Mikrochip bei der Herstellung
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Chipkrise

Ein Engpass mit Folgen

Sei es die neue PlayStation, seien es aktuelle Grafikkarten oder ein Neuwagen: Viele elektronische Produkte sind teils seit Monaten nicht verfügbar oder empfindlich teurer. Der Hintergrund ist ein globaler Mangel an Mikrochips – genauer an Halbleitern. Er setzt insbesondere den Autoherstellern zu und offenbart die Verletzlichkeit globaler Lieferketten.

Halbleiter sind im Grunde genommen der Stoff, aus dem die moderne Welt gemacht ist. Zählt man alle Transistoren, die Halbleiterbauelemente sind, in sämtlichen bisher hergestellten Schaltkreisen zusammen, sind sie jene technische Funktionseinheit, die in der Menschheitsgeschichte am häufigsten hergestellt wurde. Eine Schätzung geht davon aus, dass die herkömmlichste Transistorbauform zwischen 1960 und 2018 13 Sextillionen Mal produziert wurde. Von der Waschmaschine über das Smartphone bis zur Rakete: Halbleiter sind einfach überall und stecken teils milliardenfach in einem einzigen Produkt.

Doch seit Ausbruch der Pandemie ist das Geschäft mit Mikrochips aus dem Tritt gekommen, denn Halbleiter sind aktuell Mangelware. Die Gründe dafür sind vielfältig: Temporäre Produktionsstopps, Brüche in den internationalen Lieferketten, eine gestiegene Nachfrage nach gewissen Produkten, ein stetig wachsender Anteil an „smarten“ Gegenständen und auch politische Faktoren haben eine Knappheit sichtbar gemacht und verschärft, die bereits vorher existent war. Jedenfalls leidet die Weltwirtschaft nun bereits seit Monaten an einem eklatanten Mangel, der vielerorts zu Produktionsengpässen führt.

Autoproduktion liegt teils brach

Insbesondere die Automobilindustrie wurde durch den Halbleiterengpass in die Knie gezwungen. Neuwagen – ob E-Auto oder nicht – sind längst Hochtechnik auf vier Rädern, in der von den Bremsen bis zum eingebauten Navi zahllose Sensoren und Mikrochips verbaut werden. Als die Pandemie ausbrach, soll den Autoherstellern ein Lieferansatz zum Verhängnis geworden sein, der sich an der abrupt sinkenden Nachfrage mit dem ersten Lockdown orientierte und mit dem einsetzenden Aufschwung zu einer viel zu geringen Versorgung führte. Die Chips, die dann nicht an die Automobilindustrie gingen, landeten in anderen Branchen.

Produktion des Volkswagen ID.3
AP/Jens Meyer
Ohne Hightech geht in der Autoherstellung nichts mehr

Nun wäre die Nachfrage nach Neuwagen längst wieder da, doch die Halbleiter sind es nicht – denn die Produzenten können mit der hohen Nachfrage nicht Schritt halten. Fast alle Autohersteller mussten in den vergangenen Wochen ihre Produktion drosseln oder stilllegen. An mehreren Standorten wurde zeitweise Kurzarbeit verhängt, weil die Produktion nicht fortgesetzt werden konnte. General Motors und Ford kündigten gar an, halb fertige Autos zu parken, bis die raren Komponenten wieder verfügbar seien. Laut dem „Spiegel“ gibt es bei Volkswagen seit Dezember eine „Taskforce Halbleiter“, die zuletzt auf täglicher Basis entschied, in welchen VW-Werken die letzten Chipreserven eingesetzt werden.

Es wird befürchtet, dass die Flaute noch Monate dauern könnte – und damit beginnen in der Autobranche nun auch langsam die Schuldzuweisungen. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ diese Woche berichtete, soll VW seinen Hauptlieferanten vorgeworfen haben, Unternehmensprognosen über eine rasch wiederkehrende Nachfrage nach Autos nicht geglaubt zu haben. Zudem seien die Lieferprobleme gegenüber VW nicht genug und zu spät kommuniziert worden. Laut dem „Spiegel“ würden große Teile der Autoindustrie mitunter aktuell aber auch deswegen so leiden, weil diese ihre Halbleiterbestellungen über Lieferanten und nicht direkt abwickle.

Horten in der Tech-Branche

Der Engpass ist jedenfalls des einen Freud, des anderen Leid: Die von der Autobranche geschmähten Halbleiter gingen stattdessen an andere Branchen. Tech- und Telekommunikationskonzerne wie Apple und Huawei kauften die Märkte leer und können sich nun über einen Überschuss freuen. Die Krux für die Automobilbranche ist dabei auch, dass diese Unternehmen für die Halbleiterproduzenten die etablierten und wichtigeren Kunden sind. Allein Apple verbraucht ungefähr so viele Mikrochips wie die gesamte Autoindustrie.

Firmenzentrale des Semiconductor Herstellers TSMC in Hsinchu, Taiwan
APA/AFP/Sam Yeh
Eine wichtige Rolle in der Halbleiterproduktion nimmt das taiwanesische Unternehmen TSMC ein

Insbesondere am Beispiel Huawei wird auch die politische Komponente – konkret der Handelskrieg zwischen den USA und China – ersichtlich. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte den Netzwerkausrüster u. a. aufgrund von Spionagevorwürfen zugunsten der chinesischen Regierung auf eine „schwarze Liste“ setzen lassen. Als Reaktion darauf deckte sich das Unternehmen laut Bloomberg mit Chips ein, was wiederum Engpässe verschärfte. Ähnlich einschneidende Auswirkungen auf die Versorgung hatten auch US-Vorwürfe gegen den chinesischen Halbleiterproduzenten SMIC, der rund fünf Prozent des Marktes abdeckt. Im September verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen SMIC, weswegen viele Produzenten andere Hersteller überrannten.

Abhängigkeit von Asien

Grundsätzlich ist das US-Unternehmen Intel nach wie vor Marktführer. Doch die Konkurrenz mit Asien wird immer schärfer, wo große Auftragsfertiger wie Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) und Samsung Electronics die Produktion für Hunderte von verschiedenen Chipfirmen übernehmen, welche diese nur mehr entwerfen. Die Produktion kann aufgrund der Komplexität und der immensen Kosten der Halbleiterproduktion nicht einfach verlagert werden. Werke müssen kontinuierlich ausgelastet sein, Produktionsumstellungen sind extrem aufwendig und kostspielig. Die Errichtung neuer Produktionsstätten dauert nicht nur, sie kostet auch Milliarden.

Allerdings hat die Frage nach der Versorgung mit Halbleitern längst strategische Dimensionen angenommen. Diese sind mittlerweile fraglos Schlüsselgüter, die Abhängigkeit von Asien allerdings hoch. Umso lauter wurden angesichts des aktuellen Engpasses die Rufe aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die Produktion in den USA und in Europa zu stärken. Insbesondere für die EU ein schwieriges Unterfangen, das Milliarden Euro und viele Jahre kosten würde und nicht zuletzt dauerhaften politischen Rückhalt brauchte.