Apple CEO Tim Cook während einer Präsentation vor App-Icons
AP/Marcio Jose Sanchez
„Fortnite“-Konflikt erreicht EU

Streit sägt an Apples Geschäftsmodell

Der Streit zwischen „Fortnite“-Entwickler Epic Games und Apple erreicht nun auch Europa. Das Spieleunternehmen reichte am Mittwoch eine Kartellbeschwerde bei der EU-Kommission ein. Bei dem Konflikt geht es aber um weit mehr als nur ein Computerspiel: In der Kritik steht der gesamte App-Store. Ein Einschreiten der Politik wäre wohl auch für Nutzerinnen und Nutzer spürbar – und könnte Apples Geschäft stark beeinträchtigen.

Epic Games schrieb in einer Stellungnahme auf seiner Website, dass Apple „Wettbewerb nicht nur geschädigt, sondern komplett eliminiert“ habe. Die beherrschende Stellung beim eigenen Apple-Betriebssystem iOS würde den Konzern selbst begünstigen und die Konkurrenz stark einschränken, so die Vorwürfe, die der Kommission vorgelegt wurden.

Hintergrund für den Streit ist Apples Umgang mit Apps im Betriebssystem iOS: Wer ein iPhone bzw. iPad besitzt, ist automatisch auch auf Apples App-Store angewiesen – sämtliche Einkäufe müssen darüber abgewickelt werden. Alternative gibt es, anders als etwa bei Googles Android, offiziell keine.

Apple schneidet mit bis zu 30 Prozent mit

Für Apple ist das lukrativ: Zumindest 15 Prozent jeder Zahlung gehen direkt an den iPhone-Hersteller, große Unternehmen müssen sogar 30 Prozent an Apple abführen. Nach einer Schätzung des US-Senders CNBC ist das eine wichtige Einnahmequelle für den Konzern: Im Vorjahr verdiente er damit rund 64 Milliarden Dollar (ungefähr 53 Mrd. Euro) – Tendenz steigend.

iPhones in einem Apple-Store
Reuters/Edgar Su
Auf Apples Geräten ist der App-Store die einzige offizielle Möglichkeit, Apps zu installieren

Schon 2020 probte Epic Games, auch auf dem iPhone vor allem für „Fortnite“ bekannt, den Aufstand und versuchte, Apples Bestimmungen zu umgehen – und damit die sonst fälligen 30 Prozent einzusparen. Apple reagierte mit dem Rauswurf aus dem App-Store, Klagen in den USA auf beiden Seiten folgten kurz darauf.

Konzerne fahren schwere Geschütze auf

Dass der Streit jetzt auch nach Europa kommt, ist die nächste Eskalationsstufe in dem Konflikt zwischen Hardwarehersteller Apple und Softwarehersteller Epic. Gegenüber ORF.at bestätigte die EU-Kommission, dass eine Beschwerde von Epic vorliegt, diese werde nun entsprechend bearbeitet.

Der Gründer und Präsident von Epic Games, Tim Sweeney
Epic-Gründer Sweeney sieht einen richtungsweisenden Streit

Die beiden Konzerne griffen zur Untermauerung ihrer Position zu recht drastischen Worten. Epic-Chef Tim Sweeney schrieb: „Hier steht die Zukunft mobiler Plattformen auf dem Spiel.“ In einer Stellungnahme, die ORF.at vorliegt, schrieb Apple unterdessen: „Das rücksichtslose Verhalten (von Epic Games, Anm.) hat die Kunden zum Spielball gemacht, und wir freuen uns schon darauf, das der EU-Kommission deutlich zu machen.“

Sicherheit vs. Freiheit im App-Store

Tatsächlich könnte der Rechtsstreit aber recht gravierende Auswirkungen haben, sollte Apple zu Änderungen verpflichtet werden. Denn der „walled garden“ (Dt.: „umzäunter Garten“), der Apple-Kunden davon abhält, nicht zuvor von Apple autorisierte Apps zu installieren, spaltet mittlerweile seit mehr als einem Jahrzehnt Nutzerinnen und Nutzer genauso wie Entwicklerinnen und Entwickler.

