Zwei Männer verpacken den Covid-Imfpstoff von Pfizer-Biontech
AP/Morry Gash
Covax

Zwischen Solidarität und Impfnationalismus

„Niemand ist sicher, bis wir alle sicher sind“: Getreu ihrem Motto will die internationale Impfallianz Covid-19 Vaccines Global Access (Covax) sicherstellen, dass es weltweit zu einer gerechten Verteilung der Covid-19-Vakzine kommt – in armen wie reichen Nationen. Doch gerade wohlhabende Länder scheinen das Vorhaben zu torpedieren, Klagen über Impfnationalismus nahmen zuletzt zu.

Ziel der Covax-Initiative, die April 2020 ins Leben gerufen wurde, ist die Förderung von Impfstoffforschung, die gemeinsame Impfstoffanschaffung sowie deren gerechte Verteilung. Geleitet wird sie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Impfallianz Gavi und dem Bündnis CEPI. Über 190 Länder haben sich der Initiative angeschlossen. Unterstützt wird die Initiative unter anderem vom UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF).

Konkret will Covax sicherstellen, dass noch heuer in jedem Land die am stärksten gefährdeten 20 Prozent der Bevölkerung geimpft werden können – vorrangig medizinisches Personal und Risikogruppen. Zwei Milliarden Impfdosen sollen dazu bis Jahresende verteilt werden, 337 Millionen davon noch im ersten Halbjahr. Vor allem um ärmere Länder bemüht sich die Initiative: Insgesamt 1,8 Milliarden Dosen sollen 2021 an 92 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen gehen.

Initiative will „eine geschützte Welt“

Um das zu ermöglichen, wurden Verträge mit mehreren Herstellern geschlossen – darunter AstraZeneca, Pfizer, Novavax, Sanofi-GSK sowie Johnson & Johnson. Sechs Milliarden Dollar (4,96 Mrd. Euro) kostete das bisher – weitere zwei Milliarden Dollar werden noch benötigt. Auch Österreich sicherte der Initiative im Dezember 2,4 Millionen Euro zu.

Die Gefahr der Pandemie lasse sich nicht bannen, solange sie nicht weltweit eingedämmt werden könne, begründet Covax ihr Vorhaben. „Es geht nicht um ein Land gegen ein anderes. Es geht um eine geschützte Welt“, heißt es im Werbevideo der Initiative.

Gerechte Verteilung derzeit noch Wunschdenken

Dass es sich dabei aktuell eher um Wunschdenken handeln dürfte, darauf lassen jedoch Aussagen von WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus wie auch ein offener Brief mehrerer renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schließen.

Die WHO übte im Jänner Kritik am „Impfstoffnationalismus“ der reichen Länder, die sich in direkten Vereinbarungen mit den Herstellern – unter Umgehung von Covax – Vakzine für die eigene Bevölkerung sichern. Weltweit seien bis Mitte Jänner über 39 Millionen Dosen von CoV-Impfstoffen verabreicht worden, sagte Tedros damals. Davon 25 in einem armen Land – „nicht 25 Millionen, nicht 25.000, sondern lediglich 25“.

Zwei Arbeiter schieben in einem Cargoflugzeug eine Palette mit CoV-Impfstoffen
APA/AFP/Zoltan Mathe
Zu spät, zu langsam: Die Impfstoffanschaffung und -verteilung durch Covax ruft Kritik hervor

Wissenschaftler beklagen „Impfstoffnationalismus“

In die gleiche Kerbe schlugen Wissenschaftler mit einem offenen Brief, der am Wochenende in der britischen Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht worden war. Darin warnten sie vor einer lang anhaltenden Pandemie, wenn eine gerechte weltweite Verteilung der Impfstoffe nicht gelingt. Das Horten von Impfstoffen in reicheren Ländern werde die Pandemie global verlängern.

„Impfnationalismus“ könne zu einem Mangel an Impfstoffen bei der Covax-Initiative sorgen, warnten sie. „Wenn Impfstoffe nicht gerechter verteilt werden, könnte es noch Jahre dauern, bis das Coronavirus weltweit unter Kontrolle ist“, so Olivier Wouters, einer der Autoren von der London School of Economics and Political Science.

Verkaufszahlen würden den Wissenschaftlern zufolge zeigen, dass sich reiche Länder, in denen rund 16 Prozent der Weltbevölkerung leben, bis Mitte Februar 70 Prozent der verfügbaren Impfstoffmengen gesichert hätten. So würden reiche Länder die Impfung ihrer Bevölkerung über die Impfung von medizinischem Personal oder besonders gefährdeter Gruppen in anderen Ländern stellen.

Sendungshinweis

Ö1 widmet sich im „Journal Panorama“ ab 18.25 Uhr dem Thema Impfsolidarität und Impfnationalismus – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Covax-Kritik aus Österreich

Doch auch an Covax selbst gibt es Kritik: Der Sonderbeauftragte im österreischischen Gesundheitsministerium und Mitglied des WHO-Exekutivrats, Clemens Martin Auer, kritisierte im Jänner, dass Covax „einen besseren Job“ machen müsse.

Die Initiative sei zu langsam, was die Impfstoffverteilung betreffe. Er wandte sich dabei vor allem an die dafür zuständige Impfallianz Gavi. Vereinzelt suchen weniger wohlhabendere Länder deshalb auch bei Russland und China um Hilfe an.

WHO: Grünes Licht für AstraZeneca-Vakzin

Tatsächlich kam die Verteilung durch Covax noch nicht in die Gänge: Erst im Laufe des Monats sollen die ersten Lieferungen rausgehen. Das liegt unter anderem daran, dass die WHO dem für die Initiative wesentlichsten Impfstoff von AstraZeneca erst am Montag grünes Licht gab. Die WHO-Notfallzulassung ist die Voraussetzung, damit UNO-Organisationen den Impfstoff kaufen und verteilen können. Ebenso können Länder, die keine eigenen Kapazitäten für wissenschaftliche Prüfungen haben, aufgrund der Vorarbeit der WHO eine Zulassung in ihrem Land erteilen.

Eine WHO-Zulassung gab es davor nur für das Vakzin von Biontech/Pfizer. Mit dem Hersteller schloss Covax im Jänner einen Vertrag über 40 Millionen Impfdosen ab. Letzterer kommt aber aufgrund seiner heiklen Lagerung für viele Nationen – insbesondere ärmere – nicht infrage. Herdenimmunität kann durch Covax heuer jedenfalls noch nicht erzielt werden. Der WHO zufolge müssten dazu mindestens 70 Prozent der Weltbevölkerung geimpft werden.