzkontrollen bei der Einreise aus Tschechien. „Uns bleibt nichts anderes übrig“, sagte er am Samstag. Der Kampf gegen die Pandemie mache an einer Grenze nicht halt. Bisher sei die sächsische Linie gewesen, Regionen auf der anderen Seite der Grenze genau so zu behandeln, als wären sie ein Landkreis in Sachsen oder Deutschland.

In der tschechischen Region Eger liege die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen aber bei 1.100, sagte er. Bei einer solchen Inzidenz hätte man in Sachsen strenge Beschränkungen wie Ausgangssperren und die Schließung von Geschäften veranlasst, so Kretschmer. „Wenn das jetzt auf tschechischer Seite anders ist, dann müssen wir uns auch anders schützen. Bis jetzt, in den letzten Wochen, haben wir ein gemeinsames Verständnis gehabt. Das scheint jetzt gerade in der Tschechischen Republik anders zu sein.“

Die tschechische Feuerwehr richtete wegen der Verschärfung kurzfristig ein zusätzliches Coronavirus-Testzentrum ein. Es sollte ab Mitternacht in Pomezi nad Ohri vor dem Grenzübergang Schirnding (Bayern) zur Verfügung stehen, wie ein Sprecher bei Twitter mitteilte. Zielgruppe sind insbesondere Lkw-Fahrer.

EU-Kommissarin äußert Skepsis

Nur bedingt Verständnis für die Grenzschließungen zeigte zuletzt EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. „Die Furcht vor den Mutationen des Coronavirus ist verständlich. Aber trotzdem gilt die Wahrheit, dass sich das Virus nicht von geschlossenen Grenzen aufhalten lässt“, sagte Kyriakides der „Augsburger Allgemeinen“. „Gegen die Mutationen helfen nur konsequentes Impfen sowie die Einhaltung der Hygiene-Regeln. Ich halte es für falsch, dass wir wieder zu einem Europa mit geschlossenen Grenzen wie im März 2020 zurückkehren“, so die 64-jährige christdemokratische Politikerin aus Zypern.

Noch vor dem Wochenende hatte die EU-Kommission versucht, Deutschland zumindest zu Ausnahmen für Pendler zu bewegen. Die Kritik der EU-Kommission hatte Seehofer allerdings bereits klar abblitzen lassen. „Die EU-Kommission sollte uns unterstützen und nicht durch wohlfeile Hinweise Knüppel zwischen die Beine werfen", so der deutsche Innenminister gegenüber der „Bild“-Zeitung.

Test und Quarantäne in Italien

Verschärfungen sind allerdings nicht allein auf die deutschen Grenzen beschränkt. Auch Italien schränkte die Einreise aus Österreich weiter ein. Reisende aus Österreich brauchen seit Sonntag einen negativen CoV-Test und müssen in Quarantäne. Der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza will mit der vorerst bis 5. März geltenden Verordnung die Verbreitung der Virusmutationen einschränken. Die italienische Verordnung könnte verlängert werden, sollten es die Umstände erfordern.

Die Maßnahmen gelten für jede Person, die sich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Stunden in Österreich aufgehalten hat, also auch für Durchreisende. Vor der Einreise nach Italien muss ein negativer Test vorgelegt werden, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Innerhalb von 48 Stunden nach der Einreise in Italien müssen sich aus Österreich kommende Personen einem weiteren Test und einer 14-tägigen Quarantäne unterziehen. Danach müssen sie einen negativen Test vorlegen.

Ausreisekontrollen in Österreich

Kontrollen für Menschen, die aus Tirol ausreisen, gelten seit Freitag allerdings auch bei Reisen innerhalb Österreichs. Tirol darf nur verlassen, wer einen gültigen negativen CoV-Test mit sich führt. Auch am zweiten Tag der Kontrollen gab es dabei laut Polizei keine Schwierigkeiten. 355 Menschen wurde die Ausreise untersagt. Das waren rund 100 Menschen weniger als noch am Freitag – mehr dazu in tirol.ORF.at.