Apple selbst schreibt in der Stellungnahme, dass der App-Store „seit zwölf Jahren geholfen hat, die Ideen von Entwicklern zu Apps zu machen, die die Welt verändern“. Dabei „lag unsere Priorität stets darauf, Kunden einen vertrauenswürdigen und sicheren Platz anzubieten, um Software herunterzuladen“, heißt es weiter.

Die Sicherheit, die Apple verspricht, kommt mit dem Preis, dass letztendlich Apple entscheidet, was in den App-Store darf und was nicht. Neben Schadsoftware werden so zahlreiche Apps einfach abgelehnt oder im Nachhinein verbannt. Darunter fallen etwa das auch von Rechtsextremen genutzte Soziale Netzwerk Parler ebenso wie die App „HKmap.live“, die zur Organisation bei den Protesten in Hongkong im Jahr 2019 genutzt wurde. Ebenfalls tabu ist praktisch jede Form von Nacktheit: Der 2011 verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs warb für seine Geräte einst damit, dass sie „Freiheit von Pornografie“ bieten.

Gesetzesentwurf in den USA abgelehnt

In den USA wäre Apple deshalb erst am Dienstag beinahe ein Riegel vorgeschoben worden: Im Bundesstaat North Dakota gelangte ein Gesetzesentwurf zur Abstimmung, der es IT-Riesen verboten hätte, ihre Kundinnen und Kunden auf einen bestimmten App-Store zu beschränken. Apples Chefdatenschützer Erik Neuenschwander sagte im Rahmen der Anhörungen, dass das Gesetz „das iPhone, wie wir es kennen, zu zerstören droht“, und weiter: „Wir arbeiten hart daran, bösartige Apps vom App-Store fernzuhalten, (das Gesetz) würde uns dazu zwingen, diese hineinzulassen“, zitierte das Nachrichtenportal The Verge den Mitarbeiter.

Das Gesetz in North Dakota wurde letztendlich abgelehnt, doch auch in anderen Staaten sind ähnliche Gesetze geplant. Das ist auch auf Epic zurückzuführen – die freilich nicht alleine auftreten: In der im Vorjahr gegründeten Coalition for App Fairness finden sich neben Epic Firmen wie die Tinder-Mutter Match, Spotify und andere große Namen der Branche, die freilich kräftig für ihre Anliegen werben.

Auch Google drohen Einschnitte

Politische Entscheidungen könnten nicht nur Apple treffen: Auch Google, das die iOS-Konkurrenz Android entwickelt, steht wegen des Play Stores in der Kritik. Zwar ist es auf Android-Handys ganz einfach, Apps von Drittanbietern zu installieren – so gibt es etwa einen App-Store von Amazon. Doch in Googles Play Store selbst schneidet der Internetriese auch kräftig mit. Letztlich spielen bei den Großkonzernen, die gegen Apple und Google lob­by­ie­ren, wohl vor allem finanzielle und weniger ideologische Aspekte die wesentlichere Rolle.

Screenshot aus „Fortnite“
Reuters/Brendan McDermid
„Fortnite“ könnte auf dem Rechtsweg eine Rückkehr auf Apples Geräte feiern

Möglicher Showdown im Mai

Während es wohl noch dauern wird, bis die EU-Kommission in der Causa zu einer Entscheidung kommt, könnte es schon vor dem Sommer zu einer Vorentscheidung kommen. Laut „Financial Times“ („FT“) werden Epic Games und Apple im Mai in den USA vor Gericht zusammentreffen. Apple-Chef Tim Cook ist für eine siebenstündige Befragung vorgesehen.

Sollte Apple dazu gezwungen werden, seinen „walled garden“ aufzubrechen, würde das wohl nicht nur eine Rückkehr von „Fortnite“ auf Apple-Geräte bedeuten, sondern auch vormals abgelehnten Apps die Tür öffnen. Und es gäbe wohl mehr Raum bei der Preisgestaltung von Apps. Das Argument Apples, dass dadurch auch Schadsoftware einfacher den Weg auf Geräte finden könnte, ist wohl ein Nebeneffekt. Freilich gäbe es wohl aber keine Pflicht, Apps von Drittanbietern zu verwenden – hundertprozentigen Schutz gibt es aber ohnehin keinen. Abzuwarten bliebe dann, wie sich die Öffnung auf die Einnahmen des Konzerns auswirken würde.