Donald Trump beim einsteigen in ein Auto.
Reuters/Carlos Barria
Nach Impeachment

Republikaner in Trump-Frage gefangen

Es waren die Republikaner, die eine rechtskräftige Verurteilung von Ex-Präsident Donald Trump am Wochenende im zweiten Impeachment verhindert haben. Es waren aber auch die Republikaner, die Trump einen zumindest parteipolitischen Freispruch versagten. Es könnte sich als die nachhaltig schlechteste Lösung für die „Grand Old Party“ herausstellen: Denn die Krise der Ausrichtung – mit oder ohne Trump – ist damit prolongiert und könnte den Demokraten bei den Midterm-Wahlen 2022 helfen.

Mit 57 zu 43 war bei der Abstimmung im US-Senat klar, dass eine Mehrheit der Senatorinnen und Senatoren der Meinung ist, dass Trump – mit seinem Verhalten am Tag der Erstürmung des Kapitols durch einen rechten Mob selbst und in den Wochen und Monaten davor – verantwortlich für den Aufstand war. Die für eine Verurteilung in einem Impeachment-Verfahren nötige Zweidrittelmehrheit wurde allerdings verfehlt. Sieben republikanische Senatorinnen und Senatoren stimmten für eine Verurteilung, nötig gewesen wären 16.

Auch wenn ein von den Demokraten angestrebtes Ämterverbot für Trump damit nicht mehr möglich ist – eines ist klar: Der Ausgang dieser zweiten Anklage hat zumindest Trumps Chancen auf eine Wiederkandidatur schwer beschädigt. Dass – anders als beim ersten Impeachment rund um die Ukraine-Affäre – sieben Senatorinnen und Senatoren aus den eigenen Reihen mitstimmten, ist ein Rückschlag für Trump und zeigt, wie gespalten „seine“ Partei ist.

Mitch McConnell
AP/Senate Television
Selten klare Worte gegen Trump fand McConnell

McConnells ungewohnte Eindeutigkeit

Das zeigte sich auch in der Rede des republikanischen Minderheitsführers Mitch McConnell, der zwar gegen eine Verurteilung Trumps stimmte, zugleich aber auch auf die Befürworter einer solchen in der eigenen Fraktion zuging, indem er sagte: Trumps Verhalten am 6. Jänner sei eine „schändliche Vernachlässigung seiner Amtspflicht“ gewesen. „Es gibt keinen Zweifel, dass Präsident Trump praktisch und moralisch für das Provozieren der Ereignisse an diesem Tag verantwortlich ist“, ließ es McConnell, der Trump teils in selbstverleugnerischer Weise über Jahre die Stange hielt, nicht an Klarheit fehlen.

„Er belastet damit die Partei“

Ein anderer Trump getreuer Senator, Lindsey Graham, kritisierte McConnell umgehend: Diese Aussagen würden bei den Midterm-Wahlen 2022 gegen republikanische Kandidatinnen und Kandidaten verwendet werden, wenn die „GOP“ versuchen wird, die Kontrolle im Kongress von den Demokraten zurückzugewinnen. „Ich glaube, mit seiner Rede hat Senator McConnell ausgesprochen, was ihn belastete – unglücklicherweise belastet er damit aber die Republikaner“, so Graham gegenüber Fox News. Graham machte klar, dass für ihn die Partei auch künftig an Trump festhalten muss, um wieder zu gewinnen.

Man kann allerdings davon ausgehen, dass der erfahrene und mit allen taktischen Wassern gewaschene McConnell seine Worte mit Bedacht wählte – und dass ihm auch bewusst war, wie sie im weiteren parteiinternen Richtungsstreit ausgelegt und verwendet werden können.

Trump mit Ermittlungen beschäftigt

Trump selbst – von seiner wichtigsten Plattform Twitter abgeschnitten – hielt sich zuletzt zurück, ließ aber am Samstag erkennen, dass er seinen Zugriff auf die Republikanische Partei nicht aufzugeben gedenkt: Die Bewegung „Make America Great Again“ habe „eben erst begonnen“. Trump wird in naher Zukunft aber vor allem mit mehreren strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert sein, darunter jene in New York und Georgia.

Parteiintern vertieften sich nach dem Voltum im Senat die Bruchlinien zwischen den eindeutigen Trump-Anhängern, den dezidierten Gegnern und jenen, die sich nicht öffentlich deklarieren wollen.

Senator Bill Cassidy von Louisiana, der für eine Verurteilung Trumps gestimmt hatte, war von Trump ergebenen „GOP“-Vertretern in seinem Bundesstaat kritisiert worden. Cassidy sei selbst „Teil des Problems“ und er solle „kein herzliches Willkommen“ erwarten, wenn er zurückkomme. Cassidy verteidigte sich und betonte: „Wenn die Fakten immer bekannter werden und die Leute eine Chance haben, selbst zu urteilen, werden mehr und mehr auf meiner Seite sein“, so Cassidy gegenüber ABC News. „Die Menschen (…) wollen ihren Politikern vertrauen. Sie wollen, dass sie zur Verantwortung gezogen werden.“

Die amerikanische Senatorin Lisa Murkowski.
APA/AFP/Getty Images/Pool
Die Republikanerin Lisa Murkowski fürchtet nicht um ihre Wiederwahl, obwohl sie gegen Trump stimmte

Die US-Variante der Gretchenfrage

Längst ist Trump zur Gretchenfrage der Republikaner geworden: Insbesondere jene Republikanerinnen und Republikaner, die selbst überlegen, sich 2024 für die Präsidentschaftskandidatur zu bewerben, wären wohl froh, wenn Trump und seine Entourage parteiintern entmachtet würden. Sie haben neben prinzipiellen und parteitaktischen Überlegungen auch ein handfestes persönliches Motiv.

Sie und alle anderen republikanischen Funktionäre, die zwar unter der Hand Trump kritisieren, sich aber nicht öffentlich von ihm distanzieren, haben vor allem eines im Blick: Trumps festen Griff auf Millionen enthusiastische bis fanatische Anhängerinnen und Anhänger an der Basis. Sie zu vergraulen, wollen viele republikanische Abgeordnete und Amtsträger auf allen Ebenen nicht riskieren.

Das Trump-Team hatte zuletzt immer wieder versucht, die Partei auf Linie zu halten, indem man darauf verwies, die Unterstützung des Ex-Präsidenten für bestimmte Kandidaten wiege heute schwerer als je zuvor. Das mag zwar angesichts der Zustimmungswerte zum Ende seiner Amtszeit übertrieben sein, unbedeutend ist Trumps Urteil aber keineswegs – schließlich haben ihm bei der Wahl im November mehr als 74 Millionen US-Amerikanerinnen und -Amerikaner ihre Stimme gegeben. Als Drohung dürften die Republikaner auch empfinden, dass Trump nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ vor seinem Abschied aus dem Weißen Haus mit der Idee spielte, eine eigene Partei zu gründen.

Gemäßigte Republikaner im Demokratenlager

McConnell und andere sehen ihrerseits die Notwendigkeit die gemäßigte Parteianhängerschaft, die im November Joe Biden und die Demokraten wählte und mitentscheidend für die Niederlage der Republikaner war, zurückzugewinnen. Gerade sie sind es, die über die Erstürmung des Kapitols besonders erzürnt sind und mit Treueschwüren an Trump von einer Rückkehr jedenfalls abgehalten werden.

Lisa Murkowski, Senatorin von Alaska und eine der sieben republikanischen Stimmen gegen Trump, macht sich jedenfalls keine Sorgen, 2022 die Wiederwahl zu verlieren. „Wenn ich nicht sagen kann, wie sich unser Präsident verhalten sollte, warum sollte ich dann die Bevölkerung von Alaska bitten, mich zu wählen?“

Strategischer Etappensieg für Demokraten

Nur eine – für US-Verhältnisse – deutliche Linkswende könnte ohne klare Absage an Trump diese Wählergruppe vielleicht zu den Republikanern zurückbringen. Auch wenn Biden seinerseits unter dem Druck seines linken Parteiflügels steht, machte der nunmehrige Präsident seit seinem Wahlsieg stets klar, dass ihm bewusst ist, dass er auch von vielen Gemäßigten gewählt wurde.

Vizepräsidentin Kamala Harris
AP/Pool/Erin Scott
Wenn kein Republikaner mitstimmt, sichert sie die Mehrheit im Senat: Vizepräsidentin Kamala Harris

Demokraten hätten nichts lieber gesehen als eine rechtskräftige Verurteilung Trumps. Es wäre für sie auch eine große Genugtuung nach den letzten vier Jahren gewesen. Auch wenn der moralische Sieg ausblieb: Die Zustimmung von sieben Senatorinnnen und Senatoren der „GOP“ ist ein nicht zu unterschätzender Erfolg. Denn es garantiert, dass die Republikaner auf absehbare Zeit intern tief gespalten bleiben.

Und genau das könnte sich letztlich strategisch als der viel größere Nutzen herausstellen: nicht nur bei den Midterm-Wahlen 2022, sondern auch davor. Es könnte dazu führen, dass zumindest im Senat das seit Jahren zementierte Abstimmungsverhalten strikt entlang der Parteilinien aufbricht und Abstimmungen nicht allein dank der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris entschieden werden. Es wäre genau das, was der langjährige Senator und nunmehrige Präsident Biden erhofft: mehr parteiübergreifende Kompromisse